Samstag, 16. Januar 2021

Wie hätte Kaiser Trajan in einer Pandemie reagiert?

Normalerweise finde ich solche Gedankenexperimente eher müßig. Aber die aktuelle Lage drängt mir diese Frage auf. Ich beschäftige mich seit langem mit einem Monarchen, der als musterhafter Regent in die Geschichte eingegangen bin. Und immer wieder komme ich an den Punkt, zu überlegen: was hat er richtig gut gemacht, was andere weniger gut gemacht haben?

Katastrophen gab es zahlreich in der Antike: Seuchen, Missernten, Hungersnöte, Überschwemmungen, Erdbeben und Vulkanausbrüche. Sogar ein Vulkanausbruch in Alaska soll, einer Theorie zufolge, die Antike beeinflusst haben.

Kaiser Trajan war bestrebt, Probleme nachhaltig zu lösen. Wenn er Projekte in Angriff nahm, dann tat er es nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung von Möglichkeiten, Ressourcen und Auswirkungen. Dafür standen ihm Experten zur Verfügung, die er zu Rate zog. Er ließ Sümpfe trockenlegen, Kanäle bauen, verbesserte die Infrastruktur und sorgte für eine möglichst gute Versorgung der Bevölkerung.

Die Medizin der Antike wirkt auf uns heute rückständig. Aber es gab bereits spezialisierte Ärzte mit einem erstaunlichen Fachwissen. Und die Hygienestandards waren damals sehr hoch. Militärlazarette waren richtige Krankenhäuser mit entsprechenden Räumlichkeiten und geschultem Personal. Dies war ein entscheidender Vorteil der antiken Gesellschaft: Arbeitskräfte standen in ausreichendem Maße zur Verfügung. Das trifft natürlich auch auf medizinisches Personal zu, das bei weitem nicht so gründlich ausgebildet war wie heute, aber dennoch auf einem für die damalige Zeit hohem Niveau arbeitete. Die Römer leisteten sich die Infrastruktur und die medizinische Versorgung, die benötigt wurde, und zwar mit Reserven. Aus Kostengründen auf Reserven zu verzichten, ist ein schwerwiegender Fehler der Neuzeit und der Marktwirtschaft, ein typischer Fall von Sparen an der falschen Stelle, der der Pandemie erst Türen und Tore geöffnet hat. Bisher habe ich noch nicht den Eindruck, dass trotz anhaltender Krise irgendein Lerneffekt zu verzeichnen ist.

In der Antike wurde der Eid des Hippokrates noch ernst genommen. Ärzte fühlten sich verpflichtet, zu helfen und Leid zu lindern. Die Entlohnung erfolgte „einkommensabhängig“: arme Leute mussten wenig oder gar nichts bezahlen, man zahlte eben, was man konnte. Vermögende Römer leisteten sich die besten Ärzte der damaligen zivilisierten Welt, die meist aus dem griechisch sprachigen Osten des Imperiums kamen. Trajans Leibarzt Crito stammte aus Karien in der heutigen Türkei.

Marcus Aurelius hat den Leibarzt Galenos bei der Bekämpfung einer Pandemie, der Antoninischen Pest, eingesetzt. Ebenso werden die Leibärzte des kaiserlichen Hofes und alle verfügbaren Militärärzte beim Erdbeben in Antiochia 115/116 im Einsatz gewesen sein. Die Katastrophe ereignete sich, während Trajan in der Stadt war.

Kaiser Trajan hätte bei einer Katastrophe Präsenz gezeigt, so wie in seinen Feldzügen, die Ausdruck außenpolitischer Krisen waren. Er war ein Herrscher mit ausgeprägten moralischen Werten und mit einem hohen Anspruch an sich selbst. Er pflegte Vorbild zu sein, wenn Vorbildwirkung nötig war. Er hätte übereilte Entscheidungen oder gar panische Handlungen vermieden und stattdessen Festigkeit und Beständigkeit ausgestrahlt. Er hätte sich auch bei ernster Gefahr nicht aus Angst zu Kurzschlusshandlungen verleiten lassen. Er hätte den Menschen Mut gemacht, statt sie einzuschüchtern, aus der fatalen Annahme heraus, dass sie sich so leichter lenken ließen. Menschen möchten vertrauen, aber sie möchten ihrerseits auch Vertrauen spüren.

Darüber hinaus wäre er bemüht gewesen, die Akzeptanz vieler Menschen zu erzielen. Sein Bestreben war es immer, ein Landesvater für alle Schichten der Bevölkerung zu sein. Und, ehe ich es vergesse: Es geht um einen römischen Kaiser, um einen beinahe absoluten Monarchen, der nicht nur ziviles und militärisches, sondern auch religiöses Oberhaupt eines antiken Weltreiches war. Trajan hätte allen bedeutenden Gottheiten Opfer dargebracht und sie um Beistand gebeten. Er hätte viele religiöse Zeremonien in der Öffentlichkeit selbst durchgeführt oder geleitet. Von dieser seiner Aufgabe und Rolle im römischen Staat wird mein nächster Text handeln.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen