Samstag, 19. Juni 2021

Claudius und Messalina

Als Claudius im Januar 41 römischer Kaiser wurde, war er schon fünfzig Jahre alt. Er, der keine Ämter im Staatsdienst bekleidet hatte, gelangte unerwartet an die Spitze des Imperiums. Mit ihm erweiterte sich das „Repertoire“ der Caesaren: Ein begnadeter Schauspieler, ein schwermütiger Einsiedler, ein Größenwahnsinniger und nun einer, der als schwachsinnig galt – kein Wunder, dass es Bedenken gegenüber Claudius gab. Aber die Garde hatte entschieden, und vielleicht hatten die Mörder Caligulas schon an Claudius als Nachfolger gedacht.

Eine der ersten Amtshandlungen des Claudius war eine Amnestie, wovon nur diejenigen ausgenommen wurden, die am Mordanschlag auf Caligula direkt beteiligt gewesen waren. Claudius erhielt alle üblichen Rechte und Vollmachten eines Princeps. Und ihm lag viel daran, an seine berühmten Vorfahren in der Dynastie anzuknüpfen. Er übernahm die Namen „Caesar“ und „Augustus“ in seine Titulatur, den Beinamen Germanicus, den er von seinem Vater Drusus hatte, behielt er. Oft nannte er sich auch „filius Drusi“, um an seinen Vater zu erinnern, den Bruder des Tiberius. Und er ließ Livia, die Gattin des Augustus, unter die Staatsgötter erheben. Claudius verhinderte, dass der Senat die damnatio memoriae über Caligula verhängen konnte, aber er gestattete es, dass dessen Bildnisse beseitigt wurden.

Die Garde erhielt von ihm ein großzügiges Geldgeschenk als Lohn für ihre Loyalität.

Auch gegenüber dem Senat verhielt sich Claudius entgegenkommend. Er schaffte die Majestätsprozesse ab und wertete das Hohe Haus durch Gesten der Bescheidenheit auf. Er ernannte zahlreiche Nachfolgekonsuln und verlieh vielen Senatoren die Triumphalabzeichen. Gleichzeitig ersetzte er Senatoren, die er ausschließen musste (in der Regel aus finanziellen Gründen) durch neue Männer aus den Provinzen. Wahrscheinlich wurde der Vater Kaiser Trajans unter ihm Senator.

Dennoch blieb das Verhältnis zwischen Claudius und dem Senat immer gespannt. Der Kaiser ging nur unter Bewachung in die Curie und stützte sich bei der Verwaltung des Reiches verstärkt auf seine Freigelassenen und auf Ritter. Als er seinem Freigelassenen Pallas Ehrungen verlieh, die bisher nur Senatoren zustanden, machte er sich Feinde in der Oberschicht. Da Claudius selbst nicht die Ämterlaufbahn absolviert hatte, war er mehr als andere Herrscher auf gute Berater angewiesen. Dass er keine Senatoren bevorzugte, wurde ihm übel genommen. Es kam immer wieder zu Usurpationsversuchen und Verschwörungen, die zahlreiche Todesurteile zur Folge hatten. Während der Regierung des Claudius wurden 35 Senatoren und 300 Ritter hingerichtet. Darauf spielt Seneca in seiner „Apokolokyntosis“ an. Dennoch berichtet die Überlieferung, dass Claudius ein verantwortungsvoller Verwalter war. Er muss seine Sache nicht allzu schlecht gemacht haben, aber seine Bewertung in den antiken Quellen ist widersprüchlich.

Als Gelehrter war Claudius sehr an der Rechtsprechung interessiert und war oft als Richter tätig. Dabei fällte er mitunter auch Urteile, die nicht jeder nachvollziehen konnte. In anderen Fällen erwies er sich aber als klug und umsichtig.

Claudius war seit 38/39 mit Valeria Messalina verheiratet. Jene Frau, die in der Überlieferung eine „Hure auf dem Thron“ genannt wurde, war von vornehmer Herkunft – ihre Eltern waren Enkel von Octavia, der Schwester des Kaisers Augustus. Sie übte einigen Einfluss aus. Claudius war bestimmt sehr angetan von seiner attraktiven Gattin. Er liebte die Frauen und die Quellen betonen, dass er sich weder zu Männern, noch zu Knaben hingezogen fühlte – darin war er wohl eine Ausnahme unter den Kaisern. Messalina gebar Claudius zwei Kinder: eine Tochter Claudia Octavia und einen Sohn Tiberius Claudius Germanicus, bekannt als Britannicus. Nach der Geburt des Sohnes wollte der Senat ihr den Augusta-Titel verleihen, doch Claudius lehnte dies ab.

Zu den ersten Verfügungen des Kaisers gehörte auch die Aufhebung der Verbannung seiner beiden Nichten Livilla und Agrippina, der Schwestern des Caligula. Während sich Agrippina klug zurückhielt, war Livilla wahrscheinlich unvorsichtig. Vielleicht erwies sie Messalina nicht genügend Anerkennung. Die Kaiserin soll wegen ihrer Schönheit und Vertrautheit mit Claudius eifersüchtig geworden sein, und Livilla musste erneut in die Verbannung. Dort wurde sie bald getötet. Mitangeklagter war Seneca. Messalina hatte seinen Tod gefordert, doch Claudius milderte das Urteil ab und Seneca ging ins Exil nach Korsika. Claudius war seiner Gattin nicht ganz so hörig, wie es die Überlieferung darstellt.

Messalina übte ihren Einfluss in Einvernehmen mit den mächtigen Freigelassenen des Kaisers aus. Sie setzte sich für ihre vielen Günstlinge im Zusammenhang von Bürgerrechtsverleihungen und Kandidaturen für Ämter ein und versicherte sich somit der Unterstützung zahlreicher Klienten und Freunde. Doch ihre politischen Ambitionen hielten sich in Grenzen. Ihre Nachfolgerin sollte sie darin weit übertreffen.

Die Kaiserin sorgte für die Verurteilung des Senators Silanus, der ihr im Weg war. Es genügte, zu behaupten, sie hätte davon geträumt, er wollte Claudius ermorden, und als der Freigelassene Narcissus aussagte, das Gleiche geträumt zu haben, wurde Silanus hingerichtet. Sie soll auch für den Tod von Julia, der Enkelin des Kaisers Tiberius, verantwortlich gewesen sein. Zahlreiche Intrigen Messalinas führten zu Todesurteilen gegen Senatoren. Mal lockte Messalina der Reichtum, mal war derjenige unbequem oder ein abgewiesener Liebhaber.

Im Jahr 48 n.Chr. kam es zum Sturz der Kaiserin. Die Ereignisse sind etwas undurchsichtig. Gaius Silius, der damals als schönster Mann Roms galt, war ihr Günstling. Durch Messalinas Einfluss wurde er Konsul. Doch ihr Interesse für ihn war nicht nur politischer Art. Er verfiel ihr und ließ sich von seiner Frau scheiden. Messalina überhäufte ihn mit Geschenken und Ehrungen und überschritt damit das rechte Maß. Es ist möglich, dass sie in Ungnade fiel und Claudius sich von ihr scheiden ließ. Anders ist das, was folgte, kaum zu erklären: Als der Kaiser wegen religiöser Verpflichtungen nach Ostia abgereist war, heiratete Messalina Silius. Es ist möglich, dass es sich lediglich um eine eheähnliche Zeremonie innerhalb einer Party handelte. Manche Historiker vermuten, dass Messalina fürchtete, von Agrippina und deren Sohn Nero verdrängt zu werden.

Die Freigelassenen waren unschlüssig, wen sie unterstützen sollten. Claudius war Kaiser, doch sie befürchteten, er könnte Messalina verzeihen, wenn sie sich gegen sie wendeten. Sie war ja bekannt dafür, ihn um den Finger wickeln zu können. Schließlich wagte es der mächtige Narcissus, den Kaiser zu informieren. Und Claudius hatte mehr Angst um seine Macht als um den Verlust seiner Gattin. Die folgenden Ereignisse lassen nur einen Schluss zu: Alle Beteiligten waren verstrickt und niemand wusste mehr, wem er oder sie noch trauen konnte.

Als der Kaiser nach Rom zurückkehrte, um Messalina zu bestrafen, musste Narcissus all sein Können aufbieten, damit sie Claudius nicht noch umstimmte. Der Minister sorgte dafür, dass ihre Verbündeten und ihre Kinder kein Gehör fanden. Messalina hatte versucht, dem Kaiser entgegen zu eilen. Sie soll durch die ganze Stadt unterwegs gewesen sein – vergebens. Narcissus führte den Claudius ins Prätorianerlager. Der Princeps erinnerte sich vielleicht an jene Nacht, als er dort Schutz gefunden hatte, nachdem Caligula ermordet worden war und der Senat ihn zum Staatsfeind erklärt hatte. Dort fasste sich der Kaiser, schilderte die Lage und die Soldaten forderten die sofortige Bestrafung der Schuldigen. Claudius selbst verurteilte Silius. Jener versuchte nicht, sich zu verteidigen, sondern wünschte nur einen schnellen Tod.

Messalina hoffte noch immer, Claudius umzustimmen. Als der Kaiser in den Palast zurückgekehrt war und gegessen hatte, war er versöhnlich gestimmt und wollte ihr am nächsten Morgen Gelegenheit zur Rechtfertigung geben. Doch Narcissus handelte: er übermittelte den Prätorianern das angeblich von Claudius stammenden Todesurteil. Messalina gelang es nicht, sich selbst zu erstechen. Ein Tribun wurde zum Vollstrecker. Als Claudius die Nachricht vom Tod Messalinas überbracht wurde, wollte er keine Details mehr wissen und setzte sein Trinkgelage fort.

Über Messalina wurde die damnatio memoriae verhängt. Claudius schwor, nicht wieder zu heiraten. Doch von seinen Beratern unterstützt, entschied er sich bald anders.

Literatur:

Ute Schall: "Claudius. Der unterschätzte Kaiser und seine Zeit", ibidem-Verlag, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-8382 1432-0

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