Sonntag, 30. Dezember 2018

Europa? Europa!

In einem meiner Texte hatte ich geschrieben, dass Politik nicht in diesen Blog gehört. Zum Jahresende möchte ich eine Ausnahme machen. Wer meinen Roman "Im Banne des Besten" liest, wird darin auch politische, weltanschauliche Gedanken finden, die meine Überzeugungen wiederspiegeln.

Mit Deutschland kann ich mich nicht identifizieren. Die Politik der Bundesregierung der vergangenen Jahre hat die Spaltung der Gesellschaft befördert, die nun Realität ist und zu großen Problemen führt. Tragisch ist, dass ein sozialdemokratischer Bundeskanzler den Sozialstaat abgeschafft hat. Nur tragisch oder auch symptomatisch?

Ich lebe in Deutschland, hier zahle ich Steuern, aber ich fühle mich in diesem Staat nicht zuhause. Ich bin zwar getauft worden, aber aus der Kirche ausgetreten. Mit dem Masochismus des Christentums kann ich wenig anfangen. Dennoch gibt es Werte, denen ich mich verbunden fühle. Ich liebe meine Heimatstadt Dresden und ihre Umgebung, und ich fühle mich in Europa verwurzelt. Ich wäre wohl eine Kosmopolitin, würde ich die Welt besser kennen. Die Idee des Weltbürgertums stammte aus der antiken Philosophie. Es ist immer wieder interessant und bereichernd, sich mit antiken Philosophen zu befassen.

Ich fühle mich Europa verbunden, seit mich das römische Imperium fasziniert. Die antiken Hochkulturen sind ein Fundament Europas. Und man sollte nicht vergessen zu erwähnen, dass die griechisch-römische Antike von älteren Hochkulturen Afrikas und Asiens beeinflusst wurde. Im römischen Reich lebten verschiedene Völker friedlich und in relativem Wohlstand miteinander. Die Römer verstanden es, unterworfene Völker zu integrieren. Das Leben im römischen Imperium war attraktiv genug, so dass aus Unterworfenen Bundesgenossen und römische Bürger wurden. Das Imperium schottete sich während seiner Blütezeit nicht ab. Jener Vielvölkerstaat bildete eine kulturelle, wirtschaftliche, ethische und mit dem Kaiserkult auch eine religiöse Einheit. Besonderheiten wurden nicht ausgelöscht und in der Regel als Bereicherung empfunden. Auch fremde Religionen waren willkommen, solange sie die öffentliche Ordnung nicht gefährdeten. Integration gelingt nicht ohne Regeln.

Julius Crinitus, Pferdezüchter in Mogontiacum (Mainz) und von den Hermunduren abstammend, ist überzeugter römischer Bürger, auch wenn er sich im Alltag keltisch-germanisch kleidet. Als sein Neffe Gaius eine Identitätskrise durchlebt, erklärt er ihm, dass es nicht entscheidend ist, auf welcher Seite des Rheins er aufwächst. Wichtig ist, was er im Kopf hat und im Herzen trägt. Doch er macht ihm die Vorteile des Lebens unter dem Einfluss Roms deutlich. Gaius wächst zu einem Römer heran, einem Europäer und Kosmopoliten. Er vergisst seine germanische Heimat nicht, hält sich aber auch gern in Italien und Spanien auf.

Trajan lebte die römischen Werte, indem er sich in den Dienst des Staates stellte, als Beamter und Offizier und schließlich als Kaiser. Schon als junger Mann diente er nacheinander am Euphrat und am Rhein. Später folgten Ämter in Rom und in den Provinzen.

Heute ist für junge Leute aus der gehobenen Mittelschicht, die sich in Ausbildung befinden, Auslandserfahrung wichtig, und manchmal beneide ich sie um ihre Möglichkeiten. Aber ich bin schon älter. Mir liegt die Generation meiner Enkel am Herzen. Auch für Kinder aus sozial schwachen Familien wäre es wichtig, sich in Europa und in der Welt umzusehen. Unsere Regierung fördert diese Kinder nicht, sondern schreibt sie ab und grenzt sie aus. Sogenannte Sozialpolitik in Deutschland (die diese Bezeichnung längst nicht mehr verdient) hilft nicht den Bedürftigen. Die Arroganz, mit der Intellektuelle aus der gehobenen Mittelschicht feststellen, es gehe uns so gut in diesem Land und wir lebten in einer wundervollen Zeit, macht mich wütend. Wie können sich diese Leute anmaßen, für eine Mehrheit zu sprechen? Denen geht es gut, aber leider geht es vielen Menschen in diesem reichen Land nicht gut. Gut situierte Familien unternehmen Fernreisen vom Elterngeld. Bedürftige Familien erhalten gar kein Elterngeld. Der ganze Hartz-IV-Schlamassel mit all seinen Unmenschlichkeiten hätte niemals eingeführt werden dürfen. Bedürftige brauchen Unterstützung, keine Sanktionen! Warum sieht die Gesetzgebung in diesem Land vor, dass den ärmsten Familien das Kindergeld gekürzt werden darf? Auf solche Einfälle wären wohl nicht einmal die grausamen unter den römischen Kaiser gekommen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre ein mutiger Schritt in eine gerechtere Zukunft. Es würde für mehr Freiheit sorgen, mehr Menschlichkeit und, woran mir viel liegt: mehr Kreativität. Alle hätten etwas davon.

Ein vereintes Europa werde ich immer befürworten. Und ich halte es für gut und sinnvoll, die Geschichte der Antike zu vermitteln. Ich habe ein Buch über das alte Rom geschrieben, weil mir diese Epoche wichtig ist, nicht nur auf die Vergangenheit bezogen. Es gibt eine sehr lesenswerte Rede des Althistorikers Géza Alföldy zum Thema Römisches Reich und Europäische Union: "Das Imperium Romanum-ein Vorbild für das Vereinte Europa?" Sie ist in gedruckter Form erhältlich, Lektüre, die ich unbedingt empfehlen möchte.

Literatur:

Géza Alföldy: "Das Imperium Romanum - ein Vorbild für das vereinte Europa?"Schwabe Verlag, Basel, 1999, ISBN: 379651362X

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