Sonntag, 7. Juni 2020

Cursus honorum: Die Prätur

Die Prätur war eines der höheren Ämter der senatorischen Ämterlaufbahn. In der Republik durften Prätoren sogar Konsuln in ihrer Abwesenheit vertreten und damit den Staat lenken. In der Kaiserzeit verloren alle Ämter an realer Macht, aber nicht an Ehre und Prestige. Außerdem standen dem ehemaligen Prätor weitere Karriereschritte offen: Legionskommandos und die Verwaltung von Provinzen ohne starke Militärbasis. Plinius der Jüngere war in Bithynien legatus augusti pro praetore - kaiserlicher Sonderbeauftragter an Stelle eines Prätors. Er war bereits Konsul gewesen, aber das Amt war keine Degradierung, sondern, wie der Name schon sagt, ein Sonderauftrag. Bithynien war eine Senatsprovinz, in der es immer wieder zu Unruhen kam, so dass Trajan sie vorübergehend in kaiserliche Obhut nahm und durch seinen Legaten - Plinius - verwalten ließ, der dort aufzuräumen hatte.

Die Prätoren wurden für ein Jahr gewählt. Ihre Zahl schwankte, zur Zeit Nervas waren es 18. Sie hatten juristische Aufgaben. Es gab Prätoren an den städtischen Gerichtshöfen, die sich mit Rechtsstreitigkeiten römischer Bürger beschäftigten, und Prätoren, die über römische Bürger und Fremde Gericht hielten. Ehrgeizige junge Senatorensöhne mussten sich beizeiten mit rechtlichen und administrativen Fragen beschäftigen, denn ohne derartige Kenntnisse war ein Aufstieg in die höheren Ämter nicht denkbar. Patrizier erreichten die Prätur etwa mit Dreißig. Das Amt war obligatorisch, wenn man Konsul werden und somit in die oberste Führungsschicht des Imperiums aufsteigen wollte. Für den späteren Kaiser Trajan ist die Prätur aber auch literarisch belegt. Die Historia Augusta berichtet, dass er als Prätorier Vormund des damals zehnjährigen Hadrian wurde, dessen Vater verstorben war. Beide waren verwandt: Hadrians Großmutter war wohl eine Schwester von Trajans Vater gewesen. Man könnte Hadrian als weitläufigen Großneffen Trajans bezeichnen.

Plebejer konnten erst mit 40 Konsul werden, aber für Patrizier ging es schneller: sie wurden oft schon Anfang Dreißig Konsuln. Nicht so Trajan, der bis Anfang 91 warten musste - er war damals 37. Warum das so war, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Von Trajans cursus honorum sind nur Bruchstücke überliefert. Er war sicherlich Domitian treu ergeben, denn wäre er ernsthaft in Gefahr gewesen, hätte Plinius das in seinem Panegyrikus gewiss erwähnt. Dennoch zählte Trajan eine Weile nicht zu Domitians engsten Vertrauten und Begünstigten. Erst nachdem er beim Saturninus-Aufstand im Jahre 89 seine Loyalität bewiesen hatte, wurde er Konsul. Eine einzige Zwischenstation in seiner Laufbahn ist uns bekannt, nämlich das Kommando über die VII. Legion Gemina in Nordspanien, von wo er nach Germanien aufbrach, als Saturninus usurpierte. Ohne jene Krise, mit der niemand rechnete, wäre jenes Kommando ein relativ unbedeutendes gewesen, abseits der militärischen Brennpunkte jener Zeit, als römische Legionen im Donauraum mit Dakern und Sarmaten zu tun hatten.

Aufmerksamen Lesern ist vielleicht aufgefallen, dass der spätere Kaiser Hadrian in seiner Laufbahn Volkstribun war. Er, vom Kaiser herangezogen und gefördert wie ein Sohn, war demnach von ihm nicht zum Patrizier erhoben worden - jedenfalls nicht zu jener Zeit, als ein solcher Schritt seine Karriere beschleunigt hätte. Man kann das verschieden interpretieren: als wohldosiertes und unauffälliges Heranführen Hadrians an die höheren Ämter, oder als Strenge, vielleicht mit Zweifeln gepaart. Auch vorübergehende Verstimmungen zwischen beiden Männern, von denen die Quellen berichten, sind denkbar. Die Zweifel, ob Trajan Hadrian wirklich zum Nachfolger wünschte, sind bis heute nicht ausgeräumt.

Literatur:

Annette Nünnerich-Asmus: "Traian", Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2780-3

Historia Augusta: "Hadrianus", Artemis-Verlag, Zürich und München 1976, ISBN 3 7608 35686

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