Sonntag, 27. August 2017

Feldherren lebten gefährlich (1)

Die Geschichte des römischen Imperiums kennt mehrere Beispiele dafür, dass auch hohe Offiziere im Krieg ums Leben kamen. Der vielleicht prominenteste Fall ist der des Quinctilius Varus, welcher sich angesichts der Niederlage gegen die Germanen selbst tötete.

Im Jahr 105, zu Beginn des zweiten Dakerkrieges, geriet der römische Befehlshaber Cnaeus Pinarius Aemilius Cicatricula Pompeius Longinus in dakische Gefangenschaft. Jener Mann, ein Konsular, der zuvor bereits Statthalter in Moesia Superior und Pannonia war, hatte ein bedeutendes militärisches Kommando inne. Das Geschichtswerk des Cassius Dio ist, was die Zeit Trajans angeht, nur in Auszügen überliefert. Die Episode um Longinus nimmt dabei vergleichsweise viel Raum ein. Es ist eine berührende Geschichte und möglicherweise wurde sie auch ein wenig ausgeschmückt. Der Mönch Xiphilinus, dem wir die Cassius-Dio-Excerpte verdanken, fand diese Textstelle offensichtlich auch spannend.

Der Dakerkönig Decebalus lud Longinus unter dem Vorwand, er würde alle römischen Forderungen erfüllen, zu Verhandlungen ein. Er befragte den römischen Feldherrn über Trajans Pläne, und als dieser sich weigerte, irgendetwas zu verraten, nahm er ihn gefangen, aber nicht in Fesseln mit sich. Er sandte einen Boten mit Forderungen an den Kaiser. Als Gegenleistung für die Freilassung von Longinus sollten sich die Römer hinter die Donau zurückziehen und Kriegsentschädigung zahlen. Trajan gab darauf eine ausweichende Antwort. Die Situation war schwierig: Der Kaiser wollte nicht, dass Longinus etwas zustieß, aber ebenso wenig wollte er auf die maßlosen Forderungen des dakischen Königs eingehen. Decebal zögerte ebenfalls. Longinus aber gelang es, sich Gift zu verschaffen. Er schickte einen Freigelassenen (ehemaligen Sklaven) mit einer Botschaft zu Trajan. Als dieser unterwegs war, nahm er das Gift und starb.

Decebal forderte den Freigelassenen von Trajan zurück. Als Gegenleistung bot er den Leichnam von Longinus und die Auslieferung von zehn Gefangenen. Er schickte einen Centurio, den er ebenfalls gefangen genommen hatte, zum Kaiser, um dies auszuhandeln. Jener Mann berichtete alles. Trajan lieferte aber weder den Freigelassenen, noch den Centurio an Decebal aus, weil er der Meinung war, deren Sicherheit wäre wichtiger für die Ehre Roms als ein Begräbnis für Longinus.

Auch mich berührt das Schicksal des Pompejus Longinus. Als neuzeitliche Individualistin empfinde ich Aufopferung und Heldentum als zutiefst sinnlos, aber mir ist klar, dass ein hoher Offizier im zweiten Jahrhundert andere Prinzipien hatte. Vom damaligen Standpunkt aus konnte Longinus kaum anders handeln, wollte er sein Gesicht wahren. Aber wer scheidet schon freiwillig aus dem Leben? Als Romanautorin, die sich der historischen Glaubwürdigkeit verpflichtet fühlt, möchte ich mich nicht zu weit von der Überlieferung entfernen. Ich kann nur ein wenig "gute Fee" spielen und Longinus kurz vor seinem Tod noch ein besonderes Geschenk machen. Er verliebt sich in eine junge Frau, die ihm unbewusst dabei hilft, das Gift zu bekommen.Eine besonders liebreizende Person habe ich erfunden, nur für Longinus und seine letzten Stunden. Und damit kamen neue Probleme auf mich zu. Denn er starb, und sie lebte weiter. Was sollte aus ihr werden? Das Verhältnis mit dem römischen Befehlshaber veränderte auch ihr Leben. Sie verließ die dakische Hauptstadt Sarmizegetusa und lief, wie viele Daker, zu den Römern über. Decebal und seine Getreuen wurden nach und nach isoliert.

Es ist überliefert, dass Licinius Sura und Claudius Livianus mit Decebals Bruder Diegis um Frieden verhandelten. Wenn sich die Lage zuspitzte, wurden solche Treffen gelegentlich missbraucht, um einer Seite Vorteile zu verschaffen, wie die Gefangennahme des Longinus zeigt. Aber auch ein Herrscher, der einen Feldzug leitete, musste damit rechnen, selbst in Gefahr zu geraten. Davon wird der nächste Beitrag berichten.

Literatur:

Cassius Dio, Epitome of Book 68

Karl Strobel: Untersuchungen zu den Dakerkriegen Trajans, Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn 1984, ISNB 3-7749-2021-4

Sonntag, 20. August 2017

Rezension zu "Wahn der Macht" von Gerd Trommer

"Wahn der Macht" ist 1987 in der DDR im prisma-Verlag erschienen. Mit dem Untertitel "kulturgeschichtlicher Roman um Trajan" wird das Werk spezifiziert. Cover, Abbildungen, Zeittafel, Begriffserklärungen, eine Übersicht über historische und erfundene Personen sowie eine Karte über die Ausdehnung des Römischen Reiches zu jener Zeit lassen keinen Zweifel daran, dass der Autor in seinem Roman Authentizität anstrebte.

Das Buch ist auch heute noch antiquarisch erhältlich, und ich kann es historisch interessierten Lesern guten Gewissens empfehlen. Es knüpft inhaltlich an "Triumph der Besiegten" an, einen Roman, der die Zeit Kaiser Domitians behandelt. Meine Erinnerung an den ersten Roman ist verblasst und er soll auch nicht Gegenstand dieses Textes sein.

"Wahn der Macht" beginnt mit der Krise in Rom nach der Ermordung Domitians. Kaiser Nerva gerät unter Druck mehrerer einflussreicher Personen, die ihm raten, einen Nachfolger zu bestimmen und ihn zum Mitregenten zu erheben. Mögliche Nachfolger sind Curiatius Maternus in Syrien und Ulpius Trajanus in Obergermanien. Der Gruppe um Licinius Sura gelingt es schließlich, ihren Kandidaten Trajan durchzusetzen, obwohl Nerva sich bereits für Maternus entschieden hatte. Trajan wird Nachfolger Nervas und betritt die weltpolitische Bühne, die er bald schon nach seinen Vorstellungen prägt. Hauptperson ist Marcus Soranus, Spross einer alten Familie, die der Senatsopposition unter den Flaviern angehörte. Als Bote von Sura nach Germanien geschickt, ist Marcus bald von Trajans Charisma eingenommen. Der Autor beschreibt den Kaiser als einen energischen Mann, der Menschen für sich gewinnt und auch durch seine äußere Erscheinung beeindruckt.

Sura, der "Kaisermacher", muss sich bald eingestehen, dass er Trajan nicht wie eine Marionette lenken kann und dieser schon bald seine eigene Politik macht. Als geborener Soldat rüstet er zum Krieg gegen den Dakerkönig Decebal. Bedenken seines Vaters gegenüber der Politik des neuen Kaisers lässt Marcus Soranus nicht zu. Auch sein Freund Fulvius Rusticus ist, obwohl bekennender Soldat, kein begeisterter Anhänger des neuen Herrschers.

Zwischen den Dakerkriegen beginnt Trajan, durch gewaltige Bauprojekte, vor allem sein neues Forum, Rom umzugestalten. Nur durch Gesten der Bescheidenheit und des Entgegenkommens unterscheidet er sich vom Tyrannen Domitian. Dass er Beschlüsse vom Senat bestätigen lässt, ist reine Formsache.

Zwischenzeitlich entfremden sich Sura und der Kaiser voneinander. Als Trajan eine Alexander-Biografie Plutarchs liest, verfällt er seinem Alexander-Traum, der sich bald zum Wahn steigert und dazu führt, dass er den Partherkrieg beginnt. Einer der Söhne des Soranus fällt in diesem Krieg. Der andere Sohn wirft dem Kaiser in seiner Verzweiflung das Schwert vor die Füße und kritisiert dessen Politik. Marcus bittet Trajan, das Leben seines Sohnes zu schonen, und bietet sein eigenes. Der Kaiser begnadigt beide, entlässt sie jedoch aus dem Heer. Es folgen die vergebliche Belagerung Hatras, die Erkrankung des Kaisers und dessen Ende als Pflegefall. Ein Vertrauter des Curiatius Maternus resümiert, dass Trajan ihm, seinem Konkurrenten, beweisen wollte, dass er die Macht zu Recht besaß.

Gerd Trommer hat die Quellen und den Stand der modernen Forschung in den Roman einfließen lassen. Seine Interpretationen der Fakten bewegen sich im Rahmen der Freiheiten, die einem Romanautor offen stehen. Es gefällt mir, dass gewisse Animositäten unter Persönlichkeiten, die in der Zukunft schwerwiegende Folgen haben würden, schon zu Beginn der Handlung deutlich werden, so zwischen Attianus und den vier Konsularen oder Hadrian und dem Architekten Apollodoros.

Auch diesem Roman merkt man an, dass dem Verfasser ein tieferes Verständnis für die römische Gesellschaft fehlt. Aus Unkenntnis heraus wurden einige Konstellationen geschaffen, die es so nicht geben konnte. Ein Ritter wie Acilius Attianus heiratete keine Prostituierte; dies war ihm sogar gesetzlich verboten. Eine solche Frau konnte bestenfalls seine Geliebte sein. Der Senat kann kein Gesetz erlassen haben, das die dynastische Erbfolge verbot. Auch Trajan vererbte die Macht schließlich dynastisch. Cornelia, fiktive Schwester des Publilius Celsus, heiratete Cornelius Palma, aber ihrem Namen nach hätte sie eher Palmas Schwester sein können. Als Senatorensohn wurde Marcus Soranus nicht ohne Rang in Trajans Heer aufgenommen und er hätte auch nicht die Grundausbildung eines gewöhnlichen Legionärs durchlaufen. Ein solcher Mann wurde Tribun. Ebenso wenig dienten die Söhne des Soranus bei den Hilfstruppen, den Reitern des Lusius Quietus. Marcus Ulpius Phaedimus, Mundschenk Trajans, war, wie sein Name verrät, freigelassener Sklave des Kaisers und nicht Sohn eines Centurios.

Aber die Ungereimtheiten halten sich in Grenzen. "Wahn der Macht" ist sowohl spannend und berührend erzählt als auch guter Geschichtsunterricht. Die wesentlichen Ereignisse werden historisch korrekt widergegeben. Mein Eindruck ist, dass der Roman nicht nur von der Epoche Trajans handelt, sondern auch etwas über die Zeit erzählt, in der er verfasst wurde. Die Enttäuschung über ein politisches System, das bei allem fortschrittlichen Anstrich doch starr war und von einer machtbesessenen Zentrale gelenkt wurde, mag in der DDR nach dem Sturz Walter Ulbrichts und der Machtergreifung Erich Honeckers geherrscht haben. Auch die Politikverdrossenheit vieler Menschen und ihr Rückzug ins Private passen eher in die DDR als ins erste bzw. zweite nachchristliche Jahrhundert. All das schadet dem Roman nicht. Vielmehr ist Gegenwartsbezug ein Qualitätsmerkmal. Trotz mancher Fehler im Detail zählt "Wahn der Macht" zu den besten historischen Romanen, die ich gelesen habe. Nach dem ersten Lesen hatte ich eine Schreib- und Sinnkrise. Es gibt einen guten Trajan-Roman, dachte ich damals, was will ich denn da noch schreiben. Ich musste das Buch noch mehrmals lesen, brauchte weitere Lektüre und zeitlichen Abstand, um meine Meinung zu ändern.

Gerd Trommer: "Wahn der Macht", prisma- Verlag DDR, Leipzig 1987, ISBN 3-7354-0018-3

Donnerstag, 17. August 2017

Trajan, Syrien und die Sache mit dem Wolf

Anfang August 117, vor 1.900 Jahren, starb Kaiser Trajan, und ich bin auf weitere Meldungen in den Medien gestoßen. Der MDR widmete diesem Anlass ein "Kalenderblatt". Ich war erfreut, dies zu lesen, habe mich aber über ein, zwei Ungereimtheiten geärgert und war hin und hergerissen: soll ich etwas dazu schreiben oder besser nicht? Ich fühle mich ja selbst ein wenig streng und haarspalterisch. Vielleicht sind meine Erwartungen zu hoch. Jeder kann Fehler machen, und auch ich werde Fehler machen. Andererseits gibt es zu Kaiser Trajan eine ausführliche und zuverlässige Wikipedia-Seite. Wer sich schnell einen Überblick über diesen Herrscher und die wesentlichen Ereignisse jener Zeit verschaffen will, ist damit gut bedient.

Zum Artikel: Dass Trajan an der Echtheit des Schreibens von Nerva zweifelte, lese ich zum ersten Mal. Auch wird er nicht völlig unvorbereitet auf seine eventuelle Adoption durch den Kaiser gewesen sein. Die weitere Interpretation der antiken Überlieferung lasse ich unkommentiert. Aber: Trajan führte doch nicht in der Provinz Syrien Krieg! Jene Provinz war bereits in der römischen Republik eingerichtet worden und längst befriedet! Syrien war Ausgangspunkt für den Partherkrieg des Kaisers, die Provinzhauptstadt Antiochia wurde für diese Zeit Residenz. Trajan eroberte erst Armenien, dann Mesopotamien. Im Jahr 116 kam es zur Krise, die aber zum Zeitpunkt der Abreise des Kaisers aus Syrien weitgehend bewältigt war. Ich würde jenen Feldzug auch nicht als misslungen bezeichnen. Derartige Unternehmungen waren meist langwierig. Zwar führte Hadrian Trajans Eroberungspolitik nicht fort, aber Trajans militärische Erfolge gegen die Parther versetzten die Römer in eine gute Ausgangsposition für Verhandlungen.

Die Sache mit dem Wolf

Die abgebildete Statue stellt zweifellos Trajan dar. Der Wolf ist eher eine Wölfin, ähnlich der kapitolinischen Wölfin, der sagenhaften Urahnin Roms. Um dies zu erkennen, benötigt man allerdings einen größeren Bildausschnitt.

Zu jener Statue in Bukarest empfehle ich einen Artikel aus dem Spiegel von 2012.

Mein Mann und ich standen vor dieser Figur und waren ähnlich irritiert wie die Passanten in Bukarest. Allerdings befanden wir uns nicht in Rumänien, sondern in Spanien, in Sevilla, am Ufer des Guadalquivir. Bei einem abendlichen Spaziergang zwischen den Brücken Puente de Cachorro und Puente de Triana entdeckten wir eine Bronzeskulptur, die mir sofort "irgendwie bekannt" vorkam. Kein Wunder, denn Trajans Porträt weist alle überlieferten Merkmale auf. Ich war erstaunt über das Cassius-Dio-Zitat auf dem Sockel, das sich auf den Bau der Donaubrücke durch den Kaiser bezieht.

Mein Mann wagte eine erste Interpretation: "Er trägt einen Hund, dem ein Stück Eisen aus dem Kopf ragt." Ich sah den Sockel, dann wieder die Statue an, und schüttelte verwirrt den Kopf. Mein Mann wollte wissen, ob denn wirklich die Donau gemeint sei, denn die sei nun mal nicht in Sevilla. Ja, gewiss ist die Donaubrücke gemeint, antwortete ich, denn zum einen hat Trajan keine Brücke über den Guadalquivir, ehemals Betis bauen lassen, und außerdem kenne ich den Cassius-Dio-Text. Aber dann, sagte mein Mann, liegt hier ein Irrtum vor und die Statue steht am falschen Fluss.

Ich war an jenem Abend nicht in Stimmung für Kunstinterpretationen. Wir waren den ganzen Tag lang unterwegs gewesen und hatten Hunger. Also machten wir uns auf den Weg zum nächstbesten Restaurant. In der Nacht und an den folgenden Tagen dachte ich immer wieder über die Statue nach. Bald wurde mir klar, dass es sich nicht um einen Hund, sondern um die kapitolinische Wölfin handeln musste. Das wellenförmige Metall, das ihr aus dem Leib ragt, interpretierte ich als die Donau, die Trajan überschreitet. Da hat mich das Cassius-Dio-Zitat auf den Holzweg befördert. Der Kaiser ist nackt - als Heros? - dargestellt, ohne jegliche heroische Pose, Überlebensgröße oder Attribute eines Heros wie beispielsweise Hercules, und es sieht aus, als ob er baden geht. Auch dies trägt nicht zum Verständnis des Werkes bei.

Dass Trajan ein Zwitterwesen aus kapitolinischer Wölfin und Drachen (-fahne) trägt, das die römische Provinz Dakien symbolisiert, leuchtet mir nach Kenntnis dieser Tatsache und des Standortes im heutigen Rumänien ein. Aber was hat es mit der Statue am Guadalquivir auf sich? Ist sie ein zweites, beinahe identisches Werk oder eine Kopie der Bukarester Statue? Über Hinweise würde ich mich freuen.

Sonntag, 13. August 2017

Rezension zu "Traianus" von Hubertus Prinz zu Löwenstein

Ich kenne zwei Romane, die Kaiser Trajan und seiner Zeit gewidmet sind. "Traianus - Weltherrscher im Aufgang des Christentums" von Hubertus Prinz zu Löwenstein ist einer davon. Der Autor hat mehrere historische Romane verfasst, die im alten Rom handeln.

Bereits der erste Satz des Klappentextes im Cover enthält einen Fehler: Trajan wird als erster Nichtrömer auf dem Caesarenthron bezeichnet. Der Kaiser war Römer, wenn auch seine Familie in der Provinz beheimatet war. Historiker meinen heute, dass er höchstwahrscheinlich auch Stadtrömer von Geburt war.

Das erste Kapitel enthält den Briefwechsel des "jungen Plinius", eines Adoptivsohnes Plinius des Jüngeren, mit Kaiser Hadrian. Darin geht es um die Memoiren Trajans, die jener Plinius aufgezeichnet hat, die Wahl des Verlages und weitere Details der Veröffentlichung sowie Hadrians Anmerkungen und schließlich seine Freigabe des Textes. Fraglich ist, ob dies in solchem Umfange nötig gewesen wäre.

Im zweiten Kapitel erzählt der fiktive Gaius Plinius Calpurnius Secundus über sich selbst. Die Idee, einen Adoptivsohn des Plinius zu erschaffen und ihn als Biograph in der Nähe Trajans zu positionieren, gefällt mir gut. Jener Plinius überbrachte dem Kaiser die Nachricht vom Tod seines Vaters (Plinius des Jüngeren) an die Partherfront und blieb von da an als einer der pueri nobiles beim Herrrscher. Auch der Begriff "Edelknappen" fällt. Wenn sich die römische Oberschicht, angelehnt an griechische Gepflogenheiten, mit Knaben und jungen Männern einließ, dann keinesfalls mit Senatorensöhnen, sondern Sklaven, Freigelassenen bzw. Angehörigen unterer Schichten. Von Trajan sind derartige Neigungen überliefert, aber der Senat hätte ihm zweifelhafte Verhältnisse zu jungen nobiles übel genommen. Das Verhältnis zwischen dem jungen Plinius und dem Kaiser bleibt im Roman frei von Erotik. Hadrian kann Plinius nicht als "Sekretär" eingestellt haben. Sekretäre waren normalerweise freigelassene Sklaven, höchstens Ritter. Dass Plinius als Biograf eine Arbeit tat, die auch ein Sekretär hätte tun können, wäre ja auch ohne die Berufsbezeichnung denkbar.

Im dritten Kapitel beginnt die eigentliche Biografie - nochmals mit einem "Vorbericht". Plinius erzählt von der historisch belegten Tigrisfahrt Trajans zum Persischen Golf. Oft ist von Alexander dem Großen die Rede, den der Kaiser schätzte und als Vorbild betrachtete. Seine Pläne, bis nach Indien vorzustoßen, gibt der Imperator wegen gesundheitlicher Probleme auf. Vom vierten bis ins siebenundzwanzigste Kapitel hinein wird das Leben und Wirken Trajans unter Berücksichtigung aller bedeutsamen historischen Ereignisse jener Zeit erzählt, genauer gesagt, vom Herrscher selbst. Eingeschoben sind Dialoge zwischen Trajan und seinem Biografen, nachträgliche Bemerkungen Hadrians sowie spätere (fiktive) Ergänzungen des Geschichtsschreibers Cassius Dio. Manche Zwischenbemerkungen aus "junger Keckheit" (so nennt es Hadrian) des Plinius gefallen mir gut und lockern den Text auf.

Der Roman liest sich selbst für Kenner der Zeit, so mein Eindruck, ziemlich mühsam. Der Autor kannte die literarischen Quellen und brachte dies mit ein. Er spannt den Bogen sehr weit - zu weit, wie ich finde. Er bringt den Kaiser auch mit Ereignissen in Verbindung, an denen er vermutlich gar nicht beteiligt war. So entsteht der Eindruck, dass er schon als junger Mann in jedem Konflikt und an jedem Brennpunkt des Imperiums im Einsatz war, was aber unwahrscheinlich ist. Als er dann noch sagt: "In Rom nannte man mich den tribunus vigilum, den Feuerwehrhauptmann", grenzt das schon an unfreiwillige Komik. Die hohen Offiziere der vigiles, der paramilitärisch organisierten Feuerwehr, waren Ritter. Wer einen Senatorensohn einen tribunus vigilum nannte, machte ihm gewiss kein Kompliment.

Wenn ein Autor das Leben einer historischen Persönlichkeit wie Trajan beschreibt, hat er monumentalen Stoff zu bearbeiten. Weniger wäre bei "Traianus" mehr gewesen. Auch ist die Erzählform in Briefen und in Rückblenden an sich schon gewöhnungsbedürftig. Marguerite Yourcenar ist es in "Ich zähmte die Wölfin" gelungen, Hadrian auf poetische Weise von sich erzählen zu lassen. Hubertus Prinz zu Löwenstein hat sich, meine ich, an seinem Thema auch literarisch übernommen. Fraglich ist, ob eine reflektierende autobiografische Erzählweise zu Trajan überhaupt passen würde.

Mir fehlen Beschreibungen, Schilderungen, welche die Phantasie anregen und Nähe erzeugen. So ambitioniert der Autor auch vorging: Man merkt dem Roman an, dass Hubertus Prinz zu Löwenstein zu wenig über die römische Gesellschaft wusste. Deswegen unterliefen ihm diverse Fehler. Beispielsweise gab es keine "Legionsschulen" für die Kinder. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Ulpia Marciana ihrem Bruder, dem späteren Kaiser, Lesen und Schreiben beibrachte. Der Sohn eines Senators wurde von Privatlehrern unterrichtet. Wenn Trajan sagt, seine Familie sei nicht reich gewesen, so entspricht das nicht den Tatsachen. Auch hat der ältere Trajan seinen Sohn nicht als Fahnenträger in die Legion aufgenommen, sondern, wie für einen Senatorensohn üblich, als Tribun. In Selinus in Kleinasien war keine Legion stationiert, und selbst wenn es dort ein Legionslazarett gegeben hätte, würde der Kaiser sich kaum zur Behandlung dorthinein begeben: Er und seine Familie wurden selbstverständlich von Ärzten begleitet. Man kann sich ein Legionslazarett auch nicht wie ein modernes Sanatorium vorstellen.

Als der Roman verfasst wurde, gab es noch nicht die Möglichkeit der schnellen Recherche im Internet. Aber ein Nachschlagewerk wie das in der DDR erhältliche "Lexikon der Antike" hätte in vielen Fällen für Klarheit gesorgt. Da sich der Autor von Altertumswissenschaftlern beraten ließ und sehr belesen war, finde ich es schade, dass es zu diesen Fehlern kam, von denen ein Großteil zu vermeiden gewesen wäre.

Mit der historischen Glaubwürdigkeit verschiedener Aussagen im Buch möchte ich mich nicht auseinander setzen, da ein Romanautor mehr Freiheiten in der Interpretation der Fakten hat als ein Historiker. Aber mit der Sympathie für die Christen, die der junge Plinius und auch der Herrscher selbst äußern, kann ich mich nicht anfreunden. Wenn Trajan feststellt, dass die Christen - im Unterschied zu den Juden - keine Feinde des römischen Imperiums seien, steht dies im Gegensatz zu seiner Politik.

Die Christen waren eine Bedrohung für die damalige Ordnung. Die alten Römer waren integrativ und tolerant, aber es gab ein paar Grundregeln, die eingehalten werden mussten. Dazu gehörten die formale Anerkennung der Staatsgötter, die damit verbundenen kultischen Handlungen und im Besonderen der Kaiserkult. Dies war nicht nur eine Forderung, sondern auch eine Chance. Der Kaiserkult war verbindendes religiöses Element für alle Bewohner des Imperiums, ein Herzstück der Romanisierung. Fremde Gottheiten waren den Römern willkommen: neben Jupiter und Mars wurden auch Isis, Mithras und Kybele verehrt. Aber bei aller Vielfalt musste es auch Verbindendes geben. Wenn Christen diesen Pflichten nicht nachkamen, wurden sie zum Tode verurteilt. Für eine andere Verfahrensweise oder gar Anerkennung ihres Glaubens war die Zeit unter Trajan noch nicht reif.

Neben dem Wunsch, den Kaiser in die Nähe zum Christentum zu rücken, hatte der Autor auch folgendes Motiv, mit dem er das Vorwort beschließt: "Ich wäre glücklich, wenn ich durch dieses Werk zum Ruhme des Mannes beitragen könnte, den der Name "Optimus" vor allen anderen Herrschern der Weltgeschichte auszeichnet und dessen Beispiel wahrer Herrschertugend heute nötiger ist denn je." Dies schrieb Hubertus Prinz zu Löwenstein nicht etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern 1981. Solche Ambitionen sind schlicht nicht zeitgemäß und politisch fragwürdig. Das wundert mich, da der Autor sowohl gebildet als auch gesellschaftlich aktiv war, umso mehr.

Literatur:

Hubertus Prinz zu Löwenstein: Traianus, Weltherrscher im Aufgang des Christentums, Langen Müller, München-Wien 1981, ISBN 3-7844-1905-4

Sonntag, 6. August 2017

Konkurrenten und Verschwörer (2)

Im Jahre 118, nur wenige Monate nach Herrschaftsantritt Hadrians, kam es zum sogenannten Attentat der Konsulare, in Folge dessen vier mächtige Männer vom Senat zum Tode verurteilt wurden. Für die Hinrichtungen war der Gardepräfekt Attianus zuständig; die Verantwortung dafür lag aber bei Hadrian.

Jene Personen, die beseitigt wurden, waren Cornelius Palma, Publilius Celsus, Avidius Nigrinus und Lusius Quietus. Über Celsus und Nigrinus ist nur wenig bekannt; ich wende mich daher Palma und Quietus zu.

Aulus Cornelius Palma Frontonianus war ordentlicher Konsul des Jahres 99, zusammen mit Sosius Senecio. Beide waren enge Vertraute Trajans. Die ersten Konsuln des neuen Kaisers waren jene Männer, die ihm zur Herrschaft verholfen hatten. Palma muss sich auf besondere Weise verdient gemacht haben, so dass er umgehend mit dem höchsten Amt des Reiches belohnt wurde.

Im Jahre 106 begann der zweite Dakerkrieg, mit dem ein großer Teil der römischen Armeeführung und Truppen gebunden waren. Zu jener Zeit wurde das peträische Arabien in eine Provinz umgewandelt. Kommandant dieses Unternehmens war der damalige Statthalter von Syria, Cornelius Palma. Es sei an dieser Stelle betont, dass sein Amt in Syrien eine Vertrauensstellung war. Die militärischen Schwerpunkte des Imperiums waren die Rhein-Donau-Grenze sowie die Grenze zum Partherreich im Osten. An beiden Fronten standen Legionen und Hilfstruppen, um notfalls sofort handeln zu können. Und nicht zufällig wurde die Herrschaft in Rom wiederholt am Rhein bzw. im Orient entschieden. Auch im Jahre 97 standen die Protagonisten im Kampf um die Macht an eben diesen Brennpunkten (siehe Beitrag unten "Konkurrenten und Verschwörer (1)").

Cornelius Palma annektierte Arabia mit Abteilungen seiner Legionen aus Syria und der Nachbarprovinz Iudaea. Ob Trajan dies längerfristig geplant hatte oder auf eine Krise reagierte, ist umstritten. Fakt ist, dass es Unruhen und Thronstreitigkeiten im Vasallenstaat gab und der Kaiser den Entschluss fasste, das Gebiet in eine römische Provinz umzuwandeln. Für die erfolgreiche Aktion wurde Palma mit den Triumphalabzeichen und einer Statue sowie einem zweiten ordentlichen Konsulat geehrt, das er 109 antrat.

In der Historia Augusta wird erwähnt, dass Palma und Celsus, ständige Widersacher Hadrians, wegen hochverräterischer Absichten auf den Thron verdächtig wurden. Ob dies vor dem Partherkrieg geschah, während des Feldzuges oder in der Zeit, als Trajan erkrankt war und die Regelung der Nachfolge drängte, ist unklar.

Lusius Quietus zählt zu den schillerndsten Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Er war maurischer Stammesfürst, römischer Bürger und von Domitian in den Ritterstand erhoben worden. Quietus führte eine Hilfstruppen-Reiterabteilung im Dienste Roms und war eventuell schon in den Donaukriegen Domitians im Einsatz. Dann wurde er wegen eines Vergehens entlassen. Während der Vorbereitungen Trajans für den ersten Dakerkrieg muss er seine Dienste angeboten haben und erhielt eine neue Chance.

Im Gebirgskrieg um die dakischen Festungen trug er entscheidend zum römischen Erfolg bei. Noch verdienter machte er sich im Partherkrieg, als er im Jahre 116 den Widerstand in Mesopotamien unterdrückte, von den Parthern besetzte Städte zurückeroberte und schließlich Aufstände in Iudaea niederschlug. Für jene Verdienste in einer für das Imperium kritischen Situation belohnte der Kaiser seinen Feldherrn mit der Aufnahme in den Senat. Für das Jahr 117 wurde er zum Konsul ernannt, trotz seiner "barbarischen" Herkunft und ohne die reguläre Ämterlaufbahn absolviert zu haben. Eine Chance, selbst Kaiser zu werden, hatte Lusius Quietus nicht, aber er hätte die Stütze eines Konkurrenten Hadrians sein können. Ob es sich bei der Krise Anfang 118 um eine organisierte Verschwörung handelte oder ob der Kaiser und sein Gardepräfekt vorbeugend ein paar unversöhnliche Gegner ausschalteten, wissen wir nicht.

Die Verdienste jener Männer für Rom, aber auch ihre Vergehen sind unvollständig überliefert, was mit ihrer Ächtung nach der Verurteilung zusammenhängt. Die Berberreiter des Quietus sind auf der Trajanssäule dargestellt; ihr Kommandant war damals jedoch kein Stabsoffizier und ist sicher nicht unter den engen Beratern des Kaisers abgebildet. Es gibt somit kein Porträt von ihm, genauso wenig von den anderen Verschwörern. Schade eigentlich.

Literatur:

Anton v. Premerstein: Das Attentat der Konsulare auf Hadrian, Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1908

Karl Strobel: Untersuchungen zu den Dakerkriegen Trajans, Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn 1984, ISBN 3-77-49-2021-4

Historia Augusta, Band 1, Hadrianus: Artemis Verlag Zürich und München, 1976, ISBN 3 7608 3568 6

Donnerstag, 3. August 2017

Vor 1.900 Jahren starb Kaiser Trajan

Ich gebe es zu: an dieses runde Todesjahr des Kaisers habe ich nicht gedacht. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass es doch Meldungen in den Medien gibt. Ein schöner Artikel ist im österreichischen "Standard" erschienen. Mir gefällt der Hinweis darauf, dass es zu den Ereignissen in Selinus unterschiedliche Interpretationen gibt. "Die Presse" hingegen malt Plotinas vermeintliche Ränke beim Ableben ihres Gatten entsprechend der antiker Überlieferung aus, die jedoch mit Vorsicht zu genießen ist. Leser dieses Blogs werden wissen, dass der "gewisse Attianus" mit dem praefectus praetorio Acilius Attianus identisch ist. Dass der Kommandant der Garde beim Tod des Kaisers zugegen war, ist nicht ungewöhnlich, zumal Attianus ein langjähriger Vertrauter Trajans und Hadrians war. Im Beitrag über Trajan und Hadrian bin ich auch auf jene Tage im August 117 eingegangen. Der genaue Todestag des "Optimus Princeps" ist uns leider nicht bekannt.