Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Samstag, 22. Mai 2021
Die Schreckensherrschaft Caligulas
Der Tod seiner Lieblingsschwester war ein schwerer Schlag für den jungen Kaiser. Ihm die Maßlosigkeit seiner Trauer vorzuhalten, ist aus menschlicher Sicht unbarmherzig. Seine Schwestern waren, abgesehen von seinem Onkel Claudius, die letzten engen Verwandten, die ihm geblieben waren. Allerdings musste er als Staatsoberhaupt auch in der Lage sein, eine gewisse Haltung zu bewahren, zumindest in der Öffentlichkeit. Zeigte sich der Kaiser gar zu tapfer - wie Tiberius nach dem Verlust seines Sohnes - war das den Menschen auch wieder nicht recht. Es war eine Gratwanderung, für die Caligula wohl nicht das Alter und Format hatte.
Mit seiner Heirat bald nach dem Tode Drusillas bewies er, dass er durchaus seine dynastischen Pflichten erfüllen wollte. Die Ehe mit der schönen und reichen Lollia Paulina wurde bald wieder geschieden, weil sie unfruchtbar war. Der Kaiser war nicht unfruchtbar, denn mit seiner vierten Ehefrau Caesonia hatte er eine Tochter.
Caligula versuchte nun, sich außenpolitisch zu profilieren. In Sizilien ließ er einen Hafen ausbauen, wo die Getreideschiffe aus Ägypten Zwischenstation machen konnten. In Judäa setzte er einen Klientelkönig ein, den er persönlich kannte. Den König von Mauretanien hingegen ließ er ermorden und annektierte dessen Gebiet. Der Kaiser begann eine rege Bautätigkeit, wobei ihm an besonders spektakulären und kostspieligen Projekten gelegen war. Kein Wunder, dass die Staatskassen bald erschöpft waren. Die beiden Nemiseeschiffe, die gefunden wurden und leider im Museum verbrannten, waren Beweise für seinen ausufernden Luxus. Er ließ auch Kunstwerke aus aller Welt rauben und nach Rom und in seine persönlichen Gemächer bringen.
In der Stadt half er persönlich mit der Garde beim Löschen eines Brandes. Und er sorgte für den Bau neuer Aquädukte, die unter Claudius vollendet wurden. Anfang 39 wurde Caligula Konsul. Im Laufe des Jahres kam es zu mehreren Prozessen gegen Senatoren und zu Hinrichtungen. Männer, die schon unter Tiberius zur Haft verurteilt worden waren, ließ der Kaiser zum Tode verurteilen. Ursache für diese Hinrichtungen war vermutlich eine Verschwörung. Die Gefahr eines Anschlags muss Caligula traumatisiert haben. Wahrscheinlich haben die Erfahrungen von Intrigen und Todesfällen, die er als Kind und junger Mann machen musste, das Problem verstärkt. Die Majestätsprozesse wurden wieder aufgenommen, schon aus wirtschaftlichen Gründen. Caligula, der mit Millionen nur so um sich warf, brauchte Geld.
Im Senat hielt er eine Rede, bei der er das problematische Verhältnis zwischen Kaiser und Aristokratie entlarvte. Einerseits wurde dem Herrscher geschmeichelt, andererseits wurde ihm nach dem Leben getrachtet. Man kann die Rede in einem Satz zusammenfassen: "Ihr Heuchler, ihr verdient keine Schonung!" Caligula kündigte die Phase der Zusammenarbeit, der Gesten und Kompromisse auf und begann sein Regiment der Furcht. Er berief sich auf die Protokolle der Majestätsprozesse unter Tiberius und hielt den Senatoren vor, sie hätten doch all die Todesurteile durch ihre eigenen Intrigen und Denunziationen verschuldet. Die Senatoren knickten ein und dankten dem Kaiser dafür, dass er sie verschonte. Fortan gaben sie sich unterwürfig und ließen sich von Caligula demütigen. Und der Kaiser spielte seine neue Macht aus.
Durch das eigene Verhalten, großen Aufwand zu treiben, kostspielige Geschenke zu machen und luxuriös zu leben, zwang er die aristokratischen Familien zur Nachahmung, was manche von ihnen in den Ruin trieb. Seine Vorliebe für Zirkusrennen trieb er auf die Spitze. Sein Lieblingshengst Incitatus "Heißsporn" bekam einen Stall aus Marmor, wurde mit vergoldeten Gerstenkörnern gefüttert und Caligula soll darüber nachgedacht haben, das Pferd zum Konsul zu machen. Wenn das böser Spott auf die Insignien der Senatoren war, zeugt es doch von einem ziemlich schrägen Humor. Der Kaiser soll auch beklagt haben, in einer so ereignislosen Zeit zu leben, ohne Naturkatastrophen, schlimme Niederlagen im Krieg, ohne Hungersnöte, Pest und Erdbeben - Anlässe, bei denen er sich als Wohltäter hätte profilieren können. Darin zeigt sich dann schon eine sehr makabre Gesinnung, die in die Nähe psychischer Auffälligkeit rückt. Und das Schlimme war: dieser junge Mann hatte die Macht, seine makabren Scherze Realität werden zu lassen, Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen und Todesurteile zu verhängen.
Es kam zu einer Verschwörung gegen Caligula, in die sein engster Freund aus dem Senat, Lepidus, und seine beiden Schwestern Agrippina und Livilla verwickelt waren. Agrippina hatte ehrgeizige Pläne für ihren Sohn Nero. Weitere Männer im Senat waren involviert und auch der Statthalter von Obergermanien, der dort ein Heer zusammenziehen konnte. Germanien sollte auch später immer wieder Ausgangspunkt von Usurpationsversuchen und Bürgerkriegen sein. Die Konsuln in Rom wurden abgesetzt, einer von ihnen nahm sich das Leben. Caligula begab sich in einer Blitzaktion mit den Prätorianern nach Germanien und entmachtete den Statthalter, ehe dieser losschlagen konnte. Er wurde in Mogontiacum hingerichtet. Sein Nachfolger wurde der spätere Kaiser Galba. Das ganze Ausmaß der Verschwörung wurde aufgedeckt. Lepidus wurde hingerichtet, Agrippina und Livilla wurden auf die Pontinischen Inseln verbannt. Caligula informierte den Senat über den Anschlag, dem er entgangen war, belohnte die Soldaten mit Geld für ihre Treue und verbot künftige Ehrungen für Familienmitglieder.
In Rom führte die Aufdeckung der Verschwörung zu einer Denunziationswelle. Der Senat teilte dem Kaiser schriftlich seine Unterstützung mit und schickte ihm eine Gesandtschaft mit Claudius, seinem Onkel, an der Spitze. Caligula reagierte darauf mit einem Wutanfall. Er traute den schmeichelnden Worten nicht und fühlte sich bevormundet. Die meisten Gesandten schickte er umgehend zurück. Claudius soll er vor Wut ins Wasser des Rheins gestoßen haben, so dass dieser beinahe umkam.
Galba griff in der Armee durch und organisierte das Heer der Provinz neu. Caligula ließ Offiziere in den Ruhestand versetzen. Das waren übliche Maßnahmen zur Stabilisierung der Situation. Auch ein paar rechtsrheinische Operationen muss es gegeben haben, die aber keine Gebietserweiterungen zur Folge hatten. Der Kaiser wollte wahrscheinlich seine Stellung durch einen schnellen militärischen Erfolg stärken und plante einen Feldzug nach Britannien. Aber der Plan scheiterte: die Legionen weigerten sich, dorthin überzusetzen. Die Soldaten fürchteten sich. Caligula ließ sie daraufhin am Strand des Ärmelkanals Muscheln sammeln, um sie zu demütigen. Und zur Strafe für die Meuterei wollte er zwei Legionen niedermetzeln lassen. Seine Offiziere konnten ihn davon abbringen. Er wollte die Truppen dezimieren lassen, was die Hinrichtung jedes zehnten Mannes bedeutete, aber die Soldaten griffen zu den Waffen und Caligula flüchtete, ohne die Bestrafung durchgeführt zu haben. Die Eskalationen häuften sich. Der Senat in Rom verharrte in Unterwürfigkeit. Caligula war in Abwesenheit Konsul gewesen, und als sein Amtskollege plötzlich verstarb, war das Hohe Haus handlungsunfähig. Einen ganzen Tag lang sollen die Senatoren mit Lobreden und Gebeten zu Ehren Caligulas verbracht haben. Sie sandten ihm erneut Boten entgegen, die ihn baten, dringend nach Rom zu kommen, und auf diese Bitte hin rief er wütend aus, er werde kommen und sein Schwert mitbringen.
Der Hof in Rom wurde nicht mehr von Senatoren, sondern von Freigelassenen dominiert. Caesonia, die Kaiserin, genoss das Vertrauen ihres Gatten. Er soll sie sehr geliebt haben. Caligula umgab sich nur noch mit wenigen Aristokraten und wollte auch keine Ehrungen durch den Senat mehr entgegennehmen - auch keinen Triumph. Damit seine Rückkehr nach Rom dennoch spektakulär wurde, ließ er eine fünf Kilometer lange Schiffsbrücke über den Golf von Baiae anlegen. Dazu mussten eine Menge Schiffe zusammenkommen. Darüber wurde eine Straße errichtet. Caligula legte den Brustpanzer Alexander des Großen an, der zuvor aus dessen Grab geholt worden war. Er trug einen griechischen, mit Juwelen geschmückten Feldherrnmantel, Schwert und Schild und einen Kranz aus Eichenlaub. Ich kann mir vorstellen, dass er eine Augenweide war – er war ja noch relativ jung. Nach einem feierlichen Opfer betrat er in Bauli die Brücke und ritt nach Puteoli. Dort gab es eine Rast. Am nächsten Tag fuhr Caligula auf einem Triumphwagen auf die Mitte der Brücke und hielt dort eine Rede. Danach gab es ein Fest auf der Brücke bis in die Nacht hinein. Am Ende soll Caligula manche seiner Freunde ins Wasser gestoßen haben. Er war begeistert davon, das Meer zum Land und die Nacht zum Tage gemacht zu haben. Diese Inszenierung war eine Demonstration absoluter Macht. Für viele Zeitgenossen war es die Tat eines Wahnsinnigen.
Wie sollte es in Rom weitergehen? Es gab Befürchtungen, Caligula würde beide aristokratischen Stände beseitigen oder zumindest ihre wichtigsten Mitglieder umbringen. Es kam zu einer neuen Welle gegenseitiger Denunziationen, die der Kaiser förderte und anstachelte. Die Männer des Hohen Hauses zerfleischten sich buchstäblich gegenseitig. Und der Senat gestand dem Herrscher zu, während der Sitzungen von Prätorianern bewacht zu werden. Grotesker ging es kaum: sie wollten ihn schützen, weil sie ihm nach dem Leben trachteten. Sklaven wurde es gestattet, ihre Herren zu bespitzeln und anzuzeigen. Der Kaiser soll vornehme Damen und Söhne der Aristokratie gezwungen haben, sich in einem extra auf dem Palatin errichteten Bordell zu prostituieren. Caligula entehrte die Aristokratie, indem er Statuen berühmter Männer umstürzen ließ und Senatoren die Rangabzeichen ihrer Familien nicht mehr tragen ließ.
Aus Furcht vor dem Kaiser und um ihn zu besänftigen, begannen die Senatoren, ihm zu Füßen zu fallen und ihr Haupt zu verhüllen. Ihm wurde zu Lebzeiten ein Tempel errichtet, wo er als Gott verehrt wurde. Ihm zu Ehren geschlachtet wurden möglichst seltene, exotische Tiere. Bei der morgendlichen Begrüßung im Palast trat Caligula in verschiedenen "Götterkostümen" auf und ließ sich als Gott begrüßen. Er holte nachts die Mondgöttin auf sein Lager und plauderte tagsüber mit der Statue Jupiters im Tempel. Caligula trieb die Tendenz, dem Kaiser in beinahe religiöser Ehrfurcht zu huldigen, auf die Spitze. Man muss bedenken, dass seine Eltern Germanicus und Agrippina im Orient bereits zu Lebzeiten als Götter verehrt wurden, als sie dort auf diplomatischer Mission unterwegs waren. Gaius begleitete sie und wuchs in dieser Atmosphäre auf. In Rom aber drängte sich die Frage auf, ob der Wahnsinn überhaupt noch zu steigern war.
Zeitweise soll er sogar darüber nachgedacht haben, die Hauptstadt des Imperiums nach Alexandria zu verlegen. Die Angst, die in Rom herrschte, nahm das engste Umfeld des Kaisers und ihn selbst nicht aus. Seine engsten Vertrauten, den Freigelassenen Callistus und die beiden Prätorianerpräfekten empfing Caligula allein. Er sagte, er sei wehrlos, sie seien aber zu dritt und bewaffnet und wenn sie ihn unbedingt töten wollten, sollten sie es doch tun. Erschrocken warfen sie sich ihm zu Füßen: er sollte doch so etwas nicht von ihnen denken. Um sie zu schwächen, begann der Kaiser, sie gegeneinander auszuspielen. Aber sie durchschauten seinen Plan und sahen sich gezwungen zu handeln.
Den Mordanschlag planten die Prätorianerpräfekten Chaerea und Sabinus. Mehrere Versionen des Attentats wurden durchgesprochen. Es gab ein Theater auf dem Palatin, wo am festgelegten Tag ein Pantomimenspiel aufgeführt wurde. Caligula war von seinem Gefolge umgeben dort. Als sich die Vorstellung in die Länge zog, waren die Präfekten sogar entschlossen, den Kaiser mitten im Theater umzubringen. Doch dann kam er plötzlich doch. Die Garde schaffte es, ihn von seinem Gefolge zu isolieren. Die Präfekten selbst sollen ihn niedergestochen haben. Als der Kaiser getroffen am Boden lag und schrie, wurde er unter Fußtritten regelrecht abgeschlachtet. Anschließend wurde die Kaiserin Caesonia ermordet, die kleine Tochter Julia Drusilla wurde gegen die Wand geschleudert und starb. Caligulas Herrschaft, die ihm vielleicht zuletzt selbst ein Horror war, dauerte nur vier Jahre.
Die germanischen Leibwachen des Kaisers ließen sich nicht länger zurückhalten, griffen ein, töteten einige der Mörder und auch einige Umstehenden. Im Theater herrschte großes Entsetzen und diverse Gerüchte kursierten, wonach der Kaiser noch lebte oder nur verwundet sei. Das Volk, das Caligula immer noch verehrte, lief auf dem Forum zusammen und forderte die Bestrafung der Mörder. Der Senat kam zu einer Eilsitzung zusammen und unternahm einen ersten Versuch, die Herrschaft Caligulas aufzuarbeiten. Es herrschte Uneinigkeit, ob wieder jemand Kaiser werden sollte und vor allem, wer es werden sollte. Auch unter den Prätorianern herrschte Unsicherheit. Da präsentierte die Präfekten Claudius als ihren Kaiser. Die Stadtkohorten schlossen sich den Prätorianern an. Und die Senatoren gaben auf.
Am Morgen wurde Claudius in den Palast gebracht, und auch der Senat erkannte ihn als Princeps an. Eine Zeit des Schreckens war beendet, aber was würde darauf folgen?
Literatur:
Aloys Winterling: "Caligula", Beck-Verlag, München 2019, ISBN 978 3 406 74269 9
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