Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Samstag, 1. Mai 2021
Die Familie des Germanicus in der Julisch-Claudischen Dynastie
Es ist nicht ganz einfach, in dieser Dynastie den Überblick zu behalten, zumal viele Namen mehrfach auftraten und die Betreffenden der Ordnung halber mit Zahlen (I, II, III) versehen werden. Am besten zieht man eine grafische Übersicht hinzu, zum Beispiel in „Die Kaiserinnen Roms“ von Hildegard Temporini.
Beide Familien, durch enge Beziehungen miteinander verbunden und somit eine Doppeldynastie, waren alte und mächtige patrizische Adelsgeschlechter. Der bekannteste Vertreter der Julier war C. Julius Caesar. Sein Adoptivsohn Octavius, der spätere Kaiser Augustus, nannte sich ebenfalls C. Julius Caesar. Aus seiner Ehe mit einer Scribonia hatte er eine Tochter Julia. Dann heiratete er Livia Drusilla, die zuvor mit Tiberius Claudius Nero verheiratet war und bereits einen Sohn hatte, den späteren Kaiser Tiberius. Sie war hochschwanger, als Augustus sie zur Frau nahm, und brachte drei Monate nach der Hochzeit den zweiten Sohn Drusus (Nero Claudius Drusus) zur Welt. Vielleicht war er Sohn des Augustus – der Kaiser hat ihn jedenfalls seinem älteren Bruder vorgezogen, und auch Livia mochte ihn lieber als ihren erstgeborenen Sohn.
Julia, die Tochter des Augustus, war mit dessen engem Vertrauten und Feldherrn Agrippa verheiratet. Sie hatten vier gemeinsame Kinder: Gaius Caesar und Lucius Caesar, die Augustus als seine Nachfolger wünschte, Agrippa Postumus sowie eine Tochter, Agrippina die Ältere. Agrippa hatte auch eine Tochter aus erster Ehe, Vipsania Agrippina. Sie wurde Ehefrau des Tiberius.
Drusus, der Bruder des Tiberius, wurde mit Antonia verheiratet, einer Tochter des Marcus Antonius und der Octavia, Schwester des Octavian (Augustus). Aus dieser Ehe stammten drei Kinder: Germanicus, der spätere Kaiser Claudius und eine Tochter Livilla. Germanicus wurde mit Agrippina, der Tochter Julias und Agrippas, verheiratet.
Drusus starb jung während eines Feldzuges in Germanien an den Folgen eines Sturzes vom Pferd. Ihm zu Ehren wurde unter anderem der Drususstein errichtet, der heute noch in Mainz auf dem Kästrich steht.
Tiberius und Vipsania Agrippina hatten einen gemeinsamen Sohn Drusus (II). Dieser wurde später mit Livilla verheiratet, der Tochter von Drusus I. Agrippa, der Freund des Augustus, starb im Jahr 12 v. Chr. Augustus wollte seine Tochter Julia wieder verheirateten und zwang Tiberius, sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Der gemeinsame Sohn von Julia und Tiberius lebte nicht lange, und die Ehe war unglücklich.
Die Wunschnachfolger des Augustus, Gaius Caesar und Lucius Caesar, verstarben jung. Nun musste der Kaiser eine andere Lösung finden. Er adoptierte Tiberius, und dieser musste zuvor seinen Neffen Germanicus adoptieren. Germanicus und seine Gattin Agrippina hatten neun Kinder, darunter Drusus Julius Caesar und Nero Julius Caesar, Gaius, den späteren Kaiser Caligula, und Agrippina die Jüngere, Mutter des Kaisers Nero und Gattin des Kaisers Claudius – Bruder des Germanicus.
Im Unterschied zu seinem Onkel und Adoptivvater Tiberius war Germanicus sehr beliebt. Er war der Typ des jugendlichen Helden, dem die Herzen der Menschen zuflogen. Er verstand es, Soldaten, Senatoren und auch das Volk für sich zu gewinnen, war offen und freundlich und hatte ein Gespür für große Auftritte in der Öffentlichkeit. Deswegen hatte Augustus ihn auch zum Nachfolger von Tiberius bestimmt, den er zu jenem Zeitpunkt nicht länger zurücksetzen konnte. Er brauchte ihn und seine Erfahrung. Doch Germanicus war der Nachfolger der Herzen. Auch dessen Gattin Agrippina scheute keine öffentlichen Auftritte. Sie war eine selbstbewusste Frau und folgte ihrem Mann in die Provinzen, wo er tätig war. Sie nahm den nur zweijährigen Sohn Gaius mit nach Obergermanien, wo ihr Gatte die Meuterei der Soldaten niederschlug und mehrere Feldzüge nach Innergermanien unternahm. Der kleine Gaius wurde zum Liebling der Soldaten, weil er im Lager mit einer eigens für ihn gefertigten Uniform und Soldatenstiefelchen herumlief und diesem Umstand seinen Spitznamen verdankte: Caligula – Stiefelchen. Die Feldzüge des Germanicus sicherten ihm zwar Ruhm und einen Triumph, waren aber verlustreich und brachten keine nennenswerten Erfolge. Tiberius berief ihn ab und sandte ihn bald nach Syrien, wo er diplomatische Konflikte zu lösen hatte. Dort wurde Germanicus krank und starb – im Alter von nur 33 Jahren. Er war der Meinung, der Statthalter Piso, der mit ihm verfeindet war, hätte ihn vergiftet, und Agrippina verbreitete das Gerücht weiter. Nicht nur das: sie beschuldigte auch Livia, die Gattin des verstorbenen Augustus, und Tiberius, in den angeblichen Giftmord involviert zu sein. Tiberius war vielleicht ab und an neidisch auf die Beliebtheit des Germanicus, aber er handelte stets pragmatisch und hätte niemals denjenigen umbringen lassen, den er als Helfer brauchte und zum Nachfolger aufbaute.
Nach dem Tod des Germanicus wäre nun Drusus, der Sohn des Tiberius, dessen potentieller Nachfolger gewesen. Doch auch Drusus starb. Seian soll dafür verantwortlich gewesen sein, doch Drusus war krank und starb vermutlich eines natürlichen Todes. Der Sohn des Drusus und Enkel des Tiberius, Tiberius Gemellus, war noch zu jung. Somit kamen wieder die Söhne des Germanicus und der Agrippina für die Nachfolge in Frage. Drusus Caesar und Nero Caesar (nicht der spätere Kaiser – der war Sohn der jüngeren Agrippina!) wurden dann auch von Tiberius dem Senat empfohlen. Doch durch eine Intrige Seians wurde der eine verbannt, der andere eingekerkert, und auch Agrippina, die Gattin des Germanicus, wurde verbannt. Nach dem Tod ihrer Söhne wählte sie den freiwilligen Hungertod.
Gaius, der spätere Kaiser Caligula, wurde von Tiberius zu sich nach Capri berufen. Wie musste er sich fühlen? Seian war gestürzt, doch war er im Umfeld des Kaisers wirklich sicher? Und hatte er überhaupt eine Zukunft?
Literatur:
Hildegard Temporini: "Die Kaiserinnen Roms", Beck-Verlag München, ISBN 3 406 49513 3
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