Sonntag, 13. August 2017

Rezension zu "Traianus" von Hubertus Prinz zu Löwenstein

Ich kenne zwei Romane, die Kaiser Trajan und seiner Zeit gewidmet sind. "Traianus - Weltherrscher im Aufgang des Christentums" von Hubertus Prinz zu Löwenstein ist einer davon. Der Autor hat mehrere historische Romane verfasst, die im alten Rom handeln.

Bereits der erste Satz des Klappentextes im Cover enthält einen Fehler: Trajan wird als erster Nichtrömer auf dem Caesarenthron bezeichnet. Der Kaiser war Römer, wenn auch seine Familie in der Provinz beheimatet war. Historiker meinen heute, dass er höchstwahrscheinlich auch Stadtrömer von Geburt war.

Das erste Kapitel enthält den Briefwechsel des "jungen Plinius", eines Adoptivsohnes Plinius des Jüngeren, mit Kaiser Hadrian. Darin geht es um die Memoiren Trajans, die jener Plinius aufgezeichnet hat, die Wahl des Verlages und weitere Details der Veröffentlichung sowie Hadrians Anmerkungen und schließlich seine Freigabe des Textes. Fraglich ist, ob dies in solchem Umfange nötig gewesen wäre.

Im zweiten Kapitel erzählt der fiktive Gaius Plinius Calpurnius Secundus über sich selbst. Die Idee, einen Adoptivsohn des Plinius zu erschaffen und ihn als Biograph in der Nähe Trajans zu positionieren, gefällt mir gut. Jener Plinius überbrachte dem Kaiser die Nachricht vom Tod seines Vaters (Plinius des Jüngeren) an die Partherfront und blieb von da an als einer der pueri nobiles beim Herrrscher. Auch der Begriff "Edelknappen" fällt. Wenn sich die römische Oberschicht, angelehnt an griechische Gepflogenheiten, mit Knaben und jungen Männern einließ, dann keinesfalls mit Senatorensöhnen, sondern Sklaven, Freigelassenen bzw. Angehörigen unterer Schichten. Von Trajan sind derartige Neigungen überliefert, aber der Senat hätte ihm zweifelhafte Verhältnisse zu jungen nobiles übel genommen. Das Verhältnis zwischen dem jungen Plinius und dem Kaiser bleibt im Roman frei von Erotik. Hadrian kann Plinius nicht als "Sekretär" eingestellt haben. Sekretäre waren normalerweise freigelassene Sklaven, höchstens Ritter. Dass Plinius als Biograf eine Arbeit tat, die auch ein Sekretär hätte tun können, wäre ja auch ohne die Berufsbezeichnung denkbar.

Im dritten Kapitel beginnt die eigentliche Biografie - nochmals mit einem "Vorbericht". Plinius erzählt von der historisch belegten Tigrisfahrt Trajans zum Persischen Golf. Oft ist von Alexander dem Großen die Rede, den der Kaiser schätzte und als Vorbild betrachtete. Seine Pläne, bis nach Indien vorzustoßen, gibt der Imperator wegen gesundheitlicher Probleme auf. Vom vierten bis ins siebenundzwanzigste Kapitel hinein wird das Leben und Wirken Trajans unter Berücksichtigung aller bedeutsamen historischen Ereignisse jener Zeit erzählt, genauer gesagt, vom Herrscher selbst. Eingeschoben sind Dialoge zwischen Trajan und seinem Biografen, nachträgliche Bemerkungen Hadrians sowie spätere (fiktive) Ergänzungen des Geschichtsschreibers Cassius Dio. Manche Zwischenbemerkungen aus "junger Keckheit" (so nennt es Hadrian) des Plinius gefallen mir gut und lockern den Text auf.

Der Roman liest sich selbst für Kenner der Zeit, so mein Eindruck, ziemlich mühsam. Der Autor kannte die literarischen Quellen und brachte dies mit ein. Er spannt den Bogen sehr weit - zu weit, wie ich finde. Er bringt den Kaiser auch mit Ereignissen in Verbindung, an denen er vermutlich gar nicht beteiligt war. So entsteht der Eindruck, dass er schon als junger Mann in jedem Konflikt und an jedem Brennpunkt des Imperiums im Einsatz war, was aber unwahrscheinlich ist. Als er dann noch sagt: "In Rom nannte man mich den tribunus vigilum, den Feuerwehrhauptmann", grenzt das schon an unfreiwillige Komik. Die hohen Offiziere der vigiles, der paramilitärisch organisierten Feuerwehr, waren Ritter. Wer einen Senatorensohn einen tribunus vigilum nannte, machte ihm gewiss kein Kompliment.

Wenn ein Autor das Leben einer historischen Persönlichkeit wie Trajan beschreibt, hat er monumentalen Stoff zu bearbeiten. Weniger wäre bei "Traianus" mehr gewesen. Auch ist die Erzählform in Briefen und in Rückblenden an sich schon gewöhnungsbedürftig. Marguerite Yourcenar ist es in "Ich zähmte die Wölfin" gelungen, Hadrian auf poetische Weise von sich erzählen zu lassen. Hubertus Prinz zu Löwenstein hat sich, meine ich, an seinem Thema auch literarisch übernommen. Fraglich ist, ob eine reflektierende autobiografische Erzählweise zu Trajan überhaupt passen würde.

Mir fehlen Beschreibungen, Schilderungen, welche die Phantasie anregen und Nähe erzeugen. So ambitioniert der Autor auch vorging: Man merkt dem Roman an, dass Hubertus Prinz zu Löwenstein zu wenig über die römische Gesellschaft wusste. Deswegen unterliefen ihm diverse Fehler. Beispielsweise gab es keine "Legionsschulen" für die Kinder. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Ulpia Marciana ihrem Bruder, dem späteren Kaiser, Lesen und Schreiben beibrachte. Der Sohn eines Senators wurde von Privatlehrern unterrichtet. Wenn Trajan sagt, seine Familie sei nicht reich gewesen, so entspricht das nicht den Tatsachen. Auch hat der ältere Trajan seinen Sohn nicht als Fahnenträger in die Legion aufgenommen, sondern, wie für einen Senatorensohn üblich, als Tribun. In Selinus in Kleinasien war keine Legion stationiert, und selbst wenn es dort ein Legionslazarett gegeben hätte, würde der Kaiser sich kaum zur Behandlung dorthinein begeben: Er und seine Familie wurden selbstverständlich von Ärzten begleitet. Man kann sich ein Legionslazarett auch nicht wie ein modernes Sanatorium vorstellen.

Als der Roman verfasst wurde, gab es noch nicht die Möglichkeit der schnellen Recherche im Internet. Aber ein Nachschlagewerk wie das in der DDR erhältliche "Lexikon der Antike" hätte in vielen Fällen für Klarheit gesorgt. Da sich der Autor von Altertumswissenschaftlern beraten ließ und sehr belesen war, finde ich es schade, dass es zu diesen Fehlern kam, von denen ein Großteil zu vermeiden gewesen wäre.

Mit der historischen Glaubwürdigkeit verschiedener Aussagen im Buch möchte ich mich nicht auseinander setzen, da ein Romanautor mehr Freiheiten in der Interpretation der Fakten hat als ein Historiker. Aber mit der Sympathie für die Christen, die der junge Plinius und auch der Herrscher selbst äußern, kann ich mich nicht anfreunden. Wenn Trajan feststellt, dass die Christen - im Unterschied zu den Juden - keine Feinde des römischen Imperiums seien, steht dies im Gegensatz zu seiner Politik.

Die Christen waren eine Bedrohung für die damalige Ordnung. Die alten Römer waren integrativ und tolerant, aber es gab ein paar Grundregeln, die eingehalten werden mussten. Dazu gehörten die formale Anerkennung der Staatsgötter, die damit verbundenen kultischen Handlungen und im Besonderen der Kaiserkult. Dies war nicht nur eine Forderung, sondern auch eine Chance. Der Kaiserkult war verbindendes religiöses Element für alle Bewohner des Imperiums, ein Herzstück der Romanisierung. Fremde Gottheiten waren den Römern willkommen: neben Jupiter und Mars wurden auch Isis, Mithras und Kybele verehrt. Aber bei aller Vielfalt musste es auch Verbindendes geben. Wenn Christen diesen Pflichten nicht nachkamen, wurden sie zum Tode verurteilt. Für eine andere Verfahrensweise oder gar Anerkennung ihres Glaubens war die Zeit unter Trajan noch nicht reif.

Neben dem Wunsch, den Kaiser in die Nähe zum Christentum zu rücken, hatte der Autor auch folgendes Motiv, mit dem er das Vorwort beschließt: "Ich wäre glücklich, wenn ich durch dieses Werk zum Ruhme des Mannes beitragen könnte, den der Name "Optimus" vor allen anderen Herrschern der Weltgeschichte auszeichnet und dessen Beispiel wahrer Herrschertugend heute nötiger ist denn je." Dies schrieb Hubertus Prinz zu Löwenstein nicht etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern 1981. Solche Ambitionen sind schlicht nicht zeitgemäß und politisch fragwürdig. Das wundert mich, da der Autor sowohl gebildet als auch gesellschaftlich aktiv war, umso mehr.

Literatur:

Hubertus Prinz zu Löwenstein: Traianus, Weltherrscher im Aufgang des Christentums, Langen Müller, München-Wien 1981, ISBN 3-7844-1905-4

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