Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Samstag, 29. Mai 2021
Despoten - oder auch Opfer?
"Und daher schenke keinem von ihnen deine Zuneigung und schone auch niemand! Denn sie hassen dich alle und beten um deinen Tod; und wenn sie dazu imstande sind, werden sie dich ermorden. Mach dir also keine Gedanken, welche deiner Maßnahmen ihnen passen, und kümmere dich auch nicht darum, wenn sie etwas schwatzen, behalte vielmehr nur dein eigenes Vergnügen und deine eigene Sicherheit im Auge, denn darauf hast du den gerechtesten Anspruch! Wirst du doch auf solche Weise kein Leid erfahren und dich all der angenehmsten Dinge erfreuen. Und außerdem wirst du noch von ihnen geehrt werden, mögen sie dich wollen oder nicht. Schlägst du hingegen den anderen Pfad ein, so wird dir dies in der Tat keinen Nutzen bringen; denn magst du auch zum Schein eitlen Ruhm einheimsen, ein Vorteil wird dir daraus nicht erwachsen, im Gegenteil, als Opfer von Anschlägen wirst du ein schmähliches Ende finden. Denn kein Mensch lässt sich gern regieren; er macht vielmehr nur, solange er in Angst lebt, dem Stärkeren den Hof, fasst er hingegen Mut, dann rächt er sich am Schwächeren." (Cassius Dio, 59, 16. 5-7).
Diese angeblichen Worte des Tiberius an ihn soll Caligula im Senat zitiert haben. Wenn dies das politische Vermächtnis des alten Kaisers an seinen potentiellen Nachfolger war, dann wundert einen nichts mehr. Aber es war komplizierter.
Julius Caesar hatte sein Machtstreben mit dem Leben bezahlt. Augustus ging geschickter vor: nachdem er seine politischen Gegner ausgeschaltet hatte, gab er seine Sonderrechte demonstrativ zurück – um nach und nach wieder Sonderbefugnisse zu übernehmen. Er nannte sich „Princeps“, Erster unter den Senatoren. Am Ende seines Lebens hatte sich eine geschickt bemäntelte Monarchie entwickelt. Augustus war ein Meister des Taktierens, der Gesten – ein begnadeter Schauspieler auf der politischen Bühne.
Für Tiberius war es schwierig, daran anzuknüpfen. Er war kein Schauspieler und bevorzugte klare Ansagen, weshalb er als Offizier und Feldherr erfolgreich war; im Staatsdienst hingegen konnte er sich nicht beliebt machen. Er scheiterte letztlich an Kommunikationsschwierigkeiten und entzog sich seinem Volk und dem Senat. Aus Furcht verbrachte er seine letzten Regierungsjahre in freiwilliger Isolation.
Caligulas Herrschaft wurde problematisch, als er seine Macht auszuspielen begann. Verschwörungen änderten sein Verhalten und er steuerte einen harten Kurs an, eine absolute, göttergleiche Herrschaft. Er nahm an, sich nur in einem Regime der Angst behaupten zu können. Sein Verhältnis zum Senat eskalierte. Dabei war er so willkommen geheißen worden: die Öffentlichkeit liebte ihn und war erleichtert, dass der Sohn des Germanicus Kaiser geworden war.
Auch Domitian lebte in seinen letzten Jahren in ständiger Angst vor Verschwörungen. Er soll gesagt haben, man glaubt einem Kaiser eine Verschwörung nur, wenn sie erfolgreich war. Seine Vorahnung ging in Erfüllung: das Attentat, das ihn das Leben kostete, ging von seiner engsten Umgebung aus. Menschen, denen sich der Herrscher anvertrauen musste, konnten ihn beseitigen. Die Senatoren schmeichelten dem Kaiser, aber dennoch sehnten sie im Grunde die alte Republik herbei. Es ging nicht mehr ohne einen Princeps, doch die Konkurrenz schlief nie und Unterwürfigkeit konnte schnell in Hass und Gewalt umschlagen. Nach Neros Tod herrschte ein Jahr lang Bürgerkrieg, aus dem schließlich Vespasian als Sieger hervorging.
Die angesehensten Senatoren, die sich in verschiedenen hohen Ämtern und Militärkommandos bewährt hatten, waren die Helfer und Kollegen des Herrschers. Er musste sich auf sie stützen, doch sie waren auch diejenigen, die ihn stürzen konnten. Das war ihnen bewusst und der Versuchung, selbst die Macht an sich zu reißen, konnten einige nicht widerstehen. Ein Beispiel dafür ist der Usurpationsversuch des Statthalters von Obergermanien, Antonius Saturninus, unter Domitian.
Verschwörer hatten meist Handlanger im privaten Umfeld des Herrschers. Kammerdiener, Sklaven, Leibwächter, sogar enge Familienangehörige waren involviert. Hinzu kamen die treibenden Kräfte innerhalb der Aristokratie, ihre Familien, Freunde, Klienten. Eine aufgedeckte Verschwörung führte immer zu einer Welle von harten Strafen, meist Todesurteilen. Verbannungen waren eine Gnade.
Der römische Kaiser, Herrscher über ein Weltreich, hatte ein sehr forderndes Amt. Augustus war Tag und Nacht in Bereitschaft, um Anordnungen zu treffen, falls es nötig war. Es gab Zeiten, in denen er unter Bewachung und mit einem Panzer unter der Toga im Senat erschien. Warum, fragt man sich, tat er sich das an? Augustus war ein Machtmensch, aber auch das Selbstverständnis der Aristokratie spielte eine Rolle. Mit dem entsprechenden Vermögen und einem entsprechenden Namen hatte man die Pflicht erworben, in den Staatsdienst zu treten und ein mehr oder weniger öffentliches Leben zu führen. Tiberius äußerte mehrmals Rücktrittsgedanken, doch auch ihn hielt das Pflichtgefühl bis an sein Lebensende in Amt und Würden. Ein paar Annehmlichkeiten hatte der mächtigste Mann des Imperiums natürlich auch, und wer trennt sich schon gern von Privilegien?
Das mag auch Caligula motiviert haben, der sehr extravagant Hof hielt und dem nichts zu luxuriös war. Entschädigte ihn sein außergewöhnlicher Wohlstand für die Angst vor Attentaten, die er erlitt? Seine schlimmsten Befürchtungen gingen in Erfüllung. Er wurde regelrecht hingemetzelt. Und gerade das Beispiel dieses hoffnungsvollen, ambitionierten und gebildeten jungen Mannes, der irgendwann psychisch angeknackst, aber höchstwahrscheinlich nicht geisteskrank war, gibt mir zu denken. Wie sehr ihn künstlerische Darbietungen begeisterten! So sehr, dass er mitsang, rezitierte oder tanzte. (Hätte man ihn wirklich ermahnen müssen, das nicht zu tun?) Was war innerhalb kürzester Zeit aus dem vielversprechenden Germanicus-Sohn geworden? Jähzornig, desillusioniert, zynisch, grausam und hochfahrend wurde Caligula, auf dem doch alle Hoffnungen nach Tiberius ruhten.
Ein Herrscher, der aus eigener Furcht begann, Furcht zu verbreiten, war nicht nur Täter. Und er war nicht erst bei seiner Ermordung Opfer. Der römische Kaiser musste eine gestandene Persönlichkeit sein, möglichst mit einigen Jahrzehnten Lebenserfahrung, einer natürlichen Autorität und einer Portion Fatalismus, um nicht grausam oder depressiv zu werden. Sogar unter dem beliebten Kaiser Trajan gab es Verschwörungen. Zu Beginn des zweiten Dakerkrieges wurde ein geplantes Attentat aufgedeckt, das römische Überläufer im Auftrag des dakischen Königs verüben wollten. Als er im Partherkrieg erkrankte, dachte der Kaiser, vergiftet worden zu sein.
Für Trajan war sein eigenes Domitian-Erlebnis prägend. Seine Jahre unter einem furchtsamen und despotischen Herrscher ließen ihn zu einem besseren Princeps werden, als Domitian einer war. Zeitgenossen nannten ihn den Besten. Anderen Monarchen versucht man heute, gerechter zu werden, sie differenziert zu betrachten und manche Tyrannen-Anekdoten antiker Schriftsteller zu hinterfragen. Und immer, wenn man in Details geht und sich von Klischeevorstellungen löst, erfährt man, dass alles ein wenig anders war, als man dachte. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Mitgefühl für Caligula entwickeln würde.
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