Sonntag, 25. November 2018

Der Saturninus-Aufstand im Jahr 89

Mitte der achtziger Jahre befand sich das Römische Imperium in einer außenpolitischen Krise. Verlustreiche Auseinandersetzungen mit dem aggressiv und selbstbewusst agierenden Dakerreich sowie den Quaden, Jazygen und Markomannen verlangten Kaiser Domitian, seinen Beratern und seinen Truppen alles ab. Zu einem Zeitpunkt, als Rom die Situation wieder unter Kontrolle hatte, folgte ein innenpolitisches Ereignis, das Erinnerungen an das Bürgerkriegsjahr 69 aufleben ließ.

Am 1. Januar des Jahres 89 ließ sich der Statthalter Obergermaniens, Lucius Antonius Saturninus, von seinen beiden in Mogontiacum (Mainz) stationierten Legionen zum Kaiser ausrufen. Gründe und Motive lassen sich schwer rekonstruieren, da sich in den Quellen nur knappe Notizen darüber finden. Als Usurpator und Feind des Staates verfiel Saturninus der damnatio memoriae; seine Anhänger und Offiziere wurden hingerichtet, sofern sie nicht schon gefallen waren.

Saturninus war ein "homo novus", unter Vespasian in den Senat aufgenommen, sicherlich Sohn eines Ritters. Wie viele jener "neuen Männer" stammte er wohl aus einer Provinz, vielleicht aus der Hispania Tarraconensis. Wahrscheinlich war er Prokonsul von Makedonien und Statthalter von Judäa, ehe er im Jahr 82 Konsul wurde. Ob er noch ein weiteres konsularisches Amt bekleidete, ehe er Statthalter von Obergermanien wurde, und seit wann er in Germania superior stationiert war, ist nicht bekannt.

Domitian soll Saturninus wegen seiner homosexuellen Neigungen beleidigt haben, indem er ihn eine männliche Hure nannte. Dies kann Ausdruck eines sich verschärfenden Konfliktes zwischen Kaiser und Statthalter gewesen sein. Ein solches Verhalten des Herrschers gegenüber einem Mann, der eine mit vier Legionen und Hilfstruppen ausgestattete Provinz führte, war sehr unklug. Dass Sozialkompetenz nicht zu den Stärken Domitians zählte, dürfte allerdings klar sein.

Als homo novus hatte Saturninus keinen breiten Rückhalt im Senat und war wohl kaum Kandidat einer groß angelegten Revolte gegen Domitian. Wahrscheinlich befürchtete er, in Ungnade gefallen zu sein, und trat mit seiner Usurpation die Flucht nach vorn an. Dabei mag er Gerüchte über eine Verlegung von Truppenteilen an die Donaufront für sich ausgenutzt haben. Aber es gelang ihm nicht, die niedergermanischen Legionen und den Statthalter der Nachbarprovinz für seine Sache zu gewinnen. Dies sollte sein Untergang sein. Die Legionen in Vindonissa und Argentorate sollten ihm wohl den Rücken decken, während er mit seinem Heer den niedergermanischen Truppen entgegen zog. In der Nähe der Provinzgrenze kam es zur entscheidenden Schlacht, in der das niedergermanische Heer unter dem Statthalter A. Bucius Lappius Maximus siegte. Saturninus fiel. Nach der antiken Überlieferung soll er ein Bündnis mit den Chatten eingegangen sein, doch durch plötzlich einsetzendes Tauwetter konnten diese nicht über den Rhein setzen, um ihm und seinen Truppen zu Hilfe zu kommen.

Verfügbare Legionen aus den umliegenden Provinzen waren mobilisiert worden, um den Aufstand niederzuschlagen. So führte der spätere Kaiser Trajan die VII. Legion Gemina in Gewaltmärschen nach Germanien, aber er kam nicht mehr zum Einsatz. Domitian selbst rückte mit den Prätorianern heran, kehrte jedoch bald wieder nach Rom zurück. Das obergermanische Heer wurde streng bestraft. Domitian verfügte, dass in Mogontiacum fortan nur noch eine Legion stationiert war. Die abtrünnigen Legionen wurden neu organisiert und an die Donaufront verlegt.

Von Lappius Maximus wird lobend erwähnt, dass er die Post des Saturninus vernichtete, um zu verhindern, dass die Adressaten als Mitverschwörer bestraft wurden. Diese Notiz mutet etwas seltsam an. Einerseits hatte sich Maximus absolut loyal gegenüber Domitian verhalten, andererseits verhinderte er mit dieser eigenmächtigen Tat dessen Strafmaßnahmen.

Domitian und die Statthalter der umliegenden Provinzen hatten schnell reagiert und die Lage unter Kontrolle gebracht. Die Ausbreitung der Revolte war verhindert worden. Der Kaiser hatte sich einmal mehr erfolgreich behaupten können. Doch die Ereignisse müssen ihn erschüttert haben. Fortan wurde er noch misstrauischer und grausamer, und die folgenden Jahre seiner Herrschaft entwickelten sich für die Senatoren und sein Umfeld zu einer Zeit der Angst und Unsicherheit.

Was die Auseinandersetzungen in Germanien für die dortige Bevölkerung bedeutete, lässt sich ungefähr erahnen. In den Ruinen des Isis- und Magna-Mater-Heiligtums unterhalb der Römerpassage in Mainz (einem wirklich sehenswerten kleinen Museum!) künden Informationstafeln von erheblichen Zerstörungen in den Zivilsiedlungen rund um das Legionslager im Zusammenhang mit dem Saturninus-Aufstand. Die Menschen in jenen Siedlungen lebten geradezu in Symbiose mit dem Heer. Mit den Strafmaßnahmen und Truppenverlegungen zerbrachen Beziehungen und Existenzen. Doch darüber berichten die antiken Quellen nicht.

Der Roman "Saturnin-Verschwörer für Rom" von Gerd Trommer (prisma Verlag DDR, 1989) fällt, meine ich, qualitativ deutlich gegenüber "Triumph der Besiegten" und "Wahn der Macht" des Autors ab, weshalb ich ihn hier nur erwähnen, aber nicht empfehlen möchte. Saturninus wird darin auf pathetische Art und Weise zum Freiheitshelden stilisiert, womit ich mich nicht anfreunden kann.

Literatur:

Karl Strobel: Der Aufstand des L. Antonius Saturninus und der sogenannte zweite Chattenkrieg Domitians in Tyche-Journal Band 1, 1986

Hans Jacobi: Mogontiacum, Das Römische Mainz, Regio Verlag Mainz 1996, ISBN 3-00-001115-3

Werner Eck: Die Statthalter der Germanischen Provinzen vom 1.-3. Jahrhundert, Rheinland-Verlag, Köln, 1985, ISBN 3-7927-0807-8

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