Sonntag, 30. Juli 2017

Konkurrenten und Verschwörer (1)

Die Verleihung der Kaiserwürde an Nerva war eine Übergangslösung. Die Prätorianergarde und Truppen an der Donau akzeptierten ihn nicht. Eine Gruppe im Senat favorisierte Trajan als Nachfolger Nervas. Er war damals Statthalter in Obergermanien. Seine Freunde und Förderer standen in den Nachbarprovinzen oder unterstützten ihn in Rom. Es gab einen bedeutenden Konkurrenten um die Herrschaft: Marcus Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus, der erfolgreichste und mehrfach ausgezeichnete Feldherr Domitians aus den Dakerkriegen. Im Jahr 97 drohte ein neuer Bürgerkrieg. Plinius spielt darauf an, ohne Maternus namentlich zu nennen. Als er den Delator Publius Certus im Senat angriff, warnte man ihn, sich nicht zu sehr zu exponieren, da er die Zukunft nicht kenne. Erwähnt wurde ein Freund des Certus, "der im Osten ein sehr bedeutendes, hochberühmtes Heer führte und über den viele zweideutige Gerüchte im Umlauf waren." (Plinius der Jüngere, Briefe, IX, 13 (11)). Jener Mann war Maternus, zu dieser Zeit Statthalter der Provinz Syria. Es wird vermutet, dass er die Prätorianer zur Revolte gegen Nerva aufwiegelte. Er stammte aus der Provinz Hispania Tarraconensis, aus Liria. Seiner Laufbahn nach zu urteilen, war er wohl etwas älter als Trajan. Vespasian und Titus hatten ihn in den Senat aufgenommen. Trajan, Sohn eines Senators und Patriziers, war ihm an Sozialprestige überlegen: vermutlich war dies einer der Gründe, weshalb er und nicht Maternus sich durchsetzen konnte. Ein weiterer Grund könnte Maternus' Nähe zu Männern wie Publius Certus sein, mit denen die einflussreichste Gruppe im Senat nichts mehr zu tun haben wollte.

Mit der Adoption Trajans durch Nerva war die Nachfolge entschieden. Der künftige Kaiser berief den meuternden Präfekten Aelianus mit seinen Prätorianern zu sich nach Obergermanien und ließ ihn und seine Männer hinrichten. Curiatius Maternus wurde seines Amtes enthoben und politisch kaltgestellt. Trajan hielt sich an sein Versprechen, keinen Senator töten zu lassen (Aelianus war Ritter). Rekonstruierte Inschriften offenbaren die Verdienste des Maternus und seine hohe Stellung unter den flavischen Kaisern.

Eine weitere hochrangige Persönlichkeit jener Zeit war Manius Laberius Maximus. Im ersten Dakerkrieg Trajans Statthalter von Moesia Inferior, war er einer der erfolgreichsten Feldherrn jener Kampagne. Für seine Verdienste erhielt er seinen zweiten, den ordentlichen Konsulat des Jahres 103 als Kollege des Kaisers. Darüber hinaus wissen wir nur sehr wenig von ihm. Er stammte aus Latium und war wahrscheinlich jünger als Trajan. Seine Tochter war Gattin des Bruttius Praesens, eines Freundes Hadrians. Es ist nicht bekannt, wann Laberius Maximus verurteilt wurde. Die Hadrianbiografie der Historia Augusta erwähnt, dass er auf eine Insel verbannt war, weil er nach der Herrschaft gestrebt hatte. Der neue Kaiser verschonte ihn; andere einflussreiche Konkurrenten wurden dagegen hingerichtet.

Ein Sklave des Maximus geriet in internationale Verwicklungen. Während der Dakerkriege wurde er von Sarmaten in Moesien gefangen genommen und von König Decebalus dem Partherkönig Pacorus als Geschenk übersandt. Nach längerer Zeit im Dienste des Pacorus gelangte er nach Nicomedia. Dies berichtet Plinius in einem Brief an Trajan und schickt den Mann, der in der damaligen Welt weit herum gekommen war, nach Rom. (Plin., Briefe: X,74). Wahrscheinlich dachten der Kaiser und seine Berater schon an einen Feldzug im Orient; da waren jegliche Informationen über die Parther wichtig.

Was mag Laberius Maximus getan haben? Hat er eine Unvorsichtigkeit begangen, hatte er Mitverschwörer? Es ist auch denkbar, dass er ein Feind Hadrians war - jenes Mannes, der diskret als Nachfolger Trajans aufgebaut wurde.

Aus irgendeinem Grund, den ich selbst nicht kenne, imponiert mir Laberius Maximus. Er könnte "der Mann, der den Optimus Princeps Trajan herausforderte" gewesen sein, aber möglichweise war alles auch relativ banal, aus heutiger Sicht. Mich fasziniert das Subversive, das ich mit seiner Person in Verbindung bringe. Ich wüsste gern, auf welcher Insel er viele Jahre seines Lebens verbrachte. Da ich es nicht weiß, lasse ich meine Phantasie spielen. Namhafte Verbannte wie Ovid und Seneca haben unter ihrem Exil gelitten. In heutigen Urlaubsparadiesen lebte man damals weniger komfortabel als in Rom. Der Alltag dort war beschwerlich und sicher nicht ungefährlich. Laberius Maximus behielt sein Vermögen. Seine Familie blieb unbehelligt, und das Exil war besser als der Tod. Irgendwann starb er eines natürlichen Todes im Exil.

Literatur:

Historia Augusta, Band 1, Hadrianus: Artemis Verlag Zürich und München, 1976, ISBN 3 7608 3568 6

Karl Strobel: Kaiser Traian, Eine Episode der Weltgeschichte, darin "Die Thronfolgekrise des Jahres 97", Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2010, ISBN 978-3-7917-2172-9

Montag, 24. Juli 2017

Licinius Sura, der zweite Mann im Staat

Lucius Licinius Sura stammte aus Tarraco (Tarragona), der Provinzhauptstadt der Tarraconensis im heutigen Spanien. Zu jener Zeit zählten Männer aus den Provinzen Spaniens und Galliens bereits zu den Mächtigsten in Rom. Sura war der engste Freund und Vertraute Trajans. Er ebnete ihm den Weg zur Macht und unterstützte ihn Zeit seines Lebens.

Es ist möglich, dass sich Sura in Rom für Trajan einsetzte. Höchstwahrscheinlich aber war er im entscheidenden Jahr 97 einer jener Provinzstatthalter, die dem künftigen Caesar auch mit Truppen zur Seite standen. Vermutlich hielt er sich in Niedergermanien (Germania inferior) auf.

Suras Ämterlaufbahn ist nicht genau überliefert, manche Stationen werden vermutet. Er muss um 93 zum ersten Mal Konsul gewesen sein. Den zweiten Konsulat erhielt er 102; 107 wurde ihm die außerordentliche Ehre eines dritten Konsulats zuteil. Er war vermutlich etwas älter als Trajan. Plinius der Jüngere richtete zwei Briefe an ihn und spielte darin auf dessen Gelehrsamkeit und wissenschaftliches Interesse an. Sura förderte die Literatur: Der Dichter Martial zählte ihn zu seinen Gönnern und erwähnte ihn in seinen Epigrammen. Von Martial wissen wir, dass Sura im Jahr 91 lebensgefährlich erkrankte: Der Dichter feierte seine Genesung. (Martial, Epigramme, VII 47)

Licinius Sura verfasste die Reden Trajans. Jener gebildete, sprachgewandte Mann war aber auch Legionslegat und Stabschef in den Dakerkriegen. Auf dem Relief der Trajanssäule wird Sura als ständiger Begleiter des Kaisers identifiziert. Auffassungen, wonach gebildete, schöngeistige Persönlichkeiten bestenfalls widerwillig militärische Aufgaben übernahmen, sind modern und haben mit den damaligen Verhältnissen wenig zu tun. Man findet sie in Romanen wie Marguerite Yourcenars "Ich zähmte die Wölfin" oder Gerd Trommers "Wahn der Macht". Wenn M. Yourcenar von einer "Kriegspartei" am Hofe Trajans schreibt, ist dies Ausdruck literarischer Freiheit. Licinius Suras Karriere widerlegt derartige Kategorisierungen. Er und die Gardepräfekten Livianus und Attianus waren in Feldzügen, aber auch in Friedensjahren die wichtigsten Männer im Umfeld des Kaisers - und sie waren Freunde Hadrians. Zwar gab es im alten Rom ausgesprochene Militärkarrieren, aber auch die erfolgreichsten Feldherren haben in ihrer Laufbahn zivile Ämter bekleidet. Und ebenso war es üblich, dass jeder künftige Staatsmann einige Monate oder Jahre als Militärtribun diente.

Zusammen mit dem Gardepräfekten Claudius Livianus verhandelte Licinius Sura im Jahr 102 mit den Dakern um Frieden. Auf dakischer Seite wurden die Verhandlungen von Diegis, dem Bruder König Decebals, geführt. Solche Situationen waren nicht ungefährlich. Zu Beginn des zweiten Dakerkrieges geriet der römische Heerführer Longinus unter ähnlichen Umständen in dakische Gefangenschaft.

Sura ließ Thermen in Rom bauen und folgte damit dem Engagement des Kaisers, der ein umfangreiches Bauprogramm in Rom und Italien startete. Ebenso wie Trajan soll er sich für Knaben und junge Männer begeistert haben. Wir wissen zwar von keiner Ehefrau Suras, aber höchstwahrscheinlich war er verheiratet, wie das von einem Senator erwartet wurde. Seine persönlichen sexuellen Vorlieben waren in dieser Hinsicht bedeutungslos.

Sura hätte auf Grund seiner gesellschaftlichen Stellung selbst die Herrschaft übernehmen können. Aus unbekannten Gründen zog er es vor, der zweitmächtigste Mann nach dem Kaiser zu sein. Er unterstützte Hadrian als potentiellen Nachfolger. Eine derart einflussreiche Persönlichkeit war auch mit Neid und Verleumdung konfrontiert. Im Band 68 seines Geschichtswerkes, das nur in Auszügen erhalten ist, berichtet Cassius Dio von diesen Intrigen. Als die Neider allzu beharrlich wurden und vor Trajan behaupteten, Sura wolle ihn umbringen, tat der Kaiser etwas, womit jene Leute wohl nicht rechneten. Er besuchte seinen Freund unangemeldet und ohne Bewachung. Zunächst ließ er sich von Suras Arzt behandeln, dann von dessen Barbier rasieren. Anschließend nahm er ein Bad und aß zu Abend. Am nächsten Tag sagte er zu denen, die ihn warnen wollten: "Wenn Sura gewünscht hätte, mich zu töten, dann hätte er es gestern tun können." Licinius Sura muss zwischen 108 und 113 gestorben sein. Kaiser und Senat ehrten ihn durch ein Staatsbegräbnis. Nach Suras Tod übernahm Hadrian die Aufgabe, Trajans Reden zu schreiben.

Ich muss gestehen: Mein Held in dem berühmten Roman "Quo vadis" von Henryk Sienkiewicz war nicht Vinicius, sondern Petronius, der arbiter elegantiarum. Ich stelle mir Licinius Sura ein wenig wie Petronius vor. Vielleicht war er nicht so spöttisch wie der Verfasser des Satyricon, und Trajan war, wie er selbst bekannte, kein Nero. (Plinius, Briefe, VI 31 (9))

Quellen und Literatur:

Cassius Dio, Epitome of Book 68

Karl Strobel, Kaiser Traian, darin: Die Thronfolgekrise des Jahres 97, Verlag Pustet, Regensburg 2010, ISBN 978-3-7917-2172-9

Geza Alföldy, Epigraphische Studien 3: Die Legionslegaten der Römischen Rheinarmeen, darin: L. Licinius Sura, Böhlau Verlag Köln, ISBN13: 9783412315672

Sonntag, 16. Juli 2017

Adoptiv-Vater und Sohn? Trajan und Hadrian

Die Überlieferung betont den Gegensatz beider Kaiser. Nicht nur ihre Außenpolitik war grundverschieden, sondern auch ihr Charakter, heißt es. Die Autoren dieser Quellen gehörten überwiegend der römischen Oberschicht an und repräsentieren deren Wertung.

Der Großvater Hadrians muss mit einer Tante Trajans verheiratet gewesen sein. Man kann Trajan als Großcousin Hadrians oder Hadrian als weitläufigen Neffen Trajans bezeichnen. Hadrian wurde am 24. Januar des Jahres 76 in Rom geboren. Als sein Vater starb, übernahm Trajan zusammen mit dem späteren Gardepräfekten Acilius Attianus die Vormundschaft über den damals etwa zehnjährigen Jungen.

Als Fünfzehnjähriger, berichtet die Biografie der Historia Augusta, ging Hadrian in die spanische Heimat, um sich dort Waffenübungen und der Jagd zu widmen. In seiner Jagdleidenschaft muss er das übliche Maß überschritten haben, und Trajan berief ihn nach Rom zurück, um ihn dort wie seinen Sohn zu behandeln. Schon frühzeitig begeisterte sich Hadrian für griechische Studien und erhielt den Spitznamen graeculus (Griechlein). Er durchlief die obligatorischen Ämter eines jungen Senators, zu denen auch ein Truppenkommando an der Donau gehörte. Als Nerva Trajan adoptierte, sandten die Donautruppen Hadrian nach Obergermanien, um den künftigen Herrscher zu beglückwünschen. Trajan behielt Hadrian in der obergermanischen Provinz. Militärisches und administratives Zentrum war Mogontiacum (Mainz). Als die Nachricht vom Tod Nervas eintraf, wollte Hadrian der erste Gratulant sein. Es wird berichtet, dass sein Schwager Servianus ihn erst in Mogontiacum aufzuhalten versuchte und anschließend seinen Reisewagen manipulierte, um zu verhindern, dass er vor seinem eigenen Boten bei Trajan eintraf. Obwohl Hadrian die Reise zu Fuß fortsetzte, kam er vor dem Mann des Servianus in Colonia Agrippinensis (Köln) an. Dies klingt reichlich legendär, mag aber den einen oder anderen wahren Kern haben.

Der Biograf schreibt, Hadrian sei von Trajan geliebt worden, aber es gab auch Verstimmungen. (Auch zwischen leiblichen Kindern und deren Eltern gibt es mitunter Unstimmigkeiten - ungetrübte Harmonie wäre unnormal.) Die Freunde Trajans nahmen ihn zunächst nicht ernst, aber der mächtige Licinius Sura, engster Vertrauter des Herrschers, und die Kaiserin Plotina begünstigten ihn. Im Jahr 100 heiratete Hadrian Trajans Großnichte Sabina. Hildegard Temporini hat überzeugend ausgeführt, dass eine so bedeutsame Eheschließung unmöglich gegen den Widerstand des Kaisers erfolgt sein kann, der angeblich davon nicht begeistert war. Vielmehr hat Trajan, da er keinen Sohn hatte, über die weibliche Linie seiner Familie eine Dynastie geschaffen und Hadrian als Nachfolger aufgebaut.

Ulpia Marciana, die Schwester Trajans, wurde ebenso geehrt wie seine Gattin Plotina und nach ihrem Tod unter die Staatsgötter erhoben. Ihre Tochter Matidia erbte sofort den Augusta-Titel und trat somit an ihre Stelle. Hadrian war auf diese Weise dem Kaiser zweifach verbunden: durch eigene Verwandtschaft wie durch die Ehe mit Sabina, Matidias Tochter (siehe dazu unten: "Eine neue Dynastie").

Während Trajan als gleichermaßen souverän wie umgänglich bekannt war, muss Hadrian komplizierter gewesen sein. Laut seiner Biografie vereinte er in sich die gegensätzlichsten Verhaltensweisen; er war "immer und in jeder Hinsicht wandelbar". Er war vielfältig talentiert, übte sich in Poesie und Wissenschaften, beschäftigte sich mit Geometrie, Arithmetik und Malerei, musizierte und sang. Als Dilettant zögerte er nicht, Experten zu kritisieren. Als Hadrian sich einmal in eine Besprechung zwischen Trajan und dessen Architekten Apollodoros einmischte, wies jener ihn zurecht. Apollodoros musste dies, als Hadrian regierte, mit dem Leben bezahlen.

Als Kaiser bereiste er sein Imperium, nicht nur seines Amtes wegen, sondern auch aus touristischer Neugier. Ebenso wie Trajan war er volkstümlich und auf diese Weise ein Herrscher zum Anfassen. Die Römer konnten ihn gelegentlich beim Baden in den öffentlichen Thermen antreffen. Er hatte Humor und war großzügig, galt aber auch als nachtragend, ließ sich von Gerüchten beeinflussen und neigte zeitweise zu Grausamkeiten. Hadrian war multitaskingfähig.

Ähnlich wie Trajan war er ein Kenner des Soldatenhandwerks, geübt im Gebrauch von Waffen und verfügte über körperliche Fitness und Ausdauer. Er verstand es, Heer und Volk für sich zu gewinnen. Wie Trajan hatte er eine Vorliebe für schöne Knaben und junge Männer. Der Tod seines Lieblings Antinous nahm ihn sehr mit. Auch die Jagdleidenschaft teilte er mit seinem Adoptivvater.

Genauer betrachtet, ist der Gegensatz beider Männer nicht so gravierend. Es ist gut möglich, dass Trajan die vielseitigen Talente seines Ziehsohnes zu schätzen wusste, solange dieser seine Pflichten nicht vernachlässigte und dabei Maß hielt. Hadrian brach mit der expansiven Außenpolitik seines Vorgängers. Er bemühte sich um Sicherung der Grenzen. Die Zeit der großen Eroberungen war vorbei. Dieser Erkenntnis jedoch ging ein Lernprozess mit schweren und opferreichen Konflikten voran. Hadrian, jünger und flexibler als Trajan, erkannte die Zeichen der Zeit und handelte danach.

Wie Trajan in seinen letzten Monaten über all das dachte, wissen wir nicht. Als er im Sommer 117 von Syrien aus nach Rom aufbrach, übergab er sämtliche an der Partherfront stationierten Truppen an Hadrian. Er versetzte ihn somit in eine ähnliche Ausgangsposition, in der er selbst im Jahr 97 war. Ein letzter Schritt fehlte noch: die Adoption, vollzogen in der Hauptstadt, vor Jupiter auf dem Kapitol, verbunden mit einer Siegesmeldung. Und um all das zu tun, ist Trajan, meine ich, aus Antiochia abgereist, sobald seine Gesundheit dies erlaubte. Deswegen setzte er sich der strapaziösen Reise aus. Dass er als Feldherr triumphieren würde, war Tradition, aber es wird, da er krank war, kaum sein dringendster Wunsch gewesen sein. Die Chance, dass er sich gesundheitlich stabilisierte, war in Antiochia wesentlich größer als während einer Reise. Leider starb er unterwegs und konnte die Adoption nicht mehr in aller Form vollziehen.

Hadrian hat viele Wertvorstellungen Trajans geteilt. Ihm gelang es aber nicht, in solch gutem Einvernehmen mit dem Senat zu regieren wie sein Vorgänger. Einige Männer, die ihm einst zur Macht verholfen hatten und lange Zeit treu ergeben waren, ließ er später hinrichten. Andere fielen in Ungnade. Zu Beginn und zum Ende seiner Herrschaft kam es zu Todesurteilen gegen Senatoren. Dies konnte ihm das Hohe Haus nicht verzeihen. Antoninus Pius musste die Vergöttlichung seines Vorgängers im Senat durchsetzen. Hadrians Feinde in diesem Gremium hätten das gern verhindert. Jene Abneigung, sogar Feindschaft Hadrian gegenüber ist Grund für die teils negative Überlieferung. Die Betonung des Gegensatzes zu Trajan sowie der Vorwurf der durch Plotinas Gunst erschlichenen Adoption sollte sowohl Hadrians Anspruch auf den Thron und ihn persönlich entwerten, aber auch Trajan von einem vermeintlichen Fehlgriff bei der Nachfolgeregelung entlasten.

Hadrian grenzte sich auch äußerlich von Trajan ab: Er brachte den Bart wieder in Mode. Aber er wurde dennoch durch ihn geprägt und ehrte seine Adoptiveltern noch lange nach ihrem Ableben. Die Nachfolge konnte er rechtzeitig regeln und zeigte in seiner Wahl über zwei Generationen noch einmal sein politisches Geschick.

Quellen:

Historia Augusta: Hadrianus, Artemis Verlag Zürich und München, 1976, ISBN 3 7608 3568 6

Hildegard Temporini: "Die Kaiserinnen Roms", Verlag C.H. Beck, München 2002, ISBN 3 406 49513 3

Sonntag, 9. Juli 2017

Eine neue Dynastie

Neben Plotina lebte auch Trajans verwitwete Schwester Ulpia Marciana mit ihrer Tochter Salonia Matidia und ihren Enkelinnen Vibia Sabina, der späteren Kaiserin, und Mindia Matidia sowie vermutlich auch Rupilia Faustina, der Mutter der Kaisierin Annia Galeria Faustina, im Palast. Marciana war wohl etwas älter als ihr Bruder. Matidia war verwitwet und dem Kaiser wie eine Tochter zugetan.

Ungewöhnlich ist, dass Marciana und Plotina mit dem Augusta-Titel geehrt wurden. Dies geschah aber keineswegs nur aus Schwesternliebe des Kaisers. Die Ehe Trajans mit Plotina war kinderlos geblieben, aber der Princeps fand einen anderen Weg, eine Dynastie zu begründen.

Im Jahre 100 wurde Hadrian mit Sabina verheiratet. Er war zu dieser Zeit der engste männliche Verwandte des Herrschers. Außerdem war Trajan Hadrians Vormund gewesen, nachdem dessen Vater gestorben war. Der Kaiser hat Hadrian jahrelang gefördert, ihn in seine Aufgaben hinein wachsen lassen und mit all diesen Maßnahmen wenig Aufsehen erregt. Erst in den vergangenen Jahren wurde die dynastische Politik des "Optimus Princeps" in vollem Umfang erkannt. Vor allem Hildegard Temporini hat dies dargelegt. Plotina und Marciana wurden nicht nur durch den Augusta-Titel, sondern auch durch Münzprägungen, Bildnisse sowie Inschriften auf Bauwerken und Städtegründungen geehrt.

Hadrians Feinde verbreiteten allerlei Gerüchte: Der Kaiser hätte einen anderen zum Nachfolger gewünscht und die Adoption sei durch Frauengunst erschlichen. Auch wird betont, dass die Ehe Hadrians mit Sabina nicht glücklich war. Ob daran etwas Wahres ist, werden wir nicht herausfinden. Derartige Ehen wurden nicht aus Liebe geschlossen. Hadrian behandelte Sabina mit Respekt, und sie begleitete ihn auf vielen seiner Reisen.

Plinius schreibt im Panegyrikus, dass Plotina und Marciana gut miteinander auskamen und nicht konkurrierten. So viele hoch gestellte Damen an einem Hof - da wüsste man gern ein paar Details. Aber die Hoheiten gaben wenig Anlass zu Klatsch und Tratsch. Sie erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen wie der Kaiser selbst.

Als Marciana im Jahr 112 starb, wurde sie sofort vom Senat zur Staatsgöttin erhoben. Matidia erhielt den Augusta-Titel und wurde darin Nachfolgerin ihrer Mutter. Auch Trajans leiblicher Vater wurde unter die Götter erhoben. Mag sein, dass der Kaiser den Wunsch hatte, ihn ebenso zu ehren wie seinen Adoptivvater Nerva. Mit all den Maßnahmen wurde Hadrians Position gestärkt. Seine Gattin war nun Enkelin und Urenkelin von Göttern. Allerdings blieb auch diese Ehe ohne Nachkommen.

Auch Matidia muss einträchtig mit Plotina im Palast gelebt haben. In den letzten Wochen vor Trajans Tod waren beide Frauen in seiner Nähe. Matidia starb 119. Hadrian, nunmehr Kaiser, hielt ihr die Leichenrede.

Von der jüngeren Matidia, die erst unter der Herrschaft Marc Aurels starb, wissen wir so gut wie nichts. Wir kennen auch keinen Gatten. War sie, wie ihre Mutter und Großmutter, frühzeitig Witwe geworden oder hatte sie aus uns unbekannten Gründen nie geheiratet? Matidia muss reich, großzügig und geistig-musisch interessiert gewesen sein. Sie stiftete Geldbeträge zur Unterstützung von Jugendlichen, worin sie Trajan und weiteren hohen Persönlichkeiten jener Zeit folgte. Sie ging offenbar so freigebig mit ihrem Vermögen um, dass Fronto seinen ehemaligen Schützling Marcus Aurelius warnen musste, darauf Acht zu geben. Die jüngere Matidia wurde vielleicht um die achtzig Jahre alt.

Jene Dame ist mir besonders ans Herz gewachsen. Aus ihrer Großzügigkeit schließe ich, dass sie zufrieden war. Auch ihr hohes Alter spricht dafür. Wie mag sie wohl ausgesehen haben? Vermutlich trug sie eine ähnlich aufwändige, kunstvolle Frisur wie ihre Mutter und Großmutter und wie auch Plotina, bestehend aus Stirntoupet und Zöpfen. Da sie für die Dynastie nicht von Bedeutung war, stand sie nicht in so öffentlichem Interesse wie die anderen Frauen am Hofe.

Ob und in welchem Maße sie die Möglichkeiten nutzte, die ihr Rang bot, weiß man nicht. Gewiss war ihr Leben ruhiger als das ihrer Halbschwestern. Sabina starb wesentlich früher, 136 oder 137. Zu den historischen Persönlichkeiten, die ich gern kennen gelernt hätte, zählt unbedingt auch die jüngere Matidia.

Literatur:

Hildegard Temporini: "Die Kaiserinnen Roms", Verlag C.H. Beck, München 2002, ISBN 3 406 49513 3

Hildegard Temporini: "Die Frauen am Hofe Trajans: ein Beitrag zur Stellung der Augustae im Principat", De Gruyter, Berlin, New York 1979, ISBN 3-11-002297-4

Sonntag, 2. Juli 2017

Optimus Princeps: ein Titel setzt Maßstäbe

Ich bin gebeten worden, den Titel "Optimus Princeps" genauer zu betrachten, was ich hiermit gern tue. Das Adjektiv "gut" wird im Lateinischen (wie auch im Deutschen) unregelmäßig gesteigert: bonus (gut), melior (besser), optimus (am besten).

Nerva verkündete die Adoption Trajans während eines Staatsaktes, als er im Jupitertempel auf dem Kapitol einen Siegeslorbeer niederlegte. Das Geschehen wurde auf diese Weise sakral überhöht: Die Wahl des Adoptivsohnes erfolgte im Sinne des höchsten Gottes.

Trajan galt zunächst als der Beste aus dem Kreise jener Männer, die in der Lage waren, den Thron zu besteigen. Der alte und kinderlose Nerva benötigte Unterstützung: Die Palastwachen hatten ihn bedroht und gedemütigt, und er verfügte nicht über den Rückhalt beim Heer, ohne den ein Kaiser nicht bestehen konnte. Die Adoption Trajans war aber weder Jupiters, noch Nervas Einfall: in Wirklichkeit setzte sich eine Gruppe im Senat mit ihrem Spitzenkandidaten durch. Er und seine engsten Vertrauten hätten Kraft ihrer Ämter und Truppen ihren Anspruch auch gewaltsam einfordern können. Wer sollte herrschen, wenn nicht einer jener Männer konsularischen Ranges, der Legionen kommandiert und die Ämterlaufbahn absolviert hatte? An dieser Stelle mag die Frage aufkommen, ob es damals nicht Mitbewerber um die Macht gab. Auch das wird noch Thema hier im Blog sein.

Die letzten Jahre Domitians waren für viele Senatoren, aber auch für Familienangehörige des Kaisers eine Zeit der Unsicherheit und Bedrohung. Der Herrscher war misstrauisch und zunehmend unberechenbar, und wer seinen Argwohn erregte, schwebte in Lebensgefahr. Auch Trajan hat diese Phase miterlebt und daraus Erfahrungen gewonnen. Er wusste, was er tun und unterlassen musste, um als guter Kaiser wahrgenommen zu werden. Die alten Römer liebten die Superlative. Schon im Panegyrikus, der zu Beginn der Herrschaft Trajans gehalten wurde, berichtet Plinius, dass der Senat dem Kaiser den Titel "Optimus" als cognomen gegeben hat (Plinius der Jüngere: Panegyrikus, 2,6). Ab dem Jahr 103 erschien "Optimus Princeps" (bester Kaiser) auf Münzen Trajans.

Der Name eines Römers bestand zu jener Zeit aus mindestens drei Teilen: dem praenomen (Marcus), dem nomen gentile (Ulpius) und dem cognomen (Trajanus). Als Kaiser nannte er sich Imperator Caesar Nerva Traianus Augustus Germanicus. Die Bestandteile des Herrschernamens sind überwiegend vom ersten Princeps Augustus vererbt und waren einzeln wie auch in Kombination Anreden des Monarchen. Aber die komplette Titulatur erschien wohl nur auf Inschriften oder Münzen. Plinius nennt Trajan mal Caesar, ein andermal Imperator, auch domine, Herr. Den Siegernamen Germanicus übernahm Trajan zusammen mit Nerva. Übrigens ist auch "Augustus" (der Erhabene) ein vom Senat verliehenes cognomen. Für Trajan kamen im Laufe seiner Regierungszeit die Siegernamen Dacicus und Parthicus hinzu. Im Jahr 114 ehrte ihn der Senat mit dem Beinamen Optimus. Der Herrscher war nun nicht mehr nur der beste Kaiser, sondern schlicht "der Beste".

Zu diesem Zeitpunkt war Trajans Herrschaft nicht nur fest etabliert, sondern er stand bereits im vorgerückten Alter. "Optimus" war sonst nur Beiname des höchsten Gottes Jupiter. Damit schloss sich der Kreis. Die offizielle Verleihung jenes Superlativs in den letzten Jahren seiner Herrschaft mutet wie eine Ehrung von Trajans Lebenswerk an. Wurde der Name anfangs mit Wünschen und Hoffnungen verbunden, ist er nun Bestätigung. Der Kaiser hat die in ihn gesetzten Erwartungen ernst genommen und erfüllt.

Wer genauer über jene Zeit informiert ist, wird den Titel "Optimus Princeps" mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Trajan zuordnen. Es gibt mehrere gleichnamige Publikationen. Ich habe nur Martin Fells "Optimus Princeps?" gelesen und kann das Buch wärmstens empfehlen. Darin wird dargelegt, durch welche Maßnahmen und welches Auftreten Trajan auf die Erwartungen reagierte, die Senat, Volk und Heer in ihn setzten. Auch auf das psychologische Selbstverständnis des Herrschers geht der Autor ein. Bei aller modernen, differenzierten Betrachtung gilt Trajan als einer der bedeutendsten römischen Kaiser. Ich halte es für übertrieben, das positive Bild seiner Herrschaft in der Geschichtsschreibung vergangener Jahrhunderte nur auf Ideologie und Propaganda zurückzuführen. Keinem späteren Kaiser hat der Senat den Titel "Optimus" wieder angeboten. Stattdessen begrüßte er jeden neuen Herrscher mit dem Wunsch: "felicior Augusto, melior Traiano" - sei glücklicher als Augustus und besser als Trajan.

Literatur:

Martin Fell: Optimus Princeps? Anspruch und Wirklichkeit der imperialen Programmatik Kaiser Trajans, tuduv-Verlagsgesellschaft, 1992, ISBN 3-88073-417-8