Sonntag, 24. März 2019

Pergamon - das Panorama in Berlin

Ein Besuch des Pergamon-Museums ist für mich bei einem Berlin-Aufenthalt obligatorisch. Aber das Museum wird derzeit umgebaut und der berühmte Pergamonaltar ist nicht zugänglich. Gegenüber der Museumsinsel befindet sich das temporäre 360-Grad-Panorama von Yadegar Asisi, das Pergamon im 2. Jahrhundert darstellt, jener Zeit, der mein besonderes Interesse gilt. Als ich davon erfuhr, wollte ich es auf jeden Fall ansehen.

Von diesen Panoramadarstellungen geht ein besonderer Reiz aus. Es ist, als öffnete sich ein Fenster in die Vergangenheit. Normalerweise bin ich eher pragmatisch. Auf Fragen, in welche Geschichtsepoche ich mich gern beamen würde, antworte ich meist: in gar keine. Oder wenn, dann bestenfalls mit Tarnkappe. Denn ich könnte vorher nie wissen, ob ich im Kolosseum wilden Tieren gegenüber stehen, oder mitten im Bürgerkrieg des Vierkaiserjahres auf der falschen Seite sein würde. Oder gar an der Via Appia gekreuzigt würde. Bei aller Faszination, die die Antike auf mich ausübt, bin ich doch froh, in der Neuzeit zu leben.

Wir hatten das Glück, das Pergamon-Panorama an einem Freitag Vormittag zu besichtigen, ohne Gedränge und ohne Wartezeit an der Kasse. Und dann gaben wir uns über eine Stunde lang der Betrachtung hin. Es war sehr berührend. Auffallend sind die vielen Opferfeuer, die auf den Altären lodern und nie zu versiegen scheinen: am Dionysos-Tempel neben dem Theater, am Heiligtum der Athene oben auf der Akropolis, in Grotten im Burgberg und natürlich am Pergamonaltar, dessen überwältigende Schönheit ich erst in dieser Rekonstruktion erfasse. Der Platz unterhalb des Altars, wo die Opfertiere geschlachtet werden, ist von deren Blut gerötet.

Die Stadt Pergamon erwartet Kaiser Hadrian, der die Provinz Asia wirklich besucht hat. Im Theater wird die Gasse freigehalten, durch die er hindurchgehen wird. Auf den Steinstufen des Theaters haben die Leute Decken und Polster ausgebreitet wie auf heutigen Freilichtbühnen. Am Burgberg sammeln Kinder Beeren, und auf den Mauern machen es sich die Schaulustigen bequem. Viele Leute sind schon angetrunken, schließlich wird das Fest zu Ehren des Gottes Dionysos gefeiert.

Oben auf der Akropolis wird das Traianeum gebaut, das Zentrum des Kaiserkultes jener Provinz. Die monumentale Statue des Kaisers ist zu erkennen. Der Kaiserkult band die Provinzialen an Rom. Die führenden Männer der Provinzen waren oft auch Priester. Mit der Frage, ob Kaiser Trajan die Provinz Asia besucht hat, werde ich mich in einem der nächsten Texte beschäftigen.

Die Details des damaligen Lebens sind geradezu betörend. Die Stadt dehnte sich weit über den Burgberg aus. Man sieht Wohnhäuser, aber auch die Rennbahn, Theater und Amphitheater. Die Bilder lassen die Antike lebendig werden. Auch die Geräusche des Tages, des Abends und der Nacht sowie die Musik tragen dazu bei. Natürlich freue ich mich darauf, dass der Pergamonaltar eines Tages wieder besichtigt werden kann. Aber das Panorama ist ein absolutes Highlight. Ich möchte es am liebsten noch einmal sehen. Mir ist selten so bewusst gewesen, dass ein Kunstwerk ein großes Geschenk an die Öffentlichkeit sein kann. Meine Phantasie versagt oft beim Anblick von antiken Ruinen. Nach dem visuellen und akustischen Erleben der Stadt Pergamon im zweiten Jahrhundert fühle ich mich beflügelt. Berlin ist immer eine Reise wert, auch deswegen.

Pergamonmuseum. Das Panorama

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