Mittwoch, 31. Oktober 2018

Schwimmen im alten Rom

Ich war wieder einmal in einer Therme und konnte mir dort einige Gedanken machen. Dieses Mal dachte ich nicht über die römischen Thermen nach, sondern über das Schwimmen. Es ist, ich gebe es gern zu, mein neuer Lieblingssport. Allerdings war ich etwas enttäuscht: Der Badebetrieb in einer Therme ist für jemanden, der schwimmen üben möchte, nicht ausgelegt. Ich hatte gehofft, im Außenbecken bei ungemütlichem Wetter und kaltem Wind Platz zu haben, aber dem war nicht so. Das Außenbecken war genauso beliebt wie die Innenbecken. Und drinnen war erst recht kein Platz, um zügig ein paar Bahnen zu schwimmen.

In der Antike war das nicht anders. Die Thermen waren zum Baden und zur Erholung da, weniger zum Schwimmen. Aber in manchen Becken war das Schwimmen durchaus möglich. Die meisten aber waren zu flach und taugten eher zum Planschen und Sich-Treiben-Lassen.

Trotzdem gehörte es zur Allgemeinbildung, schwimmen zu können. Kinder lernten es von ihren Eltern oder Freunden, anfangs mit Schwimmhilfen wie Gürteln mit Korkstücken. Es war schlicht überlebensnotwendig für viele Berufe und im Alltag generell wichtig. Es gab längst nicht so viele Brücken wie heute und Flüsse wurden oft an seichten Stellen durchwatet, wobei man damit rechnen musste, streckenweise schwimmen zu müssen.

Vor allem Soldaten mussten schwimmen können. Cassius Dio überliefert, dass unter Hadrian Kavallerieabteilungen in Rüstung schwimmend über die Donau setzten. Zur Grundausbildung der Soldaten wird neben Waffen- und Geländetraining auch das Schwimmen gehört haben. Die jungen Adligen lernten es bei ihren gemeinsamen Übungen zur Körperertüchtigung. Unerlässlich war die Fähigkeit, schwimmen zu können für Flottensoldaten, Fischer und all jene, die beruflich auf dem Wasser unterwegs waren. Bei Schiffbruch, der in der Antike nicht selten passierte, hatten sie wie auch Passagieren eine gewisse Überlebenschance. In Häfen wurden Berufstaucher beschäftigt, die Gegenstände bergen mussten, die beim Be- und Entladen versehentlich über Bord gegangen waren.

Seneca war ein guter Schwimmer. Er schätzte auch das Schwimmen im Meer. Eines Tages hat er seine eigenen Fähigkeiten beinahe überschätzt. Von dem berühmten Badeort Baiae aus besuchte er öfter einen Freund in seiner Villa in Puteoli. Um dorthin zu gelangen, musste er mit einem Schiff drei Meilen weit über eine Bucht fahren. Einmal ließ er sich dorthin übersetzen, obwohl ein Unwetter heranzog. Um Zeit zu gewinnen, wies er den Bootsführer an, die kürzeste Strecke direkt übers Meer zu nehmen, statt an der Küste entlang zu fahren. Auf halber Strecke geriet das Boot in schweren Seegang. Seneca wurde seekrank, litt unter Magenkrämpfen und wies den Bootsführer an, den Kurs zu ändern und so schnell wie möglich an Land zu gehen. Doch dieser antwortete, es sei unmöglich, an der felsigen Küste voller Klippen anzulegen. Seneca befahl, so nahe wie möglich an die Küste heranzufahren, und sprang ins Wasser. Er traute es sich zu, das Ufer zu erreichen. Er kämpfte gegen die Brandung an, gelangte wirklich an die felsige Küste und fand einen Pfad, der ihn zur Villa seines Freundes führte. Ich kann nur sagen: Respekt! Seneca war Asthmatiker und keineswegs von stabiler Gesundheit. Entscheidend war in dieser Situation sein Selbstvertrauen. Im Wasser braucht man Gelassenheit und Selbstvertrauen. Angst ist kontraproduktiv.

Jene Episode entstammte Senecas Briefen an Lucilius. Ich habe sie dem Buch "Seneca und der Tyrann - Die Kunst des Mordens an Neros Hof" von James Romm entnommen. Meine Seneca-Ausgabe kann ich gerade nicht finden. Das Thema des Buches ist hochinteressant, aber die Umsetzung ist nicht so nach meinem Geschmack. Ein paar Zweifel an der antiken Überlieferung wären durchaus angebracht. Der deutsche Titel erinnert an Schlagzeilen in der Boulevardpresse. Ich hatte das Buch aus Neugier gekauft - und weil ich einen Büchergutschein einlösen musste. Aber ich sollte besser den Seneca vom Dachboden holen.

Eine gute Schwimmerin war auch Agrippina, die Mutter des Kaisers Nero. Nero hatte der Überlieferung nach ein Schiff manipuliert, das zusammenstürzen sollte, sobald sich Agrippina auf See befand. Doch sie konnte sich schwimmend retten. Nero ließ sie daraufhin durch Soldaten ermorden (Sueton, Nero, 34).

Literatur:

L. Annaeus Seneca: Ad Lucilium/Briefe an Lucilius über Ethik, Verlag Philipp Reclam jun., 2018, ISBN-10: 9783150195222, ISBN-13: 978-3150195222

James Romm: Seneca und der Tyrann, C.H.Beck Verlag, 2018, ISBN-10: 9783406718762., ISBN-13: 978-3406718762

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