Donnerstag, 24. Dezember 2020

Die Zeitenwende und unser Weihnachtsfest

Unser Weihnachtsfest hat, geschichtlich betrachtet, seinen Ursprung im Römischen Reich. Die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium kündet davon. Sie zu hören, ist eine Tradition am Heiligen Abend. Als Kind lauschte ich jedes Mal ganz ergriffen und kannte die Geschichte jedes Jahr ein bisschen besser. Und ich liebte es, das Krippenspiel in der Kirche anzusehen. Als ich mich für das alte Rom zu interessieren begann, hörte ich die Geschichte mit wachsender Aufmerksamkeit, ohne dass sie ihren Zauber verlor.

"Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt."

Dass Kaiser Augustus sehr mächtig sein musste, konnte man daraus schließen, dass "alle Welt" auf seinen Befehl hin geschätzt wurde. Augustus ist einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Was bedeutet "schätzen"? Tatsächlich ist es ein "Abschätzen", der Zensus, der sowohl in Rom als auch in den Provinzen durchgeführt wurde.

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Volkszählungen und Schätzungen nicht erst im alten Rom durchgeführt wurden, sondern auch in anderen, früheren Hochkulturen. In Rom gab es das Censorenamt und Schätzungen seit 443 v. Chr. in gewissen Abständen. Der Reichszensus erfasste die römischen Bürger. Jene mussten sich an einem festgelegten Tag auf dem Marsfeld einfinden und unter Eid Auskunft über sich geben: Name, Vatersname, Familienangehörige, Herkunftsort, Tribus (Bürgerschaftsabteilung) und steuerpflichtiges Vermögen, vor allem Landbesitz, waren dabei anzugeben.

Bei der Volkszählung in Judäa, zu der sich Josef begab, handelt es sich um den Provinzialzensus. Damals wurden nicht alle Provinzen geschätzt, sondern nur Judäa und Syrien. Nach dem Tod Herodes des Großen und der tyrannischen Herrschaft eines seiner Söhne hatte Augustus Judäa in eine römische Provinz umgewandelt. Verwaltet wurde sie von einem ritterlichen Präfekten. Die strategisch bedeutsame Nachbarprovinz Syria war Judäa übergeordet. Dort standen vier Legionen unter einem senatorischen Statthalter, dem in der Weihnachtsgeschichte erwähnten Quirinius.

Publius Sulpicius Quirinius stammte aus Lanuvium. Jene Stadt in Latium wurde hier im Blog schon mehrfach erwähnt. M'. Laberius Maximus, ein Senator und Heerführer unter Trajan sowie die Kaiser Antoninus Pius und Commodus wurden dort geboren. Quirinius, der aus dem Ritterstand aufgestiegen war, wurde von Augustus gefördert. Man kann ihn als militärischen Experten für den Nahen Osten bezeichnen.

Es wird heute angenommen, dass Jesus noch in den letzten Jahren des Herodes geboren wurde. Eine von Rom angeordnete Volkszählung in einem Gebiet, das einem Klientelkönig unterstand und somit noch nicht Provinz war, ist eher unwahrscheinlich. Doch das Jahr 6 n. Chr., als Quirinius Statthalter in Syrien war, jenes Jahr, das für den erwähnten Zensus wahrscheinlich ist, lag deutlich nach der Zeitenwende.

Aber um diese Unklarheit und Unstimmigkeit soll es mir nicht gehen. Josef, Zimmermann aus Nazareth in Galiläa, begab sich also nach Bethlehem, der Stadt Davids, von dem er abstammte. Dort musste er sich schätzen, d.h. zählen und steuerlich erfassen lassen. Ihn begleitete seine schwangere Verlobte Maria. Es muss eine strapaziöse Reise für sie gewesen sein. Sie kamen in Bethlehem bei Verwandten oder Bekannten nicht mehr unter; die Stadt war auf Grund des Zensus überfüllt. Sie mussten mit einer nicht näher definierten Behelfsunterkunft vorlieb nehmen. Es kann ein Zimmer, Abstellraum oder auch ein Stall gewesen sein. Zu jener Zeit wurde die Ankunft des Messias durch Vorboten und Vorzeichen verkündet und erwartet. Und in der Heiligen Nacht wurde ein Kind geboren.

Und hiermit lade ich dazu ein, die Weihnachtsgeschichte zu lesen. Vielleicht möchte der eine oder andere diese besonders stillen Feiertage zur spirituellen Einkehr nutzen. Mein Tipp dafür wäre "Die Hütte", ein modernes Buch über eine Begegnung mit Gott.

Literatur:

Die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium

William Paul Young: "Die Hütte, Ein Wochenende mit Gott", Ullstein Verlag, 2011, ISBN 978-3548284033

Blogartikel über den historischen Jesus

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