Samstag, 30. Januar 2021

Kaiser Trajan als Pontifex Maximus

Die alten Römer bezeichneten sich selbst als sehr fromm. Religion im öffentlichen Raum bedeutete die Ausübung der Kulte der Hauptgottheiten, Opferzeremonien, um die Götter gnädig zu stimmen, sowie die Deutung von göttlichen Vorzeichen und die Weissagung. Es gab verschiedene Priesterkollegien und Einzelpriester. Die religiöse Oberaufsicht hatte das Kollegium der pontifices und deren Oberhaupt, der pontifex maximus. Die Päpste waren und sind nicht nur Nachfolger des Petrus, des ersten Bischofs von Rom; ihr Titel knüpft auch an den Oberpriester im antiken Rom an.

In der Zeit der Könige war der König auch oberster Verantwortlicher für die religiösen Kulte. In der römischen Republik entstand die Notwendigkeit eines religiösen Oberhauptes, das kein Staatsoberhaupt war, dessen Stellung jedoch mit beachtlichem Prestige verbunden war. Die pontifices wurden vom Volk gewählt. "Pontifex" bedeutet eigentlich Brückenbauer. Es ist unklar, ob die Priester tatsächlich eine Zeitlang die Aufsicht über die Brücken der Stadt Rom hatten oder ob der Name eher im übertragenen Sinne als Wegbereiter zu verstehen ist. Augustus kassierte das religiöse Amt ein, wurde selbst pontifex maximus, religiöses Oberhaupt des Staates, und so blieb es bis in die Spätantike. Der pontifex maximus amtierte lebenslänglich, der Kaiser ebenso und somit waren beide Ämter kompatibel. Die Leitung des Staates und der staatlichen Religion war wieder in einer Person vereint.

Für die Priesterinnen der Vesta war der pontifex maximus der pater familias, eine Vaterfigur. Jene Jungfrauen, die aus den besten Familien ausgewählt wurden, genossen hohes Ansehen. Keuschheit war Voraussetzung, um der Göttin dienen zu dürfen, aber dennoch gerieten im Laufe der Geschichte manche Vestalinnen in Verruf. Während die meisten pontifices bzw. Kaiser ein Auge zudrückten, bestrafte Domitian eine Vestalin nach alter Sitte durch Lebendigbegraben. Er nahm sein Amt ernst, zu ernst, und seine grausame Entscheidung sorgte für allgemeines Entsetzen.

Wie seine Vorgänger, war auch Trajan pontifex maximus. Darstellungen der Trajanssäule zeigen ihn opfernd, im Priestergewand, oder auch, wenn es mal schnell gehen musste, im Reisemantel. Die Reliefs der Säule zeigen nicht nur Kämpfe, sondern auch die Sorge des Herrschers für die Provinzbevölkerung, die Soldaten und die religiösen Zeremonien. Zu den ersten Szenen nach Eintreffen des Kaisers auf dem Kriegsschauplatz gehört die Darstellung eines Opfers in einem Heerlager. Der Altar ist vor dem kaiserlichen Zelt aufgebaut, Priester, Opferdiener und Opfertiere sind zu sehen, der religiöse Zug bewegt sich um das gesamte Heerlager.

Zu Beginn des zweiten Dakerkrieges fand eine Opferzeremonie unter Leitung Trajans in der Nähe der neuerbauten Donaubrücke statt. Unter den Begleitern des Kaisers befand sich mit Sicherheit der Architekt Apollodoros. Auch zu Ehren der gefallenen Soldaten wurde geopfert.

Plinius der Jüngere fragte Trajan nicht nur in administrativen, sondern auch in religiösen Dingen um Rat, als er Bithynien verwaltete. Als beim Bau eines Forums in Nicomedia ein Heiligtum der orientalischen Göttin Magna Mater verlegt werden musste, hatte Plinius Bedenken, denn in Rom wurde der Boden für ein Heiligtum geweiht und blieb Eigentum der jeweiligen Gottheit. Da eine solche Weihung in der Provinz nicht üblich war, antwortete Trajan, das Heiligtum dürfe ohne religiöse Bedenken umgesetzt werden (Briefsammlung, X, 49). Anders äußerte sich Trajan in X, 71: Die Gemeinde Prusa wollte ein neues Bad errichten und es gab ein geeignetes Grundstück mit einem verfallenen Haus darauf. Jenes Haus war aber dem vergöttlichten Kaiser Claudius vermacht worden, und in einem Teil des Gebäudes sollte eine Kapelle zu dessen Ehren errichtet werden. Trajan entschied, dass es prinzipiell möglich sei, das Grundstück zum Bau des Bades zu nutzen, aber es müsse vorab untersucht werden, ob die Kapelle wirklich geweiht wurde. Wäre das der Fall, stünde das Gebäude auf heiligem Boden, auch wenn es eingestürzt sei – und das Bad hätte in Konsequenz woanders gebaut werden müssen.

In X, 69 spricht Plinius Trajan direkt in seiner Eigenschaft als pontifex maximus an. Provinzbewohner wollten die Gräber verstorbener Angehöriger umsetzen lassen, in den meisten Fällen, da diese schadhaft waren. In Rom wurden solche Fragen vom Kollegium der pontifices entschieden. Trajan antwortete, es wäre hart für die Provinzialen, sich an die pontifices in Rom zu wenden. Er verwies Plinius einmal mehr auf Entscheidungen seiner Amtsvorgänger in solchen Fragen.

Auch im Privatleben waren die Römer sehr fromm. Es gab einen Hausaltar, wo dem an bestimmten Tagen geopfert wurde. Im Haus war der pater familias (Vater oder Großvater) religiöses Oberhaupt der Familie. Auf diese Weise wuchs jeder Römer und jeder Aristokrat in religiöse Rituale hinein, und Angehörige der Oberschicht strebten neben administrativen Posten und Armeekommandos auch Priesterämter an. Verwaltungsbeamte, waren zur Durchführung religiöser Zeremonien verpflichtet, bei denen sie sich von Priestern helfen ließen. Im Panegyrikus erwähnt Plinius die Einholung der Auspizien (Vogelschau) während des Konsulats von Trajan. In diesem Fall handelte Trajan nicht als pontifex maximus (und auch nicht als Princeps), sondern als Konsul mit Unterstützung durch die Auguren.

Literatur:

Plinius, Sämtliche Briefe, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1998, ISBN 3-15-059706-4

Plinius der Jüngere, "Panegyrikus", herausgegeben und übersetzt von Werner Kühn, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1985, ISBN 3-534-09220-1

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