Sonntag, 17. Juni 2018

Wohltätigkeit und Sozialfürsorge

Im letzten Text bin ich geradezu panegyrisch geworden. Die Großzügigkeit reicher Privatleuten, an deren Spitze der römische Kaiser stand, mutet heutzutage etwas seltsam an, so dass man sich fragt: Warum taten diese Leute so etwas? Warum bauten sie sich nicht die einundzwanzigste Landvilla oder feierten täglich Luxuspartys?

Schon Kaiser Augustus soll auf dem Sterbebett geäußert haben, er habe eine Stadt (Rom) aus Ziegeln vorgefunden und eine aus Marmor hinterlassen. (Sueton, Augustus, 28,3). Alle Kaiser bemühten sich, Rom und zunehmend auch Italien zu verschönern. Ihrer Freigebigkeit folgten die Angehörigen der Oberschicht, um ihren Reichtum und ihre Großzügigkeit öffentlich zu präsentieren und - in Stein gemeißelt - der Nachwelt zu hinterlassen. Manche Römer verschwendeten aber auch Riesensummen für privaten Luxus. Diejenigen, die Wert auf eine positive Wirkung in der Öffentlichkeit legten, hielten in ihren privaten Aufwendungen Maß und zeigten sich den Städten gegenüber großzügig, in denen sie lebten oder zu denen sie gute Beziehungen pflegten. Dies tat auch Trajan, einer der mächtigsten Herrscher des römischen Imperiums.

Die damalige Gesellschaft war auf privates Engagement dringend angewiesen. Die Unterschichten lebten in Armut, viele Menschen waren unterernährt. Eine staatliche Sozialfürsorge gab es nicht. Reiche Römer unterstützten ihre Klienten, Freigelassenen und sonstige Anhänger mit Geld, Fürsprache und auch Lebensmittelspenden. Auch die kostenlose Getreideversorgung sollte Elend in der Stadt Rom lindern, wenn auch jene Spenden lediglich ein Zubrot waren. In ihrer Not setzten Eltern ihre Kinder aus oder verkauften sie in die Sklaverei. Vielen Angehörigen der Unterschichten blieb nur das Betteln oder die Prostitution.

Dagegen waren Senatoren und der Kaiser geradezu unermesslich reich. Das Streben nach Ruhm stand ganz oben im römischen Wertekanon. Also war es naheliegend, großzügig zu sein und in der öffentlichen Wohltätigkeit auch miteinander zu konkurrieren. Der Kaiser stand freilich außerhalb jeglicher Konkurrenz durch Senatoren. An ihm lag es, mit gutem Beispiel voranzugehen, so dass Senatoren und angesehene Provinzbewohner folgten.

Die Alimentarstiftung, die Kaiser Nerva initiierte und die Trajan umsetzte und ausbaute, war so etwas wie eine Sozialfürsorge, ein monatlicher Betrag zur Versorgung frei geborener Kinder in mehreren Städten Italiens. Der Kaiser stellte eine Summe aus dem Fiscus zur Verfügung, woraus verschiedenen Privatleuten Darlehen gewährt wurden. Diese verpfändeten einen wesentlich höheren Wert an Grundbesitz und zahlten einen Zinsbetrag von fünf Prozent an die jeweilige Stadt zurück. Mit diesem Geld wurden die Kinder unterstützt.

Plinius der Jüngere folgte dem Beispiel des Imperators und stiftete 500.000 Sesterzen, aus deren Darlehenszinsen Kinder in seiner Heimatstadt Comum unterstützt wurden. Aber Privatleute spendeten auch Bauten wie Straßen, Wasserleitungen, Bäder, Tempel und öffentliche Gebäude. Licinius Sura, engster Freund und Berater Trajans, ließ auf dem Aventin in Rom Thermen erbauen. Dion Chrysostomos, der zeitweise am Hof Trajans weilte, ließ in seiner Heimatstadt Prusa eine Säulenhalle und eine Bibliothek errichten. Aus den Briefen des jüngeren Plinius wissen wir von ehrgeizigen Bauprojekten in verschiedenen Städten. Dabei kam es auch zu Neid gegenüber spendablen Bauherren, oder zu Kritik.

Öffentliche Wohltaten waren eine Möglichkeit für vermögende Römer, sich als Stifter zu präsentieren und ihr Umfeld zu verschönern. Noch heute künden Inschriften von der Großzügigkeit jener Privatleute. Von Trajan sind unzählige Baumaßnahmen in Rom, Italien und in den Provinzen bekannt. Mit diesem Engagement folgte er seinen Vorgängern, aber es gelang ihm auch, sie öfter zu übertreffen. Zahlreiche Inschriften, Reliefs und Statuen beziehen sich auf ihn und seine Familie. Er sicherte sich durch seine Politik lang anhaltenden Ruhm und einen Platz als herausragender Herrscher in der Geschichte, handelte also nicht uneigennützig. Aber man konnte in der Geschichte auch negative Berühmtheit erlangen. Und ebenso war es möglich, ein Vermögen ausschließlich für privaten Luxus einzusetzen. Es geht mir nicht darum, privates Engagement herabzusetzen, sondern es differenziert zu betrachten.

Literatur:

Annette Nünnerich-Asmus: "Traian. Ein Kaiser der Superlative am Beginn einer Umbruchzeit?", darin: "Private Freigebigkeit und die Verschönerung von Stadtbildern", Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2780-3

Karl Strobel: "Kaiser Traian. Eine Epoche der Weltgeschichte", darin: Die Sorge für Italien - Pater Patriae, Verlag Pustet, Regensburg, 2010, ISBN 978-3-7917-2172-9

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