Sonntag, 14. Oktober 2018

Die Flavier: Vespasian

"Die Flavier" von Hermann Bengtson ist eine der wenigen umfassenden Darstellungen jener Dynastie und trotz der widersprüchlichen Persönlichkeit des Verfassers empfehlenswert - im Unterschied zu Auszügen aus dem Werk Suetons, die zwar als Quelle ihren Wert haben, aber kritisch betrachtet werden sollten. Bereits im Vorwort schrieb Bengtson: "Traian steht auf den Schultern seiner Vorgänger, in manchen Einzelheiten hat er an die Flavier wieder angeknüpft".

Vespasian, der im sogenannten Vierkaiserjahr 69 von den Legionen der Ostprovinzen zum Kaiser ausgerufen wurde und sich im Bürgerkrieg durchsetzte, zählt zu den angenehmen Erscheinungen unter den römischen Cäsaren. Sein Vater war Ritter, Bankier und Steuerpächter. Der Bruder seiner Mutter war allerdings Senator. Vespasian, geboren 9 n.Chr., und sein Bruder Sabinus schlugen die senatorische Laufbahn ein. Unter Tiberius und Caligula durchlief Vespasian die ersten Ämter. Unter Claudius stieg er weiter auf und übernahm Legionskommandos in Germanien und Britannien. Für seine Verdienste bei der Eroberung Britanniens erhielt er die Triumphalabzeichen und drei Jahre später den Konsulat, das krönende Amt der senatorischen Laufbahn. Aus seiner Ehe mit Domitilla gingen drei Kinder hervor: Titus, geboren 39, Domitian, geboren 51, sowie eine Tochter Domitilla, die aber - wie die Mutter - früh verstarb. Nach Domitillas Tod lebte Vespasian mit Caenis, einer einflussreichen Freigelassenen, die seinen Aufstieg unterstützt hatte, im Konkubinat zusammen.

Als Vespasian den Kaiser Nero während seiner Griechenlandreise begleitete, passierte ihm ein Missgeschick: er schlief bei einer Gesangsdarbietung des Herrschers ein und fiel in Ungnade. Bald aber brauchte Nero ihn und seine militärischen Erfahrungen im beginnenden Krieg gegen die Juden. Vespasian und sein Sohn Titus führten diesen Krieg methodisch und erfolgreich. Unterstützt wurden sie unter anderem von Marcus Ulpius Trajanus (pater), der die X. Legion Fretensis kommandierte. Trajanus schloss die Stadt Japha ein, überließ deren Erstürmung jedoch Titus. An der Eroberung Jerusalems nahm er nicht mehr teil. Entweder wurden seine Dienste in einem Amt, vielleicht in einer Provinz des Ostens, benötigt, oder eine Verwundung zwang ihn zu einer Pause. Sein Sohn, der spätere Kaiser, war zu Beginn des Jüdischen Krieges dreizehn Jahre alt. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er seinen Vater nach Judäa begleitet hat. In welcher Funktion hätte er das tun sollen? Für ein Militärtribunat war er zu jung. Außerdem ist überliefert, dass er Tribun wurde, als sein Vater Mitte der siebziger Jahre Statthalter von Syrien war.

Unterstützt von seinem Sohn, seinen Offizieren und Mucian, dem damaligen Statthalter von Syrien, übernahm Vespasian als Sechzigjähriger die Herrschaft über das Imperium. Er war der richtige Mann, um das politisch und finanziell zerrüttete Reich wieder zu sanieren. Vespasian regierte zunächst von Alexandria aus und kam im Spätsommer des Jahres 70 nach Rom. Titus erhielt den Oberbefehl über das Heer, das in Judäa stand, und eroberte schließlich Jerusalem.

Vespasian war Realpolitiker. Innerhalb der zehn Jahre seiner Herrschaft konnte er das Imperium stabilisieren. Er hinterließ ein geordnetes, schuldenfreies Reich. Er gab der Bevölkerung von Rom Brot und Spiele und war ein umgänglicher, volkstümlicher Kaiser. Privat lebte er einfach und hielt nichts von Aufwand und Prunk. Um die Finanzen zu sanieren, erhöhte er Steuern und erfand neue Steuern. Zu seinen Einfällen zählt auch eine Latrinensteuer. Es ist überliefert, dass Titus ihm das vorhielt, woraufhin ihm Vespasian eine Münze unter die Nase hielt und frage, ob er etwas rieche. Als Titus verneinte, antwortete Vespasian: "Und doch ist es von Urin". Daraus soll die Redewendung "pecunia non olet" - Geld stinkt nicht - entstanden sein. Vespasian war schlagfertig und witzig, mitunter direkt und nicht sehr vornehm. Er konnte auch über sich selbst lachen. Als er spürte, dass sein Ende nahte, witzelte er: "Wehe mir, ich glaube, ich werde ein Gott.

Vespasian hat im guten Einvernehmen mit dem Senat regiert und dem Hohen Haus durch sein häufiges Erscheinen Respekt entgegengebracht. Aber das waren Gesten, während er die absolute Macht inne hatte. Er betonte schon zu Lebzeiten, dass seine Söhne seine Nachfolger sein würden. Titus wurde lange vor dem Ableben seines Vaters zum Nachfolger aufgebaut.

Wie der spätere Kaiser Trajan zu den Flaviern stand, ist nicht überliefert. Es ist verlockend, darüber zu spekulieren, ob er sie alle gleichermaßen günstig beurteilte. Sein Vater war Vespasian und Titus treu ergeben. Er und seine Familie wurden für diese Loyalität belohnt: mit Ehrungen, der Aufnahme unter die Patrizier, Vertrauen, Prestige, Reichtum - im Grunde mit allem, was eine Familie der Oberschicht erreichen konnte. Dennoch gibt es die etwas seltsam anmutende Anekdote, Trajan hätte die ersten Regierungsjahre Neros als die beste Zeit für das Imperium bezeichnet. (Aurelius Victor, "Epitome De Caesaribus - Nero"). Wenn er das wirklich gesagt hat, stellt sich doch die Frage, weshalb er nicht die Flavier als Segenspender für das Imperium bezeichnete. Ich werde mich in einem späteren Text der Frage widmen, ob Trajan wirklich Nero loben wollte. Betrachtet man seine Politik, wird ersichtlich, dass er in vieler Hinsicht an Vespasian, Titus und Domitian anknüpfte.

Übrigens wurde ich durch einen Roman zu diesem Text inspiriert. "Die Gefährtin des Kaisers" von Lindsey Davis ist der Beziehung zwischen Vespasian und Caenis gewidmet. Es ist ein sehr berührender Roman, der auch die historischen Ereignisse (aus traditioneller Sicht) schildert. Der Fokus liegt auf der Liebesgeschichte, und diese ist spannend und unterhaltsam erzählt.

Literatur:

Hermann Bengtson: "Die Flavier", Verlag C.H. Beck, München 1979, ISBN 3 406 04018 7

Lindsey Davis: "Die Gefährtin des Kaisers" (Roman), Droemer-Knaur, München, 1989, ISBN 3 426 63108 3

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