Sonntag, 27. August 2017

Feldherren lebten gefährlich (1)

Die Geschichte des römischen Imperiums kennt mehrere Beispiele dafür, dass auch hohe Offiziere im Krieg ums Leben kamen. Der vielleicht prominenteste Fall ist der des Quinctilius Varus, welcher sich angesichts der Niederlage gegen die Germanen selbst tötete.

Im Jahr 105, zu Beginn des zweiten Dakerkrieges, geriet der römische Befehlshaber Cnaeus Pinarius Aemilius Cicatricula Pompeius Longinus in dakische Gefangenschaft. Jener Mann, ein Konsular, der zuvor bereits Statthalter in Moesia Superior und Pannonia war, hatte ein bedeutendes militärisches Kommando inne. Das Geschichtswerk des Cassius Dio ist, was die Zeit Trajans angeht, nur in Auszügen überliefert. Die Episode um Longinus nimmt dabei vergleichsweise viel Raum ein. Es ist eine berührende Geschichte und möglicherweise wurde sie auch ein wenig ausgeschmückt. Der Mönch Xiphilinus, dem wir die Cassius-Dio-Excerpte verdanken, fand diese Textstelle offensichtlich auch spannend.

Der Dakerkönig Decebalus lud Longinus unter dem Vorwand, er würde alle römischen Forderungen erfüllen, zu Verhandlungen ein. Er befragte den römischen Feldherrn über Trajans Pläne, und als dieser sich weigerte, irgendetwas zu verraten, nahm er ihn gefangen, aber nicht in Fesseln mit sich. Er sandte einen Boten mit Forderungen an den Kaiser. Als Gegenleistung für die Freilassung von Longinus sollten sich die Römer hinter die Donau zurückziehen und Kriegsentschädigung zahlen. Trajan gab darauf eine ausweichende Antwort. Die Situation war schwierig: Der Kaiser wollte nicht, dass Longinus etwas zustieß, aber ebenso wenig wollte er auf die maßlosen Forderungen des dakischen Königs eingehen. Decebal zögerte ebenfalls. Longinus aber gelang es, sich Gift zu verschaffen. Er schickte einen Freigelassenen (ehemaligen Sklaven) mit einer Botschaft zu Trajan. Als dieser unterwegs war, nahm er das Gift und starb.

Decebal forderte den Freigelassenen von Trajan zurück. Als Gegenleistung bot er den Leichnam von Longinus und die Auslieferung von zehn Gefangenen. Er schickte einen Centurio, den er ebenfalls gefangen genommen hatte, zum Kaiser, um dies auszuhandeln. Jener Mann berichtete alles. Trajan lieferte aber weder den Freigelassenen, noch den Centurio an Decebal aus, weil er der Meinung war, deren Sicherheit wäre wichtiger für die Ehre Roms als ein Begräbnis für Longinus.

Auch mich berührt das Schicksal des Pompejus Longinus. Als neuzeitliche Individualistin empfinde ich Aufopferung und Heldentum als zutiefst sinnlos, aber mir ist klar, dass ein hoher Offizier im zweiten Jahrhundert andere Prinzipien hatte. Vom damaligen Standpunkt aus konnte Longinus kaum anders handeln, wollte er sein Gesicht wahren. Aber wer scheidet schon freiwillig aus dem Leben? Als Romanautorin, die sich der historischen Glaubwürdigkeit verpflichtet fühlt, möchte ich mich nicht zu weit von der Überlieferung entfernen. Ich kann nur ein wenig "gute Fee" spielen und Longinus kurz vor seinem Tod noch ein besonderes Geschenk machen. Er verliebt sich in eine junge Frau, die ihm unbewusst dabei hilft, das Gift zu bekommen.Eine besonders liebreizende Person habe ich erfunden, nur für Longinus und seine letzten Stunden. Und damit kamen neue Probleme auf mich zu. Denn er starb, und sie lebte weiter. Was sollte aus ihr werden? Das Verhältnis mit dem römischen Befehlshaber veränderte auch ihr Leben. Sie verließ die dakische Hauptstadt Sarmizegetusa und lief, wie viele Daker, zu den Römern über. Decebal und seine Getreuen wurden nach und nach isoliert.

Es ist überliefert, dass Licinius Sura und Claudius Livianus mit Decebals Bruder Diegis um Frieden verhandelten. Wenn sich die Lage zuspitzte, wurden solche Treffen gelegentlich missbraucht, um einer Seite Vorteile zu verschaffen, wie die Gefangennahme des Longinus zeigt. Aber auch ein Herrscher, der einen Feldzug leitete, musste damit rechnen, selbst in Gefahr zu geraten. Davon wird der nächste Beitrag berichten.

Literatur:

Cassius Dio, Epitome of Book 68

Karl Strobel: Untersuchungen zu den Dakerkriegen Trajans, Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn 1984, ISNB 3-7749-2021-4

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