Samstag, 2. Mai 2020

Kaiser Trajan und das Erdbeben in Antiochia 115/116

Antiochia am Orontes war eine antike Metropole, Hauptstadt der römischen Provinz Syria und Statthaltersitz. Während des Partherkrieges verbrachten Trajan und sein Hof die Wintermonate dort. Von Frühjahr bis Herbst erfolgten Feldzüge nach Armenien und Mesopotamien. Im Winter 115/116 wurde die Provinz und vor allem Antiochia von einem schweren Erdbeben erschüttert.

Antiochia war dadurch, dass sich der römische Kaiser mit seinen Begleitern, Ratgebern, seinem gesamten Hof dort aufhielt, zur Regierungszentrale geworden. Die Stadt war von Menschen überfüllt. Auch Gesandtschaften aus dem ganzen Reich müssen sich dort aufgehalten haben. Sie kamen nicht etwa nach Rom, sondern suchten den Herrscher dort auf, wo er sich gerade befand, und reisten ihm notfalls in den Krieg nach.

Eine Schilderung des Erdbebens ist bei Cassius Dio überliefert. Es begann mit einem schrecklichen Dröhnen. Dann schwankte die Erde und brachte die Gebäude zum Einsturz. Dadurch bildete sich eine Unmenge an Staub, der den Menschen die Sicht nahm. Viele von ihnen starben in den Trümmern, aber auch außerhalb der Gebäude wurden Unzählige verwundet, von Steinen getroffen oder durch die Luft geschleudert. Unsäglich litten diejenigen, die unter Trümmern eingeklemmt waren. Andere, die eingeschlossen waren, verhungerten und verdursteten. Das Beben hielt über mehrere Tage und Nächte an. Die Menschen flüchteten aus den Häusern, obwohl sie lieber darin Schutz gesucht hätten. Kaiser Trajan rettete sich aus dem Gebäude, in dem er sich befand, durch einen Sprung aus dem Fenster. Er wurde nur leicht verletzt. Er und sein Hof kampierten eine Weile in der Rennbahn (Hippodrom) unter freiem Himmel. Doch einer der beiden Konsuln starb an seinen Verletzungen. Auch andere Städte Syriens waren vom Erdbeben betroffen, doch Antiochia war das Zentrum der Katastrophe. Cassius Dio berichtet von seltenen glücklichen Bergungen noch nach Tagen, so von einer Mutter, die zusammen mit ihrem Baby gerettet wurde. Er erwähnt aber auch die psychischen Folgen für diejenigen, die die Leichen bargen: Sie konnten keine Freude mehr empfinden, auch nicht darüber, dass sie selbst überlebt hatten.

Trajan hat von seiner Behelfsunterkunft aus sicher alle Maßnahmen angewiesen, die notwendig waren, um die Folgen der Katastrophe zu lindern. Der spätantike Historiker Malalas überliefert etliche Bauten, die der Kaiser nach dem Erdbeben in Angriff genommen oder vollendet haben soll. Er gilt aber als unzuverlässige Quelle. Allzu großes Engagement als Bauherr kann Trajan damals nicht gezeigt haben, denn er befand sich im Krieg und brach im Frühling wieder mit seinem Heer nach Mesopotamien auf. Doch die Beräumung der Stadt und die Instandsetzung der Infrastruktur wird er ganz sicher angeordnet und unterstützt haben, zumal seine kriegerischen Unternehmungen davon abhingen. Bei Aufräumarbeiten wird er Soldaten eingesetzt haben, die ihm reichlich zur Verfügung standen. Zusätzliche Anforderungen von Getreide und sonstigen Lebensmitteln aus anderen, weniger notleidenden Provinzen, vielleicht sogar von seinen eigenen Gütern, sind ebenfalls denkbar. Erdbeben ereigneten sich in Antiochia auch noch in späteren Zeiten und sie verursachten auch den Niedergang der antiken Stadt.

Leider ist die Quellenlage zu Trajans Zeit sehr dürftig und lückenhaft. Es ist nicht bekannt, ob er damals ein Kriegstagebuch führte. Während der Dakerkriege hat er, Caesar und anderen Feldherren folgend, „commentarii“ verfasst, die auch veröffentlicht wurden, die aber (bis auf einen einzigen Satz) nicht überliefert sind. Da liegt es nahe, dass er auch über den Partherkrieg schrieb bzw. schreiben ließ. Eine solche Quelle hätte interessante Einblicke gewährt. Ein von Hadrian zensiertes Manuskript (ich spekuliere!) wäre durch die veränderte politische Lage nach dem Tod Trajans nicht mehr zeitgemäß gewesen. Rom hatte in der Niederlage mühsam das Gesicht wahren können und der Nachruhm Trajans blieb in Stein gemeißelt, wie er es gewünscht hatte: innerhalb seines Forums, das einen echten Sieg feierte.

Literatur:

Cassius Dio, Epitome of Book 68

Horst Klengel: Syrien zwischen Alexander und Mohamed, Herold-Verlag,Wien+München 1987, ISBN: 9783700803485

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