Samstag, 2. Februar 2019

Hatra und Trajans Scheitern

Hatra befindet sich im nördlichen Mesopotamien im heutigen Irak, 50 Kilometer westlich des Tigris. Die Ruinen der Stadt zählen zum Weltkulturerbe der UNESCO, wurden aber, ebenso wie die von Palmyra, durch den IS schwer beschädigt.

Das antike Fürstentum war Zentrum der umliegenden Landschaft, der Hatrene. Es gehörte zum Einflussbereich des Partherreiches. Als Trajan mit seinem Heer im Jahr 115 durch Nordmesopotamien zog, schickte Ma'nu, Fürst von Hatra, Gesandte zu ihm. Trajan misstraute ihm jedoch, da er im Jahr zuvor dem Königreich Adiabene im Kampf gegen römische Truppen beigestanden hatte. Nach Cassius Dio war das damalige Hatra "weder groß, noch bedeutend". Sein Aufschwung hatte gerade erst begonnen. Nachdem das Nabatäerreich 105/106 annektiert und in eine römische Provinz umgewandelt worden war, verlagerte sich der Fernhandel zwischen Indien und dem Mittelmeerraum nach Mesopotamien. Palmyra und Hatra wurden Stationen des Handels und kontrollierten die Straßen nach Südmesopotamien und zum Persischen Golf. Vielleicht verfolgte Trajan das Ziel, auch diesen Handelsweg unter römische Kontrolle zu bringen. Indirekt hat er dem Ort zum Aufschwung verholfen, an dem er selbst scheitern sollte.

Hatra lag in einer kargen Landschaft, einer Wüstensteppe, wo Landwirtschaft nur in Flusstälern möglich war. Manche dieser Flüsse führten nur zeitweise Wasser. Wie auch Palmyra, war Hatra von salz- und schwefelhaltigen Quellen umgeben. Innerhalb des Stadtgebietes gab es jedoch Trinkwasser. Die Bevölkerung dieser Gegend bestand aus Nomaden und Sesshaften. Jene Bevölkerungsgruppen waren miteinander verwandt und verbunden. Hatra war ein Zentrum der Begegnung jener Sippen und hatte sich aus verschiedenen Siedlungskernen zum einem Ganzen entwickelt. Die Stadt war religiöses Zentrum, aber auch ein strategisch bedeutender Außenposten des Partherreiches. Mehrere Gottheiten wurden in Hatra verehrt, vor allem aber der Sonnengott, was naheliegt: in der baumlosen Landschaft war die Sonne überaus präsent. Sonnenglut, schlechtes Wasser und die Lage in der kargen Gegend boten Hatra einen natürlichen Schutz vor Feinden. Die Stadt kontrollierte den Zugang nach Südmesopotamien, der parthischen Hauptstadt Ktesiphon und Charax Spasinu (Basra) mit seinem Fernhafen.

Die zunächst raschen Erfolge Trajans und seiner Truppen waren durch Aufstände in Mesopotamien und einen Aufstand der Juden in Ägypten, Cyrenaika und auf Zypern in Frage gestellt worden. Dem Kaiser blieb nichts Anderes übrig, als Gebiete abzutreten, einen Klientelkönig zu krönen und sich geordnet zurückzuziehen. Auf dem Rückzug wollte er Hatra erobern. Nachdem er die Stadt eingeschlossen hatte, unternahm er mit seiner Reiterei einen Sturmangriff, der aber durch einen Ausfall der Hatrener zurückgeschlagen wurde. Die Römer wurden bis ins Lager zurückgetrieben. Beinahe wäre Trajan selbst verwundet worden. Als er um die Mauern ritt, hatte er alle Abzeichen des Feldherrn abgelegt, um nicht erkannt zu werden, aber die Feinde erkannten ihn doch an seinem weißen Haar und würdevollen Aussehen. Einer der Gardereiter (Equites singulares augusti) wurde getötet. Wer aber verteidigte Hatra? Nomadenvölker waren immer schon Gefahren ausgesetzt gewesen. Die Fürsten von Hatra waren nicht nur Priester, sondern auch Heerführer, die für den Schutz der Stadt und der Umgebung sorgten. Auch die Götter, die in Hatra verehrt wurden, wurden in Bildnissen als Heerführer dargestellt. Es gab befestigte Lager in der Umgebung, wo Truppen stationiert waren. Jene Soldaten schlugen die Angreifer zurück.

Als der Sturmangriff auf Hatra misslungen war, gingen Trajans Truppen zur Belagerung über. Ein Teil der Stadtmauer wurde untergraben und zum Einsturz gebracht. Aber das Heer litt unter der Hitze, Gewitterstürmen, schlechtem Wasser und Versorgungsengpässen. Soldaten erkrankten, und auch Trajans Gesundheit war angegriffen. Man kann vermuten, dass ihn der Rückschlag auf der Höhe seines Erfolges psychisch getroffen hat. Er fürchtete, vergiftet worden zu sein. Schließlich brach er die Belagerung ab und kehrte mit den Truppen ins Winterquartier nach Antiochia zurück. Dort plante er einen neuen Feldzug, der vermutlich Nordmesopotamien sichern sollte. Der Kaiser erlitt jedoch einen Schlaganfall und musste sich mit seiner eigenen Endlichkeit und der Nachfolgefrage auseinandersetzen. Schließlich reiste er Richtung Italien ab, das er jedoch nicht erreichen sollte.

Auch Kaiser Septimius Severus belagerte Hatra vergeblich. Beim zweiten Versuch büßte er alle Belagerungsmaschinen ein. Die Hatrener widerstanden Rom. Dennoch war ihnen das Imperium näher gerückt, und ihre Bauwerke, ihre Religion und Kultur sind von hellenistisch-römischen Einflüssen beeinflusst worden. Man kann nur hoffen, dass die Zeugnisse der Vergangenheit nicht gänzlich verloren sind! Ich interessiere mich zunehmend für den Orient und die Kultur der Hatrener und gern würde ich eines Tages Hatra mit eigenen Augen sehen.

. Literatur:

Michael Sommer: Hatra, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3252-1

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