Sonntag, 28. Oktober 2018

Die Flavier: Domitian

Die antiken Quellen, deren Verfasser der Oberschicht angehörten, verurteilen Domitian als einen Tyrannen vom gleichen Schlag wie Caligula und Nero. Aber auch sie gaben zu, dass der dritte flavische Kaiser das Reich sorgfältig verwaltete, gewissenhaft Recht sprach und beim Heer beliebt war. Selten arbeiteten die Beamten so ehrlich und uneigennützig wie unter Domitian. Moderne Historiker betrachten seine Regierung differenziert, sind skeptisch gegenüber den Tyrannen-Klischees, die nachträglich über den Kaiser verbreitet wurden. Aber gerät man unweigerlich ins Psychologisieren, wenn man versucht, seine Persönlichkeit zu erfassen.

Domitian wurde am 24.Oktober 51 geboren. Er war elf Jahre jünger als sein Bruder Titus und stand in dessen Schatten, solange dieser am Leben war. Auch Domitian war vielseitig begabt, in seiner Jugend auch gutaussehend, dazu sehr ambitioniert. Wie Titus war er gut ausgebildet. Auffallend waren seine Talente als Dichter und seine Neigung zum Philhellenismus. Als Kaiser betätigte er sich nicht mehr schriftstellerisch. Während sein Vater Vespasian Ämter und militärische Kommandos ausübte, war Domitian der Obhut von Caenis, der Lebensgefährtin seines Vaters, anvertraut, zu der er offenbar kein herzliches Verhältnis hatte. Die antiken Quellen tadeln ihn dafür, dass er sie nicht küssen wollte, sondern ihr nur die Hand zum Gruß reichte.

Als Vespasian im Vierkaiserjahr 69 im Osten des Reiches zum Imperator ausgerufen wurde, waren Rom und Italien umkämpft. Vespasians Bruder Sabinus wurde von den Anhängern des Vitellius umgebracht. Domitian konnte sich retten, indem er verkleidet im Haus eines Freundes unterkam. Als sich die Anhänger Vespasians durchgesetzt hatten, vertrat Domitian, so jung er war, seinen Vater in der Stadt und im Senat und tat das offenbar recht gut, denn er wurde für seine Redekunst gelobt. Dann kam Vespasian nach Rom und musste seinen jüngeren Sohn erst einmal auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Domitian soll sich damit gebrüstet haben, er hätte Vater und Bruder das Reich übergeben. Falls diese Äußerung der Wirklichkeit entsprach, war sie, höflich ausgedrückt, kühn.

Titus eroberte Jerusalem und verdiente sich damit endgültig den Vorrang vor seinem jüngeren Bruder, der ihm ohnehin zustand. Vespasian übertrug ihm weitgehende Machtbefugnisse und Titus war sein treuester Untergebener, Mitarbeiter und Vollstrecker. Domitian wurde zwar ehrenvoll behandelt, aber nicht zum Nachfolger aufgebaut wie Titus. Wie sollte es anders sein? Vespasian musste klare Verhältnisse schaffen; an Konkurrenzkämpfen zwischen seinen Söhnen konnte ihm nicht gelegen sein. Als er starb, war Titus 39 Jahre alt. Domitian musste mit einer langen Herrschaft seines Bruders rechnen. Titus bemühte sich stets um ein gutes Verhältnis zu Domitian, machte ihn zum Konsul, versicherte, dass dieser sein Nachfolger sein würde und ehrte ihn - aber er ließ ihn nicht an der Macht teilhaben. All diese Erlebnisse mögen den ehrgeizigen jungen Mann frustriert haben.

Als Titus nach nur zweijähriger Herrschaft plötzlich starb, wurde Domitian des Brudermordes verdächtigt. Doch auch Titus sagte man nach, er hätte seinen Vater vergiftet. Jene Gerüchte kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit als böswilligen Klatsch betrachten. Ob Domitian über den Tod seines Bruders erfreut war oder nicht, ist ebenfalls Spekulation. Er ließ Titus konsekrieren und ehrte sein Andenken. Nun war er endlich am Ziel seiner Wünsche. Der 31jährige wurde Herrscher über das römische Imperium.

Domitian regierte mit Unterstützung seines Kronrates und bezog den Senat von Anfang an kaum an, so dass er sich bald den Hass dieses Gremiums zuzog. Aber er führte die Politik seines Vaters und Bruders fort, hielt die Finanzen in Ordnung, regierte die Provinzen mit Sorgfalt und Augenmaß und bekämpfte die Korruption konsequenter, als es manchem Beamten lieb war.

In Domitians Regierungszeit fallen einige außenpolitische Konflikte. Er führte Krieg gegen die Chatten und begann nach dem erfolgreichen Abschluss jener Operation mit der Errichtung des Limes. Mit der Einrichtung der beiden germanischen Provinzen galten die Unruhen an der Grenze zu Germanien als beendet. Mitte der achtziger Jahre überfielen dakische Truppen die Provinz Moesien und zerstörten Siedlungen und Kastelle. Der römische Statthalter Sabinus kam ums Leben. Der Kaiser zog ein Heer zusammen und übernahm selbst den Oberbefehl im Krieg gegen die Daker. Das Kommando hatte sein Gardepräfekt Cornelius Fuscus inne. Die Daker wurden über die Donau zurückgetrieben.

Im Jahr 86 leitete Fuscus einen Vergeltungsschlag. Aber die Römer wurden vernichtend geschlagen; Fuscus selbst fiel. Marcus Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus, dem späteren Konkurrenten Trajans, gelang es, die Daker in zwei Schlachten zu besiegen. Unter dem neuen Dakerkönig Decebal kam es erneut zu einem Krieg, bei dem das römische Heer bis vor die dakische Königsstadt vorrückte. Decebal bot Frieden an, was Domitian ablehnte.

Im Jahr 89 zogen die Römer gegen die Markomannen, musste sich jedoch bald zurückziehen. Quaden und Jazygen fielen in die Provinz Pannonien ein und vernichteten eine Legion. Daraufhin schloss Domitian Frieden mit Decebal. Im Jahr 92 zog der Kaiser erneut an die Donau, um die Sarmaten zu schlagen. Man kann sagen, dass er die ernsten Probleme an jener Grenze mit Mut und Umsicht gelöst hat.

Der spätere Kaiser Trajan war nur wenig jünger als Domitian. Sein Vater zählte zu den treuesten Helfern von Vespasian und Titus. Alles spricht dafür, dass Trajan ebenso loyal zu den Flaviern stand, besonders zu Domitian, während dessen Herrschaft er unter die führenden Männer Roms aufstieg. Im Jahr 84 wurde er Prätor. Aber dann kam seine Karriere ins Stocken. Während der Donaukriege des Kaisers war er Legionslegat in Spanien, wo es ihm kaum gelingen konnte, Kriegsruhm zu erwerben. Auch musste er als Patriziersohn ungewöhnlich lange auf den Konsulat warten. Trajan war unter Domitian nicht in Lebensgefahr, denn das hätte Plinius ganz sicher im Panegyrikus betont. Vielleicht erfreute er sich in jener Zeit nicht der besonderen Gunst des Kaisers.

Dies änderte sich, als die Legionen Obergermaniens ihren Legaten Antonius Saturninus zum Imperator ausriefen. Von allen Seiten rückten Legionskommandanten mit Truppen gegen den Usurpator vor, so auch Trajan. Als er in Mogontiacum eintraf, war der Aufstand bereits niedergeschlagen. Doch er hatte seine Treue zum Kaiser unter Beweis gestellt und wurde 91 mit dem Konsulat belohnt. Von da an gehörte er zu Domitians treuesten Offizieren und Beamten. In den neunziger Jahren wurde der Kaiser zunehmend misstrauisch, schwierig und unberechenbar. Persönliche Verluste wie der frühe Tod seines Sohnes und Julia, der Tochter des Titus, die ihm nahe gestanden hat, mögen dazu beigetragen haben. Seit 70 war Domitian mit Domitia Longina verheiratet, der Tochter des Feldherrn Corbulo, einer der einflussreichsten Frauen der damaligen Zeit. Die Ehe soll viele Jahre lang harmonisch gewesen sein. Obwohl die Überlieferung Domitians hemmungsloses Sexualleben anprangert und auch Domitia ihren Gatten betrogen haben soll, kann man diese Geschichten als Zugeständnis an den Geschmack der antiken Leserschaft ansehen. Anfangs mag echte Liebe im Spiel gewesen sein. Aber Domitian verstieß Domitia, wenn auch nicht auf Dauer. Angeblich weil das Volk es wünschte, holte er sie "auf sein göttliches Lager" zurück. War es ein Zugeständnis an Domitias Klienten, Anhänger, Verwandte, oder hat er die Trennung nicht lange ausgehalten, weil er ihr noch zugetan war? Wir wissen es nicht genau.

Domitian übte seine Macht autokratischer aus als seine Vorgänger und wurde darin umso extremer, je unsicherer er sich fühlte. Seine letzten Jahre waren eine Herrschaft des Schreckens. Er wollte mit altrömischer Strenge regieren und verfiel in sinnlose, kaltblütige Grausamkeit. Eine Vestalin ließ er zur Strafe für ihre angebliche Unkeuschheit nach uralter Sitte lebendig begraben. Ebenso ließ er eine Frau töten, die sich in der Nähe einer Kaiserstatue entkleidet hatte. Plötzliche Todesurteile trafen nicht nur Senatoren, Ritter und Freigelassene, sondern auch nahe Angehörige und persönliche Bedienstete. Niemand in der Umgebung des Kaisers konnte seines Lebens mehr sicher sein.

Die alten Römer galten als fromm und waren der Ansicht, dass ihre Kaiser vom Schicksal und von den Göttern eingesetzt wurden. Aber wenn sich ein Herrscher als untragbar erwies, fanden sich immer auch Personen, die bereit waren, die Verhältnisse zu ändern. Am 18. September 96 fiel Domitian einer Verschwörung in seinem engsten Umfeld zum Opfer. Die Kaiserin Domitia Longina soll daran beteiligt gewesen sein. Wahrscheinlich fürchtete auch sie um ihr Leben. Domitian hatte 15 Jahre lang regiert, länger als sein Vater und Bruder zusammen. Nun wurde der 65jährige Nerva vom Senat zum Herrscher bestimmt. Dies war nur eine Übergangslösung. Der wahre Nachfolger der Flavier wurde Trajan, unterstützt von einer Reihe hochrangiger Senatoren, die schon Anhänger und Helfer Vespasians waren.

Der Senat ächtete das Andenken Domitians. Trajan regierte in gutem Einvernehmen mit dem Senat und erfüllte die Erwartungen seiner Zeitgenossen. Domitia Longina überlebte ihren Gatten, aber auch Trajan und Hadrian. Sie starb hochbetagt, als Antoninus Pius regierte.

Mit "Triumph der Besiegten" ist in der DDR ein Roman erschienen, der die Zeit Domitians behandelt. Meine Erinnerung daran ist etwas verblasst, aber da ich die Fortsetzung "Wahn der Macht" empfehlen kann (hier habe ich ausführlich darüber geschrieben), soll auch dieses Buch hier erwähnt werden.

Literatur:

Hermann Bengtson: "Die Flavier", Verlag C.H. Beck, München 1979, ISBN 3 406 04018 7

Gerd Trommer: "Triumph der Besiegten - Kulturgeschichtlicher Roman um Domitian", Prisma-Verlag, ISBN-10: 3735400280 , ISBN-13: 978-3735400284

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