Sonntag, 28. Mai 2017

Plinius der Jüngere

Würde man mich fragen, welche historische Persönlichkeit ich gern kennengelernt hätte, dann wäre meine Antwort: C(aius). Plinius Caecilius Secundus.

Im Jahre 79 ereignete sich eine Naturkatastrophe im Golf von Neapel. Der Vesuv brach aus und verschüttete mehrere Städte, unter denen Pompeji die Bekannteste ist. Der Untergang von Pompeji war immer wieder Thema von neuzeitlichen Romanen und Filmen. Wir wissen von jener Katastrophe relativ viel. Unsere Informationen verdanken wir Plinius dem Jüngeren. Er hat die Ereignisse miterlebt und uns einen Augenzeugenbericht hinterlassen. Über die Regierungszeit Trajans und Persönlichkeiten jener Zeit ist vergleichsweise wenig bekannt, aber gäbe es die Briefe des Plinius nicht, wäre unser Wissen noch geringer. So unterschiedlich die Themen sind: Ich finde sie durchweg interessant. Den Verfasser halte ich nicht nur für einen gebildeten, sondern auch für einen angenehmen, liebenswürdigen Menschen.

Die Briefe über den Vesuvausbruch waren an einen berühmten Mann gerichtet, den Geschichtsschreiber Tacitus. Plinius erzählt davon, wie sein Onkel Plinius der Ältere, Kommandant der im Golf von Neapel stationierten Flotte, zunächst aus wissenschaftlichem Interesse den Vesuv ansteuerte, über dem sich eine riesige Wolke gebildet hatte. Als er von einer Bekannten, die am Fuße des Berges wohnte, um Hilfe gebeten wurde, entschloss er sich zu einer Rettungsfahrt, von der er nicht lebend zurückkehren sollte.

Plinius der Ältere und andere einflussreiche Männer halfen dem jüngeren Plinius bei seiner Karriere. Er absolvierte zügig die obligatorischen Ämter auf dem Weg zu den höchsten des Staates. Er verwaltete die Militärkasse Kaiser Domitians, später die Staatskasse und qualifizierte sich so zum Finanzfachmann. Als Anwalt stand er mehreren Persönlichkeiten seiner Zeit zur Seite. Im Jahr 100 erlangte er das höchste Amt, das einem Senator offen stand, den Konsulat. Zum Dank dafür hielt er eine Lobrede an den Kaiser Trajan, die in intensiv aufbereiteter Form überliefert ist. Der „Panegyrikus“ ist, genau wie die Briefsammlung des Plinius, eine bedeutende Quelle zur damaligen Zeit.

Plinius war ein menschlicher Patron, der sich für das Wohlergehen seiner Schutzbefohlenen – dazu zählten auch Sklaven und Freigelassenen – verantwortlich fühlte. Er behandelte seine Leute gut. Berührend finde ich die Briefe an seine junge Frau Calpurnia, die er aufrichtig liebte. Obwohl ihm als Angehörigen der Oberschicht jeglicher Luxus der damaligen Zeit zur Verfügung stand, übertrieb er nicht. Auf den Tisch kamen bodenständige Gerichte aus Zutaten, die seine Güter lieferten. Er besaß mehrere Landsitze, beispielsweise sein Laurentinum, das er ausführlich beschreibt (II, 17) und das, mit vielen Gemächern mit und ohne Meerblick ausgestattet, schon ein kleiner Palast war. Man erhält Einblick in den Wohlstand, in dem die Oberschicht lebte, während die einfachen Bewohner Roms in engen, schmutzigen und einsturzgefährdeten Mietskasernen hausten. Die durchschnittliche Lebenserwartung im antiken Rom lag zwischen 20 und 30 Jahren. Plinius wurde immerhin über 50.

Neben den Kunstbriefen ist auch amtliche Korrespondenz des Plinius mit Kaiser Trajan überliefert, die nicht weniger interessant ist. Berühmt geworden sind die Briefe über die Behandlung der Christen (Brief 96, die Antwort des Kaisers in 97), die wohl jeder Lateinschüler kennt. Ich finde auch andere Briefe des Buches 10 spannend und werde darauf in einem späteren Beitrag eingehen.

All die Verpflichtungen des öffentlichen Lebens fand Plinius manchmal erdrückend. In seiner Freizeit widmete er sich der Literatur, schrieb Verse, besuchte Lesungen und las Manuskripte befreundeter Autoren. Immer, wenn ich in den Briefen des Plinius lese, wünsche ich mir, mit ihm plaudern zu können – in einer seiner Villen bei einem Salat und einem guten Wein.

Literatur:

Plinius: Sämtliche Briefe, Lateinisch/Deutsch, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1998, ISBN 3-15-059706-4

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