Samstag, 13. Februar 2021

Lucius Annaeus Seneca: Herkunft und Leben bis zur Verbannung

Lucius Annaeus Seneca wurde um die Zeitenwende in Cordoba, damals Corduba, geboren. Jene Stadt war schon vor der Römerzeit eine bedeutende Siedlung gewesen und wurde Zentrum und Statthaltersitz der römischen Provinz Baetica, die ungefähr dem heutigen Andalusien entspricht. Der Vater war Ritter und sorgte dafür, dass der Sohn schon als kleines Kind in Rom aufwuchs, um dort eines Tages Karriere zu machen.

Seneca hatte einen älteren Bruder Novatus, der als Prokonsul von Achaia eine Klage der Juden gegen den Apostel Paulus abwies. Der Jüngere Bruder Mela kümmerte sich in Corduba um den Familienbesitz.

Lucius Annaeus Seneca war schon als junger Mann sehr krank. Er hatte chronische Bronchitis und Asthma, litt immer wieder unter Fieber und Atemnot und soll auch daran gedacht haben, seinem Leben ein Ende zu setzen. Es gab damals noch keine wirksamen Medikamente wie heute und man kann sich das Leid des Erkrankten ungefähr vorstellen. Deswegen wurde der junge Mann nach Ägypten geschickt, dessen Klima als günstig galt, und tatsächlich stabilisierte sich seine Gesundheit. In Rom war Seneca vor allem als Anwalt in Erscheinung getreten. Mehr noch als die Rhetorik interessierte ihn die Philosophie. Seine Lehrer Sotion und Attalos legten die Grundlagen. Beide waren Stoiker, Sotion auch Pythagoreer. Seneca behielt zeit seines Lebens den Rat des Sotion bei, auf einer harten Matratze zu schlafen, und ebenso machte er es sich zur Gewohnheit, jeden Abend Rechenschaft vor sich über den vergangenen Tag abzulegen. Sotion ermutigte Seneca, vegetarisch zu leben. Doch dessen Vater lehnte dies ab und der Sohn änderte seine Ernährungsgewohnheiten wieder. Auch wollte der Vater nicht, dass er sich zu eifrig der Philosophie verschrieb. Die stoische Philosophie sollte Seneca immer wieder Halt in Krisensituationen geben, und er teilte seine Grundsätze auch bereitwillig in seinen literarischen Werken, vor allem in seinen Trostschriften an verschiedene Personen.

Nach dem Aufenthalt in Ägypten trat Seneca als Quästor in den Senat ein. Sein rhetorisches Können verhalf ihm auch dort zum Erfolg. Die Herrschaft in Rom ging von Tiberius auf Caligula über. Damit begann ein düsterer Abschnitt der Kaiserzeit, mit dem ich mich hier im Blog bisher noch nicht befasst habe. Schon Tiberius war in seinen letzten Jahren kein erfreulicher Zeitgenosse gewesen. Gaius Julius Caesar Germanicus, der unter seinem Spitznamen Caligula in die Geschichte einging, war einer der grausamsten und berüchtigtsten römischen Kaiser. Doch seine Herrschaft begann vielversprechend. Er war Urenkel von Augustus und ebenfalls Urenkel der Livia, der Gattin des Augustus. Seine Eltern Germanicus und Agrippina die Ältere waren überaus beliebt in Rom gewesen. Porträts zeigen einen hübschen jungen Mann, der sich einigermaßen intelligent verhalten haben muss, sonst hätte er die Jahre unter Tiberius und dessen berüchtigten Gardepräfekten Seianus nicht überlebt.

Als Kaiser tat Caligula, was er wollte. Er setzte sich über alles hinweg, was ihm nicht passte: Regeln, Gesetze, Moral, gesunden Menschenverstand, so dass bald alle Welt an seinem Geisteszustand zweifelte. Es ist durchaus möglich, dass er geisteskrank war, mindestens aber völlig abgehoben. Zu seiner Lieblingsschwester Drusilla hatte er ein inzestuöses Verhältnis, aber auch seine anderen Schwestern waren mächtig und einflussreich. Nach nur vierjähriger Herrschaft wurde Caligula von der Prätorianergarde ermordet, ebenso seine Frau Caesonia und seine kleine Tochter.

Die Prätorianer riefen Claudius zum Kaiser aus, den Onkel des Caligula. Bis zu jenem Tag war Claudius kaum öffentlich in Erscheinung getreten. Er war körperlich behindert und hatte auch Schwierigkeiten, seine Mimik zu kontrollieren. Aus diesem Grund hatte die kaiserliche Familie vermieden, dass er öffentlich auftrat. Ein Behinderter passte nicht ins Erscheinungsbild der vornehmsten Familien Roms. Caligula machte ihn immerhin zum Konsul. Und die Garde sorgte dafür, dass er im Januar 41 römischer Kaiser wurde. Claudius galt als schwache Persönlichkeit. Seine Freigelassenen, Minister, beherrschten ihn, doch noch mehr beherrschte ihn seine Gattin Messalina, die ebenfalls negative Berühmtheit erlangt hat. Sie war attraktiv, vornehm - auch sie stammte von Augustus ab - und vermögend. Die Überlieferung schildert sie als sexuell völlig enthemmt, als Nymphomanin auf dem Thron, die sich nachts als Hure feilbot. Ob sich alles so zugetragen hat, darf bezweifelt werden, doch war sie sicher kein Kind von Traurigkeit und dazu ausgesprochen gefährlich.

Messalina war eifersüchtig auf ihre Nichte Julia Livilla, die Schwester des Caligula, die ihr gegenüber selbstbewusst auftrat und offenbar auch Claudius in ihren Bann zog. Deswegen musste sie ausgeschaltet werden. Angeklagt wurde Livilla wegen Ehebruchs - eine häufige Methode, um Frauen loszuwerden. Zum Ehebruch gehören bekanntlich zwei und Mitangeklagter war Seneca. Höchstwahrscheinlich war er unschuldig, aber vermutlich wollte Messalina ihn ebenfalls loswerden. Er war zunächst zum Tode verurteilt worden, wurde aber von Claudius selbst begnadigt und nach Korsika verbannt.

Dieses Exil war keineswegs so erstrebenswert, wie es uns heute vorkommt. Die Insel galt als rau, ungesund und gefährlich. Sie stand zwar unter römischer Verwaltung, war aber wenig romanisiert. Seneca bewohnte gewiss keine komfortable Villa und wird weder von den wenigen Römern, noch von der einheimischen Bevölkerung herzlich aufgenommen worden sein. Ein Verbannter war eben ein Verurteilter und seine Isolation war gewollt. Statthaltersitz und Flottenstützpunkt war die Nachbarinsel Sardinien. Es gäbe kaum einen Ort, schrieb Seneca an seine Mutter Helvia, der so kahl und schroff sei wie diese Felseninsel, so unwirtlich für Menschen, mit so schauriger Landschaft, einem Klima mit solchen Temperaturschwankungen. Die komfortabelste Unterkunft sei eine Hütte. Und ein Stadtrömer vermisste in der Fremde vor allem Rom, den Mittelpunkt der damaligen Welt. Doch in dieser Trostschrift an seine Mutter relativiert Seneca sein Schicksal auch. Die stoische Philosophie half ihm dabei, sein Schicksal anzunehmen. Er schrieb, dass er nicht wahrhaft unglücklich sei und sich dem Studium der Natur widmete. Er kritisierte die Verschwendung in Rom und identifizierte sich mit den großen Philosophen wie Sokrates. Der Geist sei seine Stärke und er ließ sich nicht brechen. Dennoch hoffte er, Claudius würde ihn begnadigen. Dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung, so lange Messalina ihn beherrschte. Auch eine Amnestie in Rom hob das Urteil gegen Seneca nicht auf.

Literatur:

Marion Giebel: "Seneca", Rowohlt Taschenbuchverlag, Hamburg 1997, ISBN 978 3 499 50575 1

Hildegard Temporini: "Die Kaiserinnen Roms", Beck-Verlag München 2002, ISBN 3 406 49513 3

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