Samstag, 6. März 2021

Senecas Wirken am Hof in Rom und sein Ende

Im Jahr 48 heiratete Messalina ihren Liebhaber Gaius Silius. Ob sie noch mit Kaiser Claudius verheiratet oder von ihm geschieden war, ist umstritten. Ihr Verhalten wurde als Hochverrat gewertet. Claudius ließ sie und Silius und viele Personen aus ihrem Bekanntenkreis hinrichten. Er soll geschworen haben, nie wieder zu heiraten. Doch sein Schwur hielt nicht lange an. Er ehelichte Agrippina die Jüngere, wohl um seine Position zu stärken. Agrippina hatte sich wahrscheinlich auch aktiv um seine Zuneigung bemüht.

Agrippina die Jüngere ist als sehr machtbewusste, ehrgeizige Frau in die Geschichte eingegangen. Sie war Urenkelin des Kaisers Augustus und Tochter des berühmten Feldherrn Germanicus. Ihre Eltern waren relativ früh verstorben: Germanicus während seines Aufenthalts in Syrien (die Familie und viele Zeitgenossen sprachen von einem Mordanschlag durch Piso, der ihm feindlich gesinnt war), Agrippina die Ältere in der Verbannung auf der Insel Pandataria. Ihr Verhältnis zum Kaiser Tiberius war zuvor schon problematisch gewesen, und sie galt als Verschwörerin. Agrippina und Germanicus hatten neun Kinder. Einer der Brüder der jüngeren Agrippina und der einzige Sohn, der überlebte, war der spätere Kaiser Caligula.

Als nach dessen Tod Claudius Kaiser wurde, verstand es Agrippina, sich klug zurückzuhalten. Sie hielt sich mit ihrem einzigen Sohn Nero zeitweise fern von Rom auf. Die Kaiserin Messalina traute sich vielleicht nicht an sie heran, während ihre Schwester Livilla verbannt wurde und kurz danach starb. Nach dem Sturz von Messalina heiratete Claudius seine Nichte Agrippina. Zuvor musste ein Gesetz verabschiedet werden, das eine Hochzeit von Onkel und Nichte gestattete. Agrippina war schon zweimal verwitwet und ebenso vornehm wie vermögend. Die Ehe mit Claudius brachte sie ihrem Ziel näher: ihrem Sohn zur Herrschaft zu verhelfen und sich selbst Einfluss und Macht zu sichern.

Agrippina erwirkte von Claudius, dass Seneca begnadigt wurde und nach Rom zurückkehren durfte. Ihr Sohn Nero sollte bei ihm, der als begnadeter Redner und Literat galt, die Rhetorik erlernen. Sie sorgte dafür, dass Claudius Nero adoptierte. Somit war für Nero die Nachfolge auf den Thron so gut wie gesichert. Der leibliche Sohn des Claudius, Britannicus, war jünger und außerdem chronisch krank. Antike Autoren bezichtigten Agrippina, ihren Gatten Claudius vergiftet zu haben. Ob sie das wirklich getan hat, wird man nicht mehr herausfinden. Nero war bereits im Alter von 14 Jahren als volljährig erklärt worden. Dennoch war er auch mit siebzehn, achtzehn Jahren nicht in der Lage, das Reich zu regieren - ein Argument, das gegen einen relativ frühen gewaltsamen Tod des Claudius spricht. Nero war mit Octavia, der Tochter des Claudius, verheiratet worden. Somit war er dem Kaiserhaus zweifach verbunden.

Agrippina ging streng mit Nero um: Als er ihre Macht einschränkte, drohte sie ihm mit der baldigen Volljährigkeit des Britannicus. Daraufhin soll Nero dafür gesorgt haben, dass Britannicus vergiftet wurde. Ob er das wirklich tat oder ob Britannicus an einem epileptischen Anfall starb, lässt sich nicht mehr klären.

In den ersten fünf Jahren seiner Herrschaft stand Nero unter dem Einfluss von Seneca und dem des Gardepräfekten Burrus, der auch mit Seneca befreundet war. Im Grunde lenkten diese Männer, Günstlinge von Agrippina, das Reich. Agrippina wäre wohl selbst gern Herrscherin geworden, aber das war im alten Rom unmöglich. Seneca und Burrus mussten oft genug lavieren und all ihr diplomatisches Können einbringen, um Konflikte zu entschärfen und zu verhindern, dass Agrippina sich öffentlich als Mitherrscherin präsentierte.

Doch Nero wurde selbstbewusster und wurde von Freunden ermutigt, endlich selbst zu regieren. Seneca kannte die Schwächen Neros, seinen labilen Charakter und seinen Hang zu Exzessen. Es kam zu einer vorübergehenden Versöhnung des jungen Kaisers mit seiner Mutter. Es soll sogar zum Inzest gekommen sein, und Seneca soll die Geliebte Neros, Acte, hineingeschickt haben, um ihn zu warnen, dass die Soldaten keinen blutschänderischen Kaiser dulden würden. Aus dieser Überlieferung liest man heraus, dass Agrippina zu Allem entschlossen war, wenn es um ihre Teilhabe an der Macht ging. Und man spürt, wie schwierig es für Seneca und Burrus in diesem Machtkampf zwischen Nero und seiner Mutter war.

Schließlich fürchtete Nero, von seiner Mutter gestürzt zu werden, und bezichtigte Burrus, in die Verschwörung involviert zu sein. Seneca konnte Nero dahingehend beeinflussen, dass Burrus unbehelligt blieb. Es kam zu einer Aussprache mit Agrippina, in der sie ihre Unschuld beteuerte. Doch ihr Einfluss am Hof schwand. Besonders Poppaea, Neros neue Geliebte, stachelte ihn an und intrigierte gegen Agrippina. Und so kam es zum Mordanschlag Neros auf seine Mutter. Er lud sie zu einem Gastmahl ein. Sie gingen mit Umarmungen und Küssen auseinander, und Agrippina bestieg ein präpariertes Schiff, das auf dem Meer auseinanderbrach. Ihr gelang es jedoch, sich zu retten. Als Nero davon erfuhr, war er außer sich vor Furcht, und groß war die Sorge vor einem politischen Skandal. Die Prätorianergarde sollte nun Agrippina ermorden, doch Burrus verweigerte diesen Befehl und meinte, die Garde sei der gesamten kaiserlichen Familie verpflichtet. Stattdessen musste die Truppe um den Schiffskommandanten ihren Auftrag zu Ende bringen. Auf diese Weise machten sich Seneca und Burrus zu Mitwissern am Muttermord Neros. Ihnen blieb keine andere Wahl. Zehn Jahre, nachdem Seneca aus der Verbannung zurückgekehrt war, wurde Agrippina ermordet.

Nun begann die Schreckensherrschaft Neros. Er trennte sich von seiner Gattin Octavia und ließ sie ermorden. Die Majestätsprozesse wurden wieder eingeführt, um die leeren Kassen zu füllen - Neros Verschwendungssucht fing an, den Staat zu ruinieren. Im Jahr 62 starb Burrus, der an einem Tumor im Kehlkopf gelitten hatte. Auch Seneca zog sich zunehmend ins Privatleben zurück. Von Freunden dafür getadelt -Grundsatz der Stoiker war doch, dem Gemeinwohl zu dienen - antwortete er, nun sei für ihn die Zeit gekommen, seine philosophischen Gedanken niederzuschreiben und weiterzugeben. Auch seine Krankheit diente ihm als Entschuldigung, besonders Nero gegenüber.

Nach dem großen Brand von Rom im Jahr 64 trennte sich Seneca von einem Großteil seines Besitzes, den er Nero verdankte, um die Öffentlichkeit zu besänftigen und Nero das Gefühl zu geben, ihn noch immer zu unterstützen. Drei Jahre lebte Seneca zurückgezogen, dann erhielt er von Nero den Todesbefehl. Der Kaiser klagte ihn an, an der pisonischen Verschwörung beteiligt zu sein. Auch Senecas Neffe Lucanus wurde der Mittäterschaft bezichtigt und musste sterben. Seneca ließ sich - ganz Stoiker - die Adern öffnen und bewahrte die Fassung. Seine Ehefrau wollte mit ihm sterben, aber Nero ließ sie retten. Der Widerspruch zwischen Senecas Schriften und seinem Leben war laut Tacitus schon Zeitgenossen bewusst. Man muss ihm zugutehalten, dass sein Schicksal in Bahnen verlief, die er nicht durchweg selbst in der Hand hatte, solange ihm sein Leben lieb war.

Er hat getan, was er konnte, um Nero positiv zu beeinflussen. Die glücklichen fünf ersten Jahre der Regierung des jungen Kaisers sind dem Einfluss Senecas, des Präfekten Burrus und auch der Agrippina zu verdanken. Diese guten Jahre soll Kaiser Trajan ausdrücklich gewürdigt haben. Ein Beweis für die Bemühungen Senecas ist seine Schrift "De clementia", die er Nero widmete. Dieser Text hat Nero leider nicht in dem Maße beeinflusst, wie Seneca das wünschte, doch er wirkte über seine Zeit hinaus auf die gemäßigten Kaiser des zweiten Jahrhunderts, auf jene von allgemeinem Wohlstand und Stabilität geprägte Geschichtsepoche, der ich mich besonders verbunden fühle.

Literatur:

Marion Giebel: "Seneca", Rowohlt Taschenbuchverlag, Hamburg 1997, ISBN 978 3 499 50575 1

Hildegard Temporini: "Die Kaiserinnen Roms", Beck-Verlag München 2002, ISBN 3 406 49513 3

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