Montag, 1. Juni 2020

Cursus honorum: Volkstribunat und Ädilität

Römische Aristokraten unterschieden sich in Patrizier und Plebejer. Erstere zählten sich zu den ältesten, vornehmsten Familien Roms. In der Kaiserzeit verschwammen die Unterschiede, da auch "neue" Männer (homines novi) unter die Patrizier aufgenommen wurden. Ein Beispiel dafür ist der Vater Kaiser Trajans, der von Kaiser Vespasian zum Patrizier erhoben wurde. Ein Vorteil, der den Patriziern zukam, war eine verkürzte Ämterlaufbahn, die relativ früh, d.h. in den Dreißigern, zum Konsulat führen konnte.

Typische Ämter der Plebejer waren das Volkstribunat und die Ädilität. Volkstribunen waren echte Volksvertreter, die sich in der Öffentlichkeit regelmäßig aufzuhalten hatten, zwischen Senat und Volk vermittelten und die Interessen der einfachen Leute unterstützten. Sie waren sakrosankt, durften nicht angegriffen werden, und mit Hilfe ihres Vetorechts konnten sie jedes Gesetz und jede Maßnahme verhindern. In der späten Republik wurde das Volkstribunat ein Karrieresprungbrett für ehrgeizige Politiker. Den berühmtesten Volkstribunen der römischen Geschichte, den Brüdern Tiberius und Gaius Sempronius Gracchus, habe ich hier im Blog Texte gewidmet, ebenso Gaius Marius und Gaius Julius Caesar.

Augustus übernahm als Princeps die tribunizische Gewalt und somit wurde das Volkstribunat in der Kaiserzeit ein Ehrenamt ohne reale Macht. Von Plinius dem Jüngeren ist bekannt, dass er Volkstribun war: er erwähnt diese Tatsache selbst in seiner Briefsammlung. Adressat des Briefes ist Pompeius Falco, eine bedeutende Persönlichkeit der trajanisch-hadrianischen Zeit. Er hatte Plinius um Rat gebeten, ob er während seines Volkstribunats weiterhin als Anwalt vor Gericht auftreten dürfe. Plinius riet ihm nicht direkt, sondern beschrieb ihm, wie er es gehandhabt hatte: er wollte "lieber als Tribun für alle denn als Anwalt für wenige auftreten" (Plinius, Briefe, I, 23). Die "homines novi" hatten eben noch Prinzipien! Auch der spätere Kaiser Hadrian war während seiner Ämterlaufbahn Volkstribun.

Das nächste Amt des cursus honorum war das des Ädil. Es stand Patriziern und Plebejern offen, doch die Patrizier hatten das Recht, dieses Amt auszulassen. Die Ädile hatten vielfältige Aufgaben in der städtischen Verwaltung. Sie waren für die Sauberhaltung der Straßen, den Verkehr in der Stadt zuständig und hatten eine Aufsichts- und Polizeifunktion. Dabei wurden sie von anderen, ihnen untergeordneten Beamten unterstützt. Es gab zunächst vier, später sechs Ädile mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen. Sie waren für die Lebensmittelpreise und Qualität der Waren verantwortlich, führten die Aufsicht über den Handel und die Märkte. Weitere Aufgaben waren die Aufsicht über Gaststätten, Herbergen und Bordelle. Sie waren zuständig für die Funktion der Wasserleitungen, Brunnen und der Kanalisation, sie überwachten die Instandhaltung von Tempeln und gingen auch gegen übermäßigen Luxus vor. Ädile waren berechtigt, in ihren Kompetenzbereichen Geldstrafen zu verhängen. In der Republik richteten sie die Gladiatorenspiele auf eigene Kosten aus. Das konnte sie wirtschaftlich beinahe ruinieren und manche jungen Beamten verschuldeten sich dafür. Aber der Lohn dafür war hohe Popularität und Zugang zu den höheren Ämtern des cursus honorum. Die Verwaltung einer reichen Provinz gab ihnen oftmals Gelegenheit, die eigenen Finanzen durch Ausbeutung und Korruption wieder aufzubessern. In der Kaiserzeit übernahmen die Kaiser die Ausrichtung der Spiele und andere Aufgaben gingen auf die Stadtpräfekten über, so dass die Kompetenzen der Ädile geringer wurden.

Der spätere Kaiser Trajan war während seiner Ämterlaufbahn höchstwahrscheinlich nicht Ädil. Mit Anfang Zwanzig war er bereits Patriziersohn und konnte diese Stufe überspringen. Literarisch belegt für ihn und obligatorisch für höhere Ambitionen ist die Prätur, der ich mich im nächsten Text widmen werde.

Literatur:

Geza Alföldy: "Römische Sozialgeschichte", Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1975, ISBN 978-3-515-09841-0

Georg Ürögdü: "Reise in das alte Rom", Prisma-Verlag, Leipzig 1966

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