Sonntag, 9. Juli 2017

Eine neue Dynastie

Neben Plotina lebte auch Trajans verwitwete Schwester Ulpia Marciana mit ihrer Tochter Salonia Matidia und ihren Enkelinnen Vibia Sabina, der späteren Kaiserin, und Mindia Matidia sowie vermutlich auch Rupilia Faustina, der Mutter der Kaisierin Annia Galeria Faustina, im Palast. Marciana war wohl etwas älter als ihr Bruder. Matidia war verwitwet und dem Kaiser wie eine Tochter zugetan.

Ungewöhnlich ist, dass Marciana und Plotina mit dem Augusta-Titel geehrt wurden. Dies geschah aber keineswegs nur aus Schwesternliebe des Kaisers. Die Ehe Trajans mit Plotina war kinderlos geblieben, aber der Princeps fand einen anderen Weg, eine Dynastie zu begründen.

Im Jahre 100 wurde Hadrian mit Sabina verheiratet. Er war zu dieser Zeit der engste männliche Verwandte des Herrschers. Außerdem war Trajan Hadrians Vormund gewesen, nachdem dessen Vater gestorben war. Der Kaiser hat Hadrian jahrelang gefördert, ihn in seine Aufgaben hinein wachsen lassen und mit all diesen Maßnahmen wenig Aufsehen erregt. Erst in den vergangenen Jahren wurde die dynastische Politik des "Optimus Princeps" in vollem Umfang erkannt. Vor allem Hildegard Temporini hat dies dargelegt. Plotina und Marciana wurden nicht nur durch den Augusta-Titel, sondern auch durch Münzprägungen, Bildnisse sowie Inschriften auf Bauwerken und Städtegründungen geehrt.

Hadrians Feinde verbreiteten allerlei Gerüchte: Der Kaiser hätte einen anderen zum Nachfolger gewünscht und die Adoption sei durch Frauengunst erschlichen. Auch wird betont, dass die Ehe Hadrians mit Sabina nicht glücklich war. Ob daran etwas Wahres ist, werden wir nicht herausfinden. Derartige Ehen wurden nicht aus Liebe geschlossen. Hadrian behandelte Sabina mit Respekt, und sie begleitete ihn auf vielen seiner Reisen.

Plinius schreibt im Panegyrikus, dass Plotina und Marciana gut miteinander auskamen und nicht konkurrierten. So viele hoch gestellte Damen an einem Hof - da wüsste man gern ein paar Details. Aber die Hoheiten gaben wenig Anlass zu Klatsch und Tratsch. Sie erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen wie der Kaiser selbst.

Als Marciana im Jahr 112 starb, wurde sie sofort vom Senat zur Staatsgöttin erhoben. Matidia erhielt den Augusta-Titel und wurde darin Nachfolgerin ihrer Mutter. Auch Trajans leiblicher Vater wurde unter die Götter erhoben. Mag sein, dass der Kaiser den Wunsch hatte, ihn ebenso zu ehren wie seinen Adoptivvater Nerva. Mit all den Maßnahmen wurde Hadrians Position gestärkt. Seine Gattin war nun Enkelin und Urenkelin von Göttern. Allerdings blieb auch diese Ehe ohne Nachkommen.

Auch Matidia muss einträchtig mit Plotina im Palast gelebt haben. In den letzten Wochen vor Trajans Tod waren beide Frauen in seiner Nähe. Matidia starb 119. Hadrian, nunmehr Kaiser, hielt ihr die Leichenrede.

Von der jüngeren Matidia, die erst unter der Herrschaft Marc Aurels starb, wissen wir so gut wie nichts. Wir kennen auch keinen Gatten. War sie, wie ihre Mutter und Großmutter, frühzeitig Witwe geworden oder hatte sie aus uns unbekannten Gründen nie geheiratet? Matidia muss reich, großzügig und geistig-musisch interessiert gewesen sein. Sie stiftete Geldbeträge zur Unterstützung von Jugendlichen, worin sie Trajan und weiteren hohen Persönlichkeiten jener Zeit folgte. Sie ging offenbar so freigebig mit ihrem Vermögen um, dass Fronto seinen ehemaligen Schützling Marcus Aurelius warnen musste, darauf Acht zu geben. Die jüngere Matidia wurde vielleicht um die achtzig Jahre alt.

Jene Dame ist mir besonders ans Herz gewachsen. Aus ihrer Großzügigkeit schließe ich, dass sie zufrieden war. Auch ihr hohes Alter spricht dafür. Wie mag sie wohl ausgesehen haben? Vermutlich trug sie eine ähnlich aufwändige, kunstvolle Frisur wie ihre Mutter und Großmutter und wie auch Plotina, bestehend aus Stirntoupet und Zöpfen. Da sie für die Dynastie nicht von Bedeutung war, stand sie nicht in so öffentlichem Interesse wie die anderen Frauen am Hofe.

Ob und in welchem Maße sie die Möglichkeiten nutzte, die ihr Rang bot, weiß man nicht. Gewiss war ihr Leben ruhiger als das ihrer Halbschwestern. Sabina starb wesentlich früher, 136 oder 137. Zu den historischen Persönlichkeiten, die ich gern kennen gelernt hätte, zählt unbedingt auch die jüngere Matidia.

Literatur:

Hildegard Temporini: "Die Kaiserinnen Roms", Verlag C.H. Beck, München 2002, ISBN 3 406 49513 3

Hildegard Temporini: "Die Frauen am Hofe Trajans: ein Beitrag zur Stellung der Augustae im Principat", De Gruyter, Berlin, New York 1979, ISBN 3-11-002297-4

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