Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Sonntag, 20. August 2017
Rezension zu "Wahn der Macht" von Gerd Trommer
"Wahn der Macht" ist 1987 in der DDR im prisma-Verlag erschienen. Mit dem Untertitel "kulturgeschichtlicher Roman um Trajan" wird das Werk spezifiziert. Cover, Abbildungen, Zeittafel, Begriffserklärungen, eine Übersicht über historische und erfundene Personen sowie eine Karte über die Ausdehnung des Römischen Reiches zu jener Zeit lassen keinen Zweifel daran, dass der Autor in seinem Roman Authentizität anstrebte.
Das Buch ist auch heute noch antiquarisch erhältlich, und ich kann es historisch interessierten Lesern guten Gewissens empfehlen. Es knüpft inhaltlich an "Triumph der Besiegten" an, einen Roman, der die Zeit Kaiser Domitians behandelt. Meine Erinnerung an den ersten Roman ist verblasst und er soll auch nicht Gegenstand dieses Textes sein.
"Wahn der Macht" beginnt mit der Krise in Rom nach der Ermordung Domitians. Kaiser Nerva gerät unter Druck mehrerer einflussreicher Personen, die ihm raten, einen Nachfolger zu bestimmen und ihn zum Mitregenten zu erheben. Mögliche Nachfolger sind Curiatius Maternus in Syrien und Ulpius Trajanus in Obergermanien. Der Gruppe um Licinius Sura gelingt es schließlich, ihren Kandidaten Trajan durchzusetzen, obwohl Nerva sich bereits für Maternus entschieden hatte. Trajan wird Nachfolger Nervas und betritt die weltpolitische Bühne, die er bald schon nach seinen Vorstellungen prägt. Hauptperson ist Marcus Soranus, Spross einer alten Familie, die der Senatsopposition unter den Flaviern angehörte. Als Bote von Sura nach Germanien geschickt, ist Marcus bald von Trajans Charisma eingenommen. Der Autor beschreibt den Kaiser als einen energischen Mann, der Menschen für sich gewinnt und auch durch seine äußere Erscheinung beeindruckt.
Sura, der "Kaisermacher", muss sich bald eingestehen, dass er Trajan nicht wie eine Marionette lenken kann und dieser schon bald seine eigene Politik macht. Als geborener Soldat rüstet er zum Krieg gegen den Dakerkönig Decebal. Bedenken seines Vaters gegenüber der Politik des neuen Kaisers lässt Marcus Soranus nicht zu. Auch sein Freund Fulvius Rusticus ist, obwohl bekennender Soldat, kein begeisterter Anhänger des neuen Herrschers.
Zwischen den Dakerkriegen beginnt Trajan, durch gewaltige Bauprojekte, vor allem sein neues Forum, Rom umzugestalten. Nur durch Gesten der Bescheidenheit und des Entgegenkommens unterscheidet er sich vom Tyrannen Domitian. Dass er Beschlüsse vom Senat bestätigen lässt, ist reine Formsache.
Zwischenzeitlich entfremden sich Sura und der Kaiser voneinander. Als Trajan eine Alexander-Biografie Plutarchs liest, verfällt er seinem Alexander-Traum, der sich bald zum Wahn steigert und dazu führt, dass er den Partherkrieg beginnt. Einer der Söhne des Soranus fällt in diesem Krieg. Der andere Sohn wirft dem Kaiser in seiner Verzweiflung das Schwert vor die Füße und kritisiert dessen Politik. Marcus bittet Trajan, das Leben seines Sohnes zu schonen, und bietet sein eigenes. Der Kaiser begnadigt beide, entlässt sie jedoch aus dem Heer. Es folgen die vergebliche Belagerung Hatras, die Erkrankung des Kaisers und dessen Ende als Pflegefall. Ein Vertrauter des Curiatius Maternus resümiert, dass Trajan ihm, seinem Konkurrenten, beweisen wollte, dass er die Macht zu Recht besaß.
Gerd Trommer hat die Quellen und den Stand der modernen Forschung in den Roman einfließen lassen. Seine Interpretationen der Fakten bewegen sich im Rahmen der Freiheiten, die einem Romanautor offen stehen. Es gefällt mir, dass gewisse Animositäten unter Persönlichkeiten, die in der Zukunft schwerwiegende Folgen haben würden, schon zu Beginn der Handlung deutlich werden, so zwischen Attianus und den vier Konsularen oder Hadrian und dem Architekten Apollodoros.
Auch diesem Roman merkt man an, dass dem Verfasser ein tieferes Verständnis für die römische Gesellschaft fehlt. Aus Unkenntnis heraus wurden einige Konstellationen geschaffen, die es so nicht geben konnte. Ein Ritter wie Acilius Attianus heiratete keine Prostituierte; dies war ihm sogar gesetzlich verboten. Eine solche Frau konnte bestenfalls seine Geliebte sein. Der Senat kann kein Gesetz erlassen haben, das die dynastische Erbfolge verbot. Auch Trajan vererbte die Macht schließlich dynastisch. Cornelia, fiktive Schwester des Publilius Celsus, heiratete Cornelius Palma, aber ihrem Namen nach hätte sie eher Palmas Schwester sein können. Als Senatorensohn wurde Marcus Soranus nicht ohne Rang in Trajans Heer aufgenommen und er hätte auch nicht die Grundausbildung eines gewöhnlichen Legionärs durchlaufen. Ein solcher Mann wurde Tribun. Ebenso wenig dienten die Söhne des Soranus bei den Hilfstruppen, den Reitern des Lusius Quietus. Marcus Ulpius Phaedimus, Mundschenk Trajans, war, wie sein Name verrät, freigelassener Sklave des Kaisers und nicht Sohn eines Centurios.
Aber die Ungereimtheiten halten sich in Grenzen. "Wahn der Macht" ist sowohl spannend und berührend erzählt als auch guter Geschichtsunterricht. Die wesentlichen Ereignisse werden historisch korrekt widergegeben. Mein Eindruck ist, dass der Roman nicht nur von der Epoche Trajans handelt, sondern auch etwas über die Zeit erzählt, in der er verfasst wurde. Die Enttäuschung über ein politisches System, das bei allem fortschrittlichen Anstrich doch starr war und von einer machtbesessenen Zentrale gelenkt wurde, mag in der DDR nach dem Sturz Walter Ulbrichts und der Machtergreifung Erich Honeckers geherrscht haben. Auch die Politikverdrossenheit vieler Menschen und ihr Rückzug ins Private passen eher in die DDR als ins erste bzw. zweite nachchristliche Jahrhundert. All das schadet dem Roman nicht. Vielmehr ist Gegenwartsbezug ein Qualitätsmerkmal. Trotz mancher Fehler im Detail zählt "Wahn der Macht" zu den besten historischen Romanen, die ich gelesen habe. Nach dem ersten Lesen hatte ich eine Schreib- und Sinnkrise. Es gibt einen guten Trajan-Roman, dachte ich damals, was will ich denn da noch schreiben. Ich musste das Buch noch mehrmals lesen, brauchte weitere Lektüre und zeitlichen Abstand, um meine Meinung zu ändern.
Gerd Trommer: "Wahn der Macht", prisma- Verlag DDR, Leipzig 1987, ISBN 3-7354-0018-3
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