Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Montag, 1. Mai 2017
Gades - Cádiz
Das antike Gades, welches zu den ältesten Städten Europas zählt, heißt heute Cádiz - in Andalusien ist der gelispelte Laut am Ende des Wortes kaum zu hören. Als wir die Reise planten, witzelten wir manchmal über den Namen, denn wir dachten dabei an den Dresdner Stadtteil Kaditz, der bei uns quasi um die Ecke liegt. Cádiz allerdings liegt nicht um die Ecke, sondern ist 2.800 Kilometer von unserem Zuhause entfernt.
Gades soll um 1.100 v. Chr. gegründet worden sein. Die mythologisch gefärbte Überlieferung berichtet von Orakeln, ungünstigen Opfern und mehrfachen Gründungsversuchen. Gades lag sich jenseits der "Säulen des Hercules", dem Ausgang des Mittelmeeres, und Hercules wurde sowohl in Gades, wo sich ein berühmtes Heiligtum befand, als auch in anderen Orten der Baetica verehrt. Bereits die Phönizier erfuhren, dass die Meerenge von Gibraltar keineswegs das Ende der Welt war, welches Hercules markiert haben soll. Jenes "plus ultra" (von non plus ultra - "nicht darüber hinaus") mit den Säulen des Hercules fiel mir erstmalig auf Kacheln im Alcázar von Sevilla auf. Es gehört zum Wappen Spaniens.
Kaiser Trajan ließ Münzen mit dem Abbild des Hercules prägen: Verehrung, die auf den Hercules-Kult in seiner südspanischen Heimat zurückging, aber auch Identifikation und Propaganda spielten dabei eine Rolle. Götterbilder zierten die Rückseiten der Münzen; Götter und Heroen stahlen dem Kaiser, dessen Porträt auf der Vorderseite prangte, nie die Show.
Niemand weiß, ob Trajan jemals in Gades war. Von einer Reise des Kaisers in die Heimatprovinz ist nichts bekannt. Während seiner Herrschaft hatte er vermutlich weder einen Grund noch Zeit dazu. Dennoch - man kann diese Möglichkeit nicht ganz ausschließen, zumal die Überlieferung zu Trajan spärlich und lückenhaft ist. Am ehesten kann er seinen Vater in die Provinz begleitet haben, als dieser sein Amt als Prokonsul antrat - siehe dazu unten in den Beiträgen über Córduba und Italica. Für mich stellt sich die Frage, auf welchem Weg man von Rom aus in die Baetica reiste. Eine Seereise war vergleichsweise schnell und komfortabel, konnte sich aber bei ungünstigen Witterungsverhältnissen in die Länge ziehen. Es wäre möglich gewesen, einen der Mittelmeerhäfen Hispaniens anzulaufen und auf dem Landweg weiter zu reisen. Eine solch kombinierte Reise, die sich den Erfordernissen anpasste, erwähnt Plinius in einem Brief an den Kaiser (Plin. Briefe, 10, 17a). Aber auch eine Reise mit dem Schiff bis Gades ist denkbar, möglicherweise zur Mündung des Baetis (Guadalquivir) und von dort aus mit einem kleineren Schiff bis Hispalis (Sevilla).
Das antike Gades erstreckte sich über drei Inseln, die heute miteinander verbunden sind. Lang gezogen, schmal und vom Meer umgeben ist auch das heutige Cádiz. Allein schon diese Lage reizte mich, die Stadt zu besichtigen. Wir reisten von Sevilla aus mit dem Zug an. Auch diese Fahrt nach Südwesten interessierte mich. Irgendwann, nach mehreren Stationen, war dunkelblau das Meer zu sehen, davor der Strand, nur durch eine Straße von der Bahnlinie getrennt. Wir waren am Atlantik angekommen. Noch ehe wir ins Hotel gingen, nahmen wir an einer Stadtrundfahrt teil.
Als wir später zu Fuß unterwegs waren, gingen wir auf der Promenade am westlichsten Punkt der Halbinsel entlang, sahen immer wieder aufs Meer hinaus und betraten die Festung San Sebastian mit einigen Ausstellungräumen. Hier hatte Gades seinen Ursprung. Wir gingen zum Strand Playa de la Caleta, und weil es so warm war, zog ich Schuhe und Strümpfe aus und lief mit hochgekrempelten Hosenbeinen im flachen Wasser herum. Hätte ich nicht doch den Badeanzug mitnehmen sollen? Es gefiel uns sehr an diesem Stadtstrand, wo die Einheimischen am Nachmittag kamen, um die Sonne zu genießen und den kommenden Abend zu feiern. In dieser Bucht befand sich der älteste Hafen der Insel. Die Stadt konnte sich auf Grund ihrer Lage kaum ausbreiten, Platz zum Bauen war immer rar. Deswegen gibt es kaum antike Überreste, vom römischen Theater einmal abgesehen, von dem relativ viel erhalten und freigelegt ist.
Gades war Hafenstadt und ein bedeutender Umschlagplatz. Die Gaditaner lebten vom Handel, von der Seefahrt, vom Fischfang und waren viel unterwegs. Vom Reichtum des Meeres konnten wir uns selbst in der Markthallte überzeugen... vor 2.000 Jahren, als der Fischfang noch nicht industrialisiert war, muss das Meer ein Paradies für Pflanzen und Tiere gewesen sein.
Mehrere Gottheiten wurden in Gades verehrt und die Einwohner der Stadt galten als fromm. Zwei berühmte Söhne der Stadt waren Lucius Cornelius Balbus der Ältere und sein gleichnamiger Neffe, Balbus der Jüngere, Zeitgenossen und Freunde von Cäsar, Pompejus und Octavian.
Der Leuchturm von Cádiz, über eine Mole erreichbar, lockte uns besonders, und kurz vor der abendlichen Schließung des Areals konnten wir von dort aus aufs Meer hinaus blicken. Der Golf von Cádiz ist nicht so weit von der portugiesischen Algarve entfernt - gemessen an der Entfernung zwischen Südspanien und Ostdeutschland. Ich bekam doch ein wenig Sehnsucht nach jener Küste, die zu Recht als eine der schönsten Europas gilt. Aber auch die Strände bei Cádiz sind feinsandig und sehr zu empfehlen. Am beliebtesten Strand, dem Playa de la Victoria, haben wir in einem sehr schönen Fischrestaurant mit allerdings stolzen Preisen zu Mittag gegessen.
Am Morgen unserer Abreise konnten wir das römische Theater und das dazu gehörende Museum mit vielen Modellen besichtigen. Computeranimation versetzte uns in die Römerzeit. Auch die Ruine selbst kann man betreten; die Stufen sind dort, wo man gehen kann, durch Holzaufbauten geschützt. Die in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche Kathedrale ist ebenfalls einen Besuch wert. Vom Turm aus hat man schöne Ausblicke über die Stadt und aufs Meer.
Als wir zum Bahnhof gingen, regnete es kräftig und wir kamen völlig durchnässt am Bahnsteig an. Dennoch werden mir der blaue Himmel, das türkisfarbene Meer, das golden schimmernde Dach der Kathedrale, die Uferpromenade mit dem botanischen Garten und die belebten Gassen der Altstadt in Erinnerung bleiben. Und meine Erinnerungen verbinde ich mit Hercules, den Gaditanern und der Baetica.
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