Sonntag, 21. Februar 2021

Die römische Provinz Sardinia et Corsica

L. Annaeus Seneca, der vielleicht berühmteste stoische Philosoph unter den römischen Senatoren, verbrachte acht Jahre in der Verbannung auf der Mittelmeerinsel Korsika. Die Insel galt als rau und ungastlich, das Klima als ungesund. Seneca fühlte sich dort nicht wohl, er sehnte sich nach Rom, der Stadt, die der Mittelpunkt seiner Welt war, ihrem Komfort und Glanz und dem öffentlichen Leben.

Beide Inseln waren schon lange vor den Römern besiedelt. Für Korsika sind erste Siedlungen aus der frühen Jungsteinzeit nachgewiesen; Sardinien war wohl noch früher besiedelt. Die Einheimischen galten den Römern als Fremde, "Barbaren". Das Bergland im Inneren Sardiniens heißt noch heute "Barbaggia", eine Region auf Korsika heißt "Barbaggio". Seneca hat zumindest versucht, die Sprache der Einheimischen ansatzweise zu verstehen. Sardinien und Korsika waren im Mittelmeerraum von großer strategischer Bedeutung. Das galt vor allem für die Seefahrt. Die Schiffe der Antike mieden das offene Meer, wo es nur möglich war, und hielten sich am liebsten in der Nähe der Küsten, um notfalls in Häfen Schutz suchen zu können. Mehrere Seewege führten an Korsika und Sardinien vorbei, so nach Ägypten oder auch ins westliche Mittelmeer. Das Holz der Wälder Korsikas war begehrt für den Schiffbau. Ansonsten gab es dort offenbar kaum Zerstreuungsmöglichkeiten für einen Mann von Welt. Seneca widmete sich der Philosophie und der Naturbeobachtung. Dafür war Korsika allerdings ein guter Ort.

Man muss betonen, dass die vornehmen Römer das Meer nicht aufsuchten, um dort am Strand zu liegen, zu schwimmen, zu schnorcheln oder mit Booten hinauszufahren. Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Badeorte an den Küsten Italiens boten tatsächlich das Flair moderner Urlaubsorte, und die Aristokraten hatten in ihren Villen ohnehin jeglichen Luxus, den die damalige Zeit bot. Seneca war ein guter Schwimmer und ging auch ins Meer. Ob er wohl die Strände Korsikas für sich entdeckt hat?

Vor den Römern wurden die Inseln erst von den Phöniziern, dann von den Karthagern besetzt. Die Karthager besaßen eine starke Kriegsflotte, aber die Römer lernten von ihnen und schließlich kam es zum Krieg. Im Jahr 241 v. Chr. wurde ein Friedensvertrag zwischen Rom und Karthago unterzeichnet. Die Römer bekamen Sizilien zugesprochen, Sardinien und Korsika gingen an die Karthager. Doch die Römer gaben sich damit nicht zufrieden. 238 v. Chr. landete Tiberius Sempronius Gracchus auf Sardinien und besetzte dort alle größeren Orte, ohne dass sich ernsthafter Widerstand regte. Die Siedlungen der Phönizier nutzten auch die Römer. Natürlich gab es nach und nach auch römische Bauten und Verbesserungen der Infrastruktur, so des Straßennetzes.

Die Provinz Sardinia et Corsica wurde von einem Statthalter im Rang eines Prätors verwaltet. Statthaltersitz war erst Nora, wo noch heute Ruinen zu besichtigen sind, später Carales, heute Cagliari. In Cagliari, wahrscheinlich auch in Olbia gab es Stützpunkte der Flotte von Misenum, eine der römischen Hauptflotten. Dem Statthalter standen Fußsoldaten und wahrscheinlich auch Reiter zur Verfügung. Dies war dringend nötig, denn auf den Inseln gab es immer wieder Rebellionen der Einheimischen. Sie überfielen die Küstenstädte und stießen sogar bis nach Italien vor. Auch sie müssen also seetüchtige Schiffe besessen haben. Grund für die Überfälle war die Armut der Leute durch die Steuern, die die Besatzer erhoben. Im Inneren der Inseln lebten Hirtenvölker, die teils Nomaden, teils Halbnomaden waren. Noch heute lebt die Bevölkerung in den Bergen Sardiniens zurückgezogen und die Leute bleiben gern unter sich. Sie sind stolz darauf, allen Besatzungsmächten getrotzt zu haben, und haben auch die Erinnerung an heidnische Gottheiten nicht verloren. Die Inseln Sardinien und Korsika wurden nie vollständig romanisiert. Korsika war vermutlich noch weniger romanisiert als Sardinien. Carales war in der Kaiserzeit schon eine richtige Römerstadt mit einem Markt, Tempeln, Thermen, einem Aquädukt und einem Amphitheater. In Nora sind beeindruckende Ruinen erhalten, unter anderem schöne Mosaikfußböden. Begehrt waren die Inseln nicht nur wegen ihrer strategischen Lage, sondern auch wegen der Bodenschätze, die dort abgebaut wurden. Strafarbeit in den Bergwerken Sardiniens war berüchtigt.

Die römischen Kaiser waren um ein bestimmtes Verhältnis zwischen senatorischen und kaiserlichen Provinzen bemüht. Die Zuständigkeit für Sardinia et Corsica änderte sich öfter im Laufe der Jahre. Wenn es zu größeren Unruhen unter den Einheimischen kam, übernahmen die Kaiser die Provinz, und in Zeiten, als andere Provinzen Schwerpunkte wurden und unter kaiserliche Obhut kamen, ging eine Provinz wie Sardinia et Corsica wieder an den Senat. Die Inseln galten als typische Exilorte. Nicht nur einzelne Personen wurden dorthin geschickt, sondern ganze Volksgruppen. So wurden Ägypter und Juden wegen ihrer fremden Religionen nach Sardinien (und vermutlich auch nach Korsika) ausgewiesen mit dem Auftrag, dort gegen Meuterer vorzugehen. Viele Einheimische wurden von den Römern versklavt, ehe sich in der Kaiserzeit die Situation auch auf den Inseln stabilisierte.

Literatur:

"Sardinien und Korsika in Römischer Zeit", Zabern-Verlag, Darmstadt 2011, ISBN 978-3-8053-3564-5

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