Sonntag, 15. September 2019

Gaius Marius

Mit der gewaltsamen Beendigung der Reformversuche der Brüder Tiberius und Gaius Gracchus war auch die populare Politik in die Schranken gewiesen worden. Doch die Ruhe war trügerisch, und der Konsens der gesellschaftlichen Schichten war erschüttert.

Das Volk misstraute der Senatsaristokratie. In dieser politischen Situation vollzog sich der Aufstieg des Gaius Marius, eines Mannes, der aus dem Ritterstand stammte und in Rom ein homo novus, ein Emporkömmling war. Er kam - als bekannte Persönlichkeit seiner Zeit - mit nur zwei Namen aus. Marius war vermutlich im Jahr 158 oder 157 v. Chr. geboren worden und stammte aus einem Dorf nahe der Stadt Arpinum in Italien. Seine Karriere begann im Militärdienst, und zwar im Zeitraum 134-133 v. Chr. unter dem Kommando des Publius Cornelius Scipio Aemilianus in Spanien. Scipio wurde auf Marius aufmerksam und bezeichnete ihn als Mann der Zukunft. Marius diente an die zehn Jahre und wurde zwischen 131 und 129 zum Militärtribun gewählt. Jene Tribunen wurden damals vom Volk gewählt; in der Kaiserzeit änderte sich das.

Nach dem Militärdienst trat Marius in die Ämterlaufbahn ein. Er wurde Quästor und im Jahr 119 Volkstribun. Er setzte ein Gesetz durch, das die Kontrolle der Stimmabgabe in den Volksversammlungen durch die Oberschicht erschwerte, aber er behinderte ein populäres Getreidegesetz durch sein Veto. Marius erlangte den Ruf eines unabhängigen Politikers, der sich von keiner Seite komplett vereinnahmen oder gar kaufen ließ, was damals nicht selbstverständlich war. Seine Bewerbungen um das Amt des Ädil war nicht erfolgreich, aber 115 v. Chr. wurde er prätorischer Statthalter in Spanien. Danach heiratete er Julia, eine Tante des späteren Diktators G. Julius Caesar, die einer Patrizierfamilie angehörte.

Der numidische König Jugurtha, der mit Unterstützung Roms die Herrschaft übernommen hatte, erwies sich als illoyaler Bündnispartner. Um seine Position zu erhalten, bestach er Senatoren. Als er schließlich einen Konkurrenten ermorden ließ, erklärte Rom den Krieg. Doch die aristokratischen Feldherren waren nicht erfolgreich, und 110 v. Chr. musste der Oberbefehlshaber A. Postumius Albinus kapitulieren und einen Vertrag unterzeichnen, den der Senat nicht anerkannte. In Folge dessen wurden mehrere Senatoren der Korruption angeklagt und in die Verbannung geschickt. Die Macht des Volkes hatte wieder zugenommen.

Neuer Oberkommandierender gegen Jugurtha wurde Q. Caecilius Metellus, ein besonnener Feldherr. Einer seiner Legaten war Marius, der es verstand, seine Soldaten, aber auch die in Afrika tätigen Ritter für sich zu gewinnen. Schon aus dem Feld führte er Wahlkampf um den Konsulat und intrigierte auch gegen seinen Vorgesetzten. Marius wurde wirklich Konsul und stach, auf das Volk gestützt, Metellus aus. Er erhielt den Oberbefehl im Krieg gegen Jugurtha. Auch ihm gelang kein sofortiger durchschlagender Erfolg, und den entscheidenden Vorteil für Rom erlangte sein Quästor L. Cornelius Sulla, der spätere Diktator, der die Auslieferung des Jugurtha durch dessen Schwiegervater aushandelte.

Die germanischen Stämme der Kimbern, Teutonen und Ambronen waren (vielleicht durch eine Naturkatastrophe verursacht) auf Wanderungen oder eher Plünderungszügen bis nach Südosteuropa, nach Oberitalien und Spanien vorgedrungen und in Rom herrschte Panik, weil man ein weiteres Vorrücken der Stämme in den Süden befürchtete. 113 und 105 v. Chr. hatten römische Heere schwere Niederlagen erlitten. Marius bereitete seinen Schlag gegen die Germanen systematisch vor. Er reformierte das Heer und trieb die Umwandlung der römischen Armee in eine Berufsarmee voran. Er gliederte die Legionen in Kohorten und ermöglichte es, dass auch besitzlose Männer Soldaten werden konnten. Die Ausrüstung wurde vom Staat übernommen und die Feldherren mussten den Soldaten nach ihrer Dienstzeit Land zuweisen. Dadurch wurden die Veteranen Klienten ihres Feldherrn und es war abzusehen, dass sie ihn auch in seiner weiteren politischen Laufbahn unterstützten. Marius setzte durch, dass die Soldaten einen Großteil ihrer Ausrüstung auf dem Marsch selbst tragen mussten, was das Heer flexibler machte. Und er verstärkte das Training bzw. den Drill der Männer. Damit legte er die Grundlage für den Erfolg der römischen Armee als eine der schlagkräftigsten Berufsarmeen der Weltgeschichte. Dass er damit auch die Macht der Feldherren gefährlich stärkte, hat er wohl in aller Konsequenz nicht vorausgesehen.

Im Jahr 102 v. Chr. schlug Marius die Teutonen und Ambronen vernichtend bei Aquae Sextiae (heute Aix-en-Provence) und 101 v. Chr. vernichtete er die Kimbern bei Vercellae (heute Vercelli) in Norditalien. Von 104 bis 101 v. Chr. wurde Marius wiederholt zum Konsul gewählt, was ein Verstoß gegen geltendes Gesetz war, denn zwischen Ämtern waren Pausen vorgeschrieben, um die Beamten zur Rechenschaft ziehen zu können, falls notwendig.

Marius wurde für seine Siege hoch geehrt, galt als Retter des Vaterlandes, und natürlich feierte er einen Triumph. Doch der Senat verweigerte ihm das Prestige, das ihm auf Grund seiner Erfolge eigentlich zugestanden hätte. Marius wusste, dass er nie zu den einflussreichen Konsularen zählen würde, die die Politik des Senates bestimmten. Nach seinem sechsten Konsulat zog er sich aus der Politik zurück. Zuvor hatte er sich gezwungen gesehen, gegen L. Appuleius Saturninus vorzugehen, der zusammen mit G. Servilius Glaucia ein wichtiger Verbündeter und Freund war und seine Karriere unterstützt hatte. Doch beide Männer waren in ihren Bestrebungen für sein Empfinden zu weit gegangen. Sie wollten den Einfluss des Senats stärker als bisher beschränken und hätten in Zusammenarbeit mit Marius gar ein Triumvirat etablieren können. Doch Marius war nicht bereit, sich gegen den Senat zu stellen.

Im Bundesgenossenkrieg italischer Stämme gegen Rom übernahm Marius noch einmal ein Kommando, das aber trotz seines Erfolges nicht verlängert wurde. Im Jahr 88 v. Chr. wurde L. Cornelius Sulla als Konsul mit dem Oberkommando gegen Mithridates VI. von Pontos beauftragt. Der pontische König hatte Kleinasien erobert und dort tausende römische Bürger und Italiker töten lassen. Marius wurde aktiv und setzte mit Hilfe eines befreundeten Volkstribunen durch, dass das Kommando an ihn übertragen wurde. Doch Sulla akzeptierte dies nicht und marschierte mit seinem Heer auf Rom. Er ließ sich das Kommando zurückübertragen und seine Gegner zu Staatsfeinden erklären. Marius musste aus Rom fliehen und fand in Nordafrika Schutz bei seinen Veteranen.

Als Sulla gegen Mithridates zog, brachen die Auseinandersetzungen zwischen Optimaten und Popularen wieder aus. Der populare Konsul Cinna wurde aus Rom vertrieben. Marius kehrte nach Italien zurück und schloss sich den Vertriebenen an. Schließlich konnten die Popularen Rom wieder unter Kontrolle bringen. Ihre politischen Gegner wurden umgebracht oder töteten sich selbst. Marius und Cinna wurden zu Konsuln des Jahres 86 v. Chr. ernannt. Doch Marius starb zwei Wochen nach Amtsantritt eines natürlichen Todes. Er wurde am Fluss Anio bestattet, doch Sulla ließ später das Grabmal schänden und die sterblichen Überreste seines Feindes in den Fluss werfen.

Gaius Marius war ein bedeutender und erfolgreicher römischer Politiker. Er besaß jedoch nicht die Skrupellosigkeit eines Sulla, die ihm womöglich noch mehr Macht und Prestige verschafft hätte. Sulla, sein einstiger Mitarbeiter und späterer Feind, wird mich im nächsten Text beschäftigen.

Literatur:

Bernhardt Linke: "Die römische Republik von den Gracchen bis Sulla", wbg Academic, 2015, ISBN 978-3534267132

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