Sonntag, 27. Juni 2021

Claudius und Agrippina

Das bedeutendste außenpolitische Ereignis während der Regierung des Claudius war die Eroberung Britanniens. Der Kaiser unterstützte seinen Feldherrn Aulus Plautius und kam selbst auf die Insel, hielt sich aber nur 16 Tage dort auf und feierte danach einen Triumph. Es sollten sechs Jahre vergehen, bis die römische Provinz eingerichtet war. Den Siegernamen Britannicus nahm Claudius nicht an, sondern ließ ihn seinem Sohn übertragen, der noch ein Kind war.

Die Heirat mit Agrippina der Jüngeren war ein kluger politischer Schachzug, von dem beide profitieren. Agrippina, die Schwester des Caligula, war Urenkelin des Kaisers Augustus. Claudius stärkte durch diese Ehe seine Position. Nero, der Sohn der Agrippina, war elf Jahre alt und somit ein Nachfolgekandidat. Agrippinas Ziel war es von vornherein, ihren Sohn an die Macht zu bringen. Doch es war gesetzlich untersagt, dass Onkel und Nichte heirateten. Kein wirkliches Problem für einen Herrscher: es wurde einfach ein neues Gesetz beschlossen, das solche Ehen gestattete.

Agrippina wurde mit Ehrungen und Rechten bedacht wie keine Kaisergattin zuvor. Sie erhielt den Titel Augusta und ihr Porträt erschien auf Münzen. Agrippina sorgte dafür, dass Seneca begnadigt wurde und von Korsika nach Rom zurückkehren konnte, wo er Neros Lehrer wurde. Bereits im Jahr 50, zwei Jahre nach Messalinas Hinrichtung, wurde Nero von Claudius adoptiert. Drei Jahre später wurde er mit Octavia, der Tochter des Kaisers, verheiratet. Das war ein deutliches Signal für die Fortführung der Dynastie, das Claudius auch vor Usurpationsversuchen schützen sollte.

Man fragt sich, ob Claudius nicht seinen leiblichen Sohn Britannicus bevorzugte und ihn als seinen wahren Nachfolger betrachtete. Es gingen Gerüchte, wonach der Kaiser die Ehe mit Agrippina bereute und beide sollen auch heftig gestritten haben. Man kann sich vorstellen, dass eine ehrgeizige Frau wie Agrippina mit allen Mitteln versuchte, Claudius für sich und ihre Pläne einzunehmen. Wenn eine solche Frau aber auf Widerstand stieß – was würde sie wohl tun? Würde sie eine Zurücksetzung ihres Sohnes gegenüber Britannicus nicht mit aller Macht verhindern?

Demnach ergeben sich zwei Möglichkeiten: entweder wünschte auch Claudius Nero zum alleinigen Nachfolger und er starb eines natürlichen Todes. Oder aber, Agrippina konnte sich nicht dauerhaft durchsetzen, und Claudius wurde vergiftet, wie es die Überlieferung berichtet. Er soll an einer Pilzvergiftung gestorben sein. Möglicherweise hat Agrippina dafür gesorgt, dass ein giftiger Pilz ins Essen geriet. Claudius hatte Magenprobleme. Daran kann aber auch ein Infekt schuld gewesen sein. Es gibt Vermutungen, dass Claudius sich bei einem Streit mit Agrippina sehr aufregte und daraufhin einen Herzinfarkt erlitt.

Starb ein Herrscher plötzlich, entstanden immer Gerüchte, dass jemand nachgeholfen hatte. Und gerne wurden Frauen verdächtigt, die generell als hinterlistig und intrigant galten. Damals gab es keine gerichtsmedizinischen Untersuchungen, die für Aufklärung gesorgt hätten. Der Vorwurf des Giftmordes war schnell ausgesprochen: man denke nur an den Tod des Germanicus zurück und die Anschuldigungen der älteren Agrippina gegen Livia und Tiberius.

Agrippina die Jüngere war eine machtbewusste, starke Frau und daher besonders verdächtig, bis zum Äußersten zu gehen, um ihre Interessen durchzusetzen. Ich würde ihr den Mord an Claudius durchaus zutrauen, bin aber dennoch skeptisch. Nero war damals siebzehn Jahre alt und zu jung, um zu regieren. Dass Agrippina Claudius planmäßig umbringen ließ, halte ich für unwahrscheinlich. Ein Mordanschlag in Folge einer Eskalation wäre denkbar.

Nero und der Senat beschlossen die Vergöttlichung des Claudius. Der junge Kaiser hielt die Trauerrede, die Seneca verfasst hatte. Seine wahre Meinung über Claudius veranlasste Seneca, bald darauf die Apokolokyntosis zu verfassen, eine treffende wie boshafte Satire.

Literatur:

Ute Schall: "Claudius. Der unterschätzte Kaiser und seine Zeit", ibidem-Verlag, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-8382 1432-0

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen