Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Sonntag, 21. Oktober 2018
Die Flavier: Titus
Titus Flavius Vespasianus, der Sohn Kaiser Vespasians, wurde am 30. Dezember 39 geboren. Die Familie lebte in relativ einfachen Verhältnissen. Als Vespasian unter Claudius Karriere machte, wurde Titus zusammen mit Britannicus, dem Sohn des Kaisers, erzogen. Die Quellen beschreiben ihn als vielseitig talentiert und liebenswürdig. Bei Hofe war ihm eine vorzügliche Erziehung und Ausbildung sicher. Vermutlich hat auch Caenis, die Gönnerin und Geliebte Vespasians, darauf Einfluss genommen.
Militärtribun war er in Germanien und Britannien und trat danach in die Ämterlaufbahn ein. Außerdem war er als Anwalt tätig. Er heiratete seine erste Frau, die bald verstarb. Die Ehe mit seiner zweiten Frau wurde bald wieder geschieden. Aus einer der beiden Ehen hatte er eine Tochter, Julia. Porträts zeigen eine schöne Frau mit einem auffallenden Lockentoupet. Titus soll seine Jugend ausgiebig genossen haben. Er war ein gutaussehender Mann mit kurzgeschnittenen Locken, einem harmonischen Körperbau, aber etwas gedrungen von Wuchs. Sogar auf Mamorporträts wirkt er freundlich. Der Überlieferung nach konnte man sich seiner gewinnenden Art kaum entziehen. Vespasian war stolz auf seine Söhne, besonders auf den Älteren der beiden.
Im Jahr 66 beauftragte Nero Vespasian mit der Führung des Jüdischen Krieges. Titus übernahm das Kommando einer Legion. Er war damals sechsundzwanzig Jahre alt und noch nicht Prätor gewesen. Außergewöhnliche Situationen beschleunigten manche Karrieren. Titus erwies sich als seiner Verantwortung würdig. Flavius Josephus, der Dynastie sehr verbunden, beschreibt ihn als idealen Feldherrn. Vieles spricht dafür, dass Titus die Machtübernahme seines Vaters förderte und vorbereitete. Er vermittelte zwischen Vespasian und Mucian, dem Statthalter von Syrien. Als Vespasian schließlich aus dem Osten des Reiches aufbrach, um von Rom aus zu regieren, beauftragte er Titus mit der Fortführung des Jüdischen Krieges.
Bei der Eroberung Jerusalems ging Titus mit einer Härte gegen die jüdische Bevölkerung vor, die man schwer mit seinem sonst so gepriesenen sympathischen Wesen in Einklang bringen kann. Aber er vollzog den Willen seines Vaters, des Kaisers. Die flavische Dynastie brauchte einen durchschlagenden militärischen Erfolg. Die Brutalität des römischen Angriffs sollte den Willen der Juden brechen. Aber sie hielten lange stand und trotzten den Entbehrungen der Belagerung. Mauer um Mauer fiel Jerusalem. Auf siegreiche Kämpfe der Römer folgten Rückschläge. Ob Titus die Zerstörung des Tempels des Herodes anordnete, ist umstritten. Der Überlieferung nach soll ein Soldat den Tempel in Brand gesetzt haben. Die Ereignisse überstürzten sich, und Titus soll sehr betrauert haben, was geschehen war. Immerhin gelang es ihm, einige Beutestücke zu retten. Mit der Erstürmung Jerusalems war der Jüdische Krieg entschieden. Titus kehrte nach Rom zurück. Die letzten Kämpfe in Judäa wurden von Legionslegaten geleitet. Vespasian und Titus feierten einen Triumph.
Die Soldaten sollen Titus angeboten haben, ihn zum Herrscher auszurufen, aber er ließ sich nicht darauf ein. Ganz loyaler Sohn, kehrte er in die Arme seines Vaters zurück Nachdem Titus den jüdischen Krieg erfolgreich beendet hatte, wurde er vom Kaiser zum Nachfolger aufgebaut und damit seinem jüngeren Bruder Domitian vorgezogen. Vespasian übertrug Titus die tribunizische Gewalt und das imperium proconsulare, was den Oberbefehl über das Heer einschloss. Titus war auch Zensor und Konsul gemeinsam mit seinem Vater und hatte damit die Kontrolle über den Senat. Als Prätorianerpräfekt befehligte er die Garde. Vespasian setzte volles Vertrauen in seinen Sohn und wollte nicht, dass das Amt von jemandem bekleidet wurde, der ihm vielleicht gefährlich werden konnte. Gegen potentielle Verschwörer und politische Gegner ging Titus rücksichtlos vor und verantwortete viele Todesurteile. Es wurde allgemein befürchtet, dass mit ihm ein zweiter Nero an die Macht kommen würde.
Titus hatte seit dem jüdischen Krieg ein Verhältnis mit Berenike. Sie war Schwester und Mitregentin ihres Bruders Herodes Agrippa II. und hatte die Flavier unterstützt. Berenike war etwa zehn Jahre älter als Titus. Sie kam im Jahre 75 nach Rom und lebte eine Weile mit ihm im Palast. Zu einer Ehe zwischen beiden kam es jedoch nicht; einem solchen Skandal wollte sich die flavische Dynastie nicht aussetzen. Spätestens zu seinem Regierungsantritt trennte Titus sich von ihr. Er beugte sich dem Druck eines Großteils der Bevölkerung, die eine Kaiserin jüdischer Herkunft nicht akzeptieren wollte.
Als Vespasian starb, war Titus beinahe vierzig Jahre alt. Er setzte die Politik seines Vaters fort. Mit seinem Herrschaftsbeginn veränderte er sich. All seine negativen Eigenschaften traten zurück. Von nun an war er die Milde in Person, wollte all seinen Untertanen Gutes tun und regierte im Einvernehmen mit dem Senat. Von seiner Härte und Brutalität war nichts mehr zu spüren. Er wurde geliebt und als idealer Herrscher gepriesen. Diese Verwandlung seines Wesens hat zu Vermutungen geführt, er sei von einer Gemütskrankheit befallen worden. Hat er die Trennung von Berenike nicht verwunden? Es ist aber auch gut möglich, dass Titus sich von dem Moment an, da er selbst Herrscher war, Milde und Großzügigkeit gestattete, die ihm als loyalem Sohn und Vollstrecker des Kaisers noch nicht zustanden. Vielleicht sah er sich gezwungen, in bestimmten Situationen Stärke zu demonstrieren, denn seine Liebenswürdigkeit konnte auch als Schwäche ausgelegt werden. In seine Regierungszeit fallen der Vesuvausbruch, der Pompeji verschüttete, und ein Großbrand in Rom. Titus half, so gut er konnte. Das Kolosseum, mit dessen Bau unter Vespasian begonnen worden war, wurde unter der Herrschaft des Titus fertiggestellt.
Kaiser Titus starb plötzlich an einem Fieber nach nur zweijähriger Herrschaft. Er soll sein frühes Ende beklagt haben. Die Trauer um ihn war groß. Domitian ließ sich noch am Todestag seines Bruders von der Garde zum Imperator ausrufen.
Es ist möglich, dass der spätere Kaiser Trajan Titus nie persönlich begegnet ist, aber ich halte dies für unwahrscheinlich. Vermutlich kannten sich nicht nur die Väter, sondern auch die Söhne. In seinem guten Verhältnis zum Senat eiferte Trajan nicht nur Vespasian, sondern auch Titus nach. Schon Titus ließ auf dem Gelände von Neros "Goldenem Haus" Thermen errichten, um das Areal zumindest teilweise an die Öffentlichkeit zurückzugeben. Trajan ließ später Thermen bauen, die jene des Titus übertrafen. Dass Titus ein charismatischer und fähiger Feldherr war, wusste Trajan mit Sicherheit aus Erzählungen seines Vaters. Er selbst legte Wert auf seine Darstellung als siegreicher Feldherr. Auch damit bewegte er sich in der Tradition der Flavier.
Das Leben des zweiten flavischen Kaisers, seine vielseitigen Talente, sein gutes Aussehen, sein einnehmendes Wesen, aber auch negative Tendenzen seines Charakters wirken über die Antike hinaus bis heute nach. Die Erfolge, die er als junger Mann erzielte, sein Charisma, der Verzicht auf die Liebe seines Lebens zugunsten des Staates und sein früher Tod berühren und faszinieren. Die unvergleichliche, brillante "Josephus-Trilogie" von Lion Feuchtwanger zählt zu dem Besten, was je an Literatur über die römische Kaiserzeit veröffentlicht wurde und für mich zu den lesenswertesten Romanen überhaupt. Feuchtwangers großes Thema "Nationalismus vs. Weltbürgertum" ist heute mindestens so aktuell wie vor 2.000 Jahren. Aber es ist auch absolut empfehlenswert, Flavius Josephus selbst zu lesen.
Literatur:
Hermann Bengtson: "Die Flavier", Verlag C.H. Beck, München 1979, ISBN 3 406 04018 7
Flavius Josephus. "Geschichte des Jüdischen Krieges", Verlag Philipp Reclam Jun., 2015, ISBN 978-3150203941
Lion Feuchtwanger: "Josephus-Trilogie" - "Der Jüdische Krieg", "Die Söhne", "Der Tag wird kommen", Fischer-Taschenbücher, 1989
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