Samstag, 12. Juni 2021

Claudius - Jahre im Hintergrund

Er hieß mit vollständigem Namen Tiberius Claudius Nero Germanicus und wurde am 1. August des Jahres 10 v. Chr. In Lugdunum (Lyon) geboren. Sein Vater war Drusus, der ältere Bruder des Tiberius und Sohn der Livia Drusilla, seine Mutter war Antonia, Tochter des Marcus Antonius und der Octavia, Schwester des Kaisers Augustus. Claudius war der jüngere Bruder des beliebten Germanicus. Während Germanicus geradezu prädestiniert war für öffentliche Auftritte, traf das auf Claudius nicht zu. Er war leicht körperbehindert, ohne dass die Ursache bekannt ist.

In einer Epoche, in der Krankheiten als Strafe der Götter galten und behinderte Kinder sogar getötet oder ausgesetzt wurden, war es ein Wunder, das Claudius innerhalb seiner Familie verblieb. Er hatte mitunter Schwierigkeiten, seine Mimik zu kontrollieren, wackelte unkontrolliert mit dem Kopf und stotterte. Wenn er zornig wurde, verstärkten sich seine Symptome, er zitterte und zuckte noch mehr, sein Mund schäumte, und seine Nase lief. Außerdem hatte er Schwierigkeiten beim Gehen. Die Quellen berichten, dass er ein harmonisches Gesicht und einen schlanken Körper hatte und sogar würdevoll aussah, wenn er sich nicht bewegte oder wenn er schlief. Man ahnt es schon: ein Leben an der Spitze des Staates kam unter diesen Voraussetzungen eher nicht in Frage. Doch wir wissen, wie es ausging: im Jahr 41 n.Chr. wurde Claudius römischer Kaiser. Er sagte, er hätte seine Gebrechen früher übertrieben, um damit sein Leben zu schützen: er spielte den Narren. Und wirklich sollen sich seine Symptome gebessert haben, als er Herrscher wurde.

Seine geistigen Fähigkeiten waren nicht beeinträchtigt. Er bekam die Geringschätzung seiner Umgebung genau mit. Seine Mutter Antonia verabscheute ihn und nannte ihn ein Ungeheuer. Zeitweise schob sie ihn an Livia ab, die ihm aber auch keine echte Zuwendung schenkte, sondern nur schriftlich mit ihm Kontakt hielt. Der Junge und später junge Mann wurde möglichst wenig in der Öffentlichkeit gezeigt. Claudius nutzte die Zurückgezogenheit für umfangreiche Geschichtsstudien und literarische Projekte. Der Geschichtsschreiber Titus Livius war sein Lehrer und sein philosophischer Lehrmeister Kanantites zeigte sich sogar begeistert von den rhetorischen Fähigkeiten des Claudius. Kein Wunder, dass der junge Mann seinen Lehrer nachahmte und ein Geschichtswerk über die Bürgerkriege schrieb. Das Thema war aber noch zu brisant. Livia und Antonia brachten ihn davon ab, das Werk zu veröffentlichen.

Als Augustus 14 n.Chr. starb, war Claudius 23 Jahre alt. Er bat Tiberius, doch in die Ämterlaufbahn eintreten zu dürfen. Der Kaiser, der seinen Neffen für schwachsinnig hielt, verweigerte ihm dies, verlieh ihm allerdings konsularische Ehren und fügte ein Geldgeschenk hinzu. Der Senat wollte beschließen, dass Claudius mit den Konsularen zusammen abstimmen durfte, aber auch das verhinderte Tiberius. Da er sich keine Hoffnungen auf politische Ämter machen durfte, lebte Claudius meistens auf seinen Gütern in Rom und in Kampanien.

Die Reaktion des Senats zeigt jedoch, dass Claudius durchaus einen gewissen Respekt in der Öffentlichkeit genoss und als Mitglied der Herrscherfamilie wahrgenommen wurde. Die Ritter wählten ihn mehrmals als ihren Repräsentanten aus.

Natürlich wurde Claudius früh verlobt, wie es Sitte war in Rom, und trotz seiner Behinderungen gab es Kandidatinnen, denn schließlich war es eine große Ehre, in die Herrscherfamilie einzuheiraten. Die erste Braut starb kurz vor der Hochzeit. Eine gewisse Aelia Paetina verstieß Claudius, weil sie angeblich die Ehre des Augustus beschädigt hatte. Auch von Plautia Urgulanilla, deren Mutter eine enge Vertraute Livias war, ließ er sich scheiden. Grund war, so heißt es, ihr loser Lebenswandel. Länger dauerte seine Ehe mit Valeria Messalina, die nicht nur attraktiv war, sondern auch aus vornehmer Familie stammte. Er war schon mit ihr verheiratet, ehe er Kaiser wurde. Claudius liebte schöne Frauen. Die Skandale, die Messalina angedichtet wurden, sind aus heutiger Sicht überzogen, aber dass ihre sexuellen Bedürfnisse zu politischen Entscheidungen führten, ist schon auffällig genug und dies mag der Nährboden für manche Gerüchte gewesen sein.

Claudius ist als Persönlichkeit schwer zu bewerten. Er galt als schwach und manipulierbar, einerseits als zu vertrauensselig, andererseits aber als grausam. Wahrscheinlich war er überdurchschnittlich intelligent. Er verfasste Bücher über die Geschichte der Karthager und Etrusker, über das Leben des Augustus (worüber Livia sicher nicht begeistert war) und er schrieb auch eine Autobiografie, die Sueton als stilvoll bezeichnete. Claudius interessierte sich sehr für das Recht und die Gerichtstätigkeit. Dies fällt dann schon in die Zeit, als er Kaiser war. Und er fügte dem Alphabet drei neue Buchstaben hinzu, die zwar zu seiner Zeit benutzt wurden, sich aber nicht längerfristig durchsetzten.

Als sein Neffe Caligula Kaiser war, hatte Claudius so manche Demütigung zu ertragen. Der Kaiser zwang ihn zu Ausgaben, die er kaum aufbringen konnte, und er verspottete ihn öffentlich. Claudius griff zu den bewährten Tricks, um sich zu schützen. Er überlebte Caligula. Es ist möglich, dass er in die Verschwörung involviert war, in deren Folge der junge Kaiser ermordet wurde. Bei einigen Senatoren war er schon vorher als Nachfolger im Gespräch gewesen. Doch es gab auch einflussreiche Stimmen, die wieder zur Republik zurückkehren wollte. Claudius fürchtete nach der Ermordung Caligulas selbst um sein Leben und floh in den Palast, wo er sich hinter einem Vorhang versteckte. Doch einer der Prätorianer entdeckte ihn dort, zog ihn hervor und die Garde stellte ihn unter ihren Schutz. Die Nacht nach Caligulas Tod verbrachte Claudius im Prätorianerkastell. Als sich der Senat dem Votum der Garde anschloss, wurde Claudius in den Palast geführt. Natürlich zeigte er sich erkenntlich und belohnte die Prätorianer großzügig für ihre Treue. Den Senatoren gegenüber sollte er immer misstrauisch bleiben.

Literatur:

Ute Schall: "Claudius. Der unterschätzte Kaiser und seine Zeit", ibidem-Verlag, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-8382 1432-0

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