Sonntag, 9. September 2018

Centurionen

Ein römischer Centurio in Paradeuniform muss einen beeindruckenden Anblick geboten haben. Man erkannte ihn an seinem quer verlaufenden Helmbusch, seinen Beinschienen und den vielen Medaillen und Auszeichnungen, die er trug. Aber auch im Alltag strahlte er Autorität aus. Er trug einen Rebstock bei sich, den er zur Züchtigung der Soldaten gebrauchte.

Viele Centurionen hatten sich vom einfachen Soldaten (miles gregarius) innerhalb vieler Jahre hochgedient. Es war also einem Soldaten durchaus möglich, diese wichtige Position zu erreichen. Der Centurio hatte das Kommando über die Centurie, etwa 80 Mann stark. Sein Rang wird heute mit dem eines Hauptmanns verglichen. Auf die ranghöchsten Centurionen traf dieser Vergleich jedoch nicht zu. Die Centurionen der ersten Kohorte, die primi ordines, standen über den anderen Centurionen der Legion. Der ranghöchste Centurio der Legion war der primus pilus. Die primi ordines wurden auch zu Stabsbesprechungen hinzugezogen. Der Kaiser und die adligen Offiziere schätzten ihre Erfahrung. Manchen der ranghöchsten Centurionen war ein Aufstieg in den Ritterstand möglich. Der Lagerpräfekt (praefectus castrorum) war oft ein ehemaliger primus pilus. Die Beförderung zum Centurio erfolgte durch den Legionslegaten mit Bestätigung des Kaisers.

In meinem Roman ist Quintus Fulvius Clemens, leiblicher Vater meines Protagonisten Gaius, einer der primi ordines. Er ist ehrgeizig und pflegt gute Beziehungen zu den einflussreichsten Männern der Provinz Germania superior, mit dem Ziel, weiter aufzusteigen. Sein Privatleben ordnet er seinen Karrierebestrebungen unter. Centurionen waren oft korrupt - so auch Clemens. Wie viele Centurionen ist er ein aufmerksamer und pflichtbewusster Kommandant, und als er in eine aussichtslose Lage gerät, zeigt er Mut, Opferbereitschaft und Tapferkeit. Die Centurionen gaben nicht nur Befehle oder hielten sich - wie viele Stabsoffiziere - im Hintergrund, sondern sie kämpften an der Spitze ihrer Soldaten und spornten sie durch ihr persönliches Beispiel an. Clemens ist eine ambivalente Romanfigur. Ich mag solche Figuren, weil sie der Realität entsprechen.

Als der römische Feldherr Pompeius Longinus zu Beginn des zweiten Dakerkrieges Trajans in Gefangenschaft geriet und den Freitod wählte, sandte der Dakerkönig Decebal einen Centurio aus Longinus' Begleitmannschaft zum Kaiser, um über die Herausgabe des Leichnams von Longinus zu verhandeln. Trajan behielt - so Cassius Dio - den Centurio bei sich und überließ Decebal den Leichnam des Longinus. Im meinem Roman gehört jener Centurio zu den wichtigen Figuren. Er tritt bereits im ersten Kapitel als junger Mann in Erscheinung. Sein Bruder, der es ebenfalls bis zum Centurio bringt, scheidet früher aus der Handlung aus. Der Vater der Brüder war auch Centurio und engagierte sich nach seiner Dienstzeit in seinem Heimatort, wo er in einer paramilitärischen Organisation den Nachwuchs für das Heer ausbildete. Der spätere Kaiser Hadrian wurde als Teenager von Trajan in die spanische Heimatprovinz geschickt, um sich dort mit der Jugend in militärischer Ertüchtigung zu üben. Man kann vermuten, dass Trajan als Jugendlicher eine ebensolche Ausbildung in der Provinz genossen hat, aber überliefert ist davon nichts. Auch die Jagd galt als gutes Training für den Militärdienst. Darauf werde ich ein andermal eingehen.

Literatur:

Marcus Junkelmann, "Die Legionen des Augustus", Philipp von Zabern, Mainz 1986, ISBN 3-8053-0886-8

Cassius Dio: Epitome of Book 68

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