Samstag, 22. Juni 2019

Der Kaiser auf Reisen

Die Reise eines römischen Kaisers war eine Herausforderung, nicht nur für ihn selbst, sondern für alle, die davon betroffen waren. Gewiss unterschieden sich die Bedürfnisse und der Aufwand, die einzelne Herrscher trieben: Neros bizarre Neigungen und seine Verschwendungssucht führte zu Auswüchsen, die es bei Trajans und Hadrians Reisen sicher nicht gab. Dennoch: Kaiser blieb Kaiser. Der Herrscher wurde meist von seiner Familie, seinen Ratgebern, seiner Garde und seinen Bediensteten begleitet. Das waren mehrere tausend Personen. Das Oberhaupt des Imperiums und sein Gefolge mussten so schnell und bequem wie möglich reisen, mussten angemessen untergebracht und verpflegt werden. In vielen Fällen reisten die Herrscher in Begleitung eines Heeres. Feldzüge erforderten immer eine gründliche Planung und einen hohen Aufwand, und die Versorgung der Truppen war das Wichtigste am gesamten Unternehmen.

Die Reiseroute eines Kaisers in eine bestimmte Provinz wurde rechtzeitig angekündigt, damit sich die Städte darauf einstellen konnten. Denn sie waren dazu verpflichtet, den Herrscher und sein Gefolge gebührend zu empfangen, zu versorgen und zu beherbergen. Diese Reisen galten nicht als Privatvergnügen, die die Kaiser - immerhin die vermögendsten Persönlichkeiten ihrer Zeit - aus eigener Tasche finanzierten. Augustus hatte zum Zweck der Reisen von Beamten in die Provinzen die Staatspost, den cursus publicus, eingerichtet. Die großen Verbindungsstraßen innerhalb des Reiches waren mit Stationen eingerichtet, wo Pferde und Zugtiere und Personal zur Verfügung standen. In den Herbergen gab es Übernachtungsmöglichkeiten, einen Gastraum und oft auch einen Schnellimbiss. Die Reise eines Kaisers überstieg jedoch diese Möglichkeiten bei weitem.

Bevor ein Herrscher "durchkam", wurden Straßen erneuert oder ausgebessert. Für weitere Leistungen waren die Provinzstatthalter verantwortlich. Von ihnen ergingen Listen an die Räte der Städte und an reiche Privatleute mit Übersichten der Leistungen, die sie zu erbringen hatten. Ein Dorf in Ägypten hatte bei der Durchreise Hadrians nicht nur beachtliche Mengen an Öl, Brot Getreide und Heu, sondern auch 372 Spanferkel zur Verfügung zu stellen. Zunehmend überstiegen solche Kosten die Möglichkeiten der Städte und ganzen Regionen drohte der Niedergang. Man muss bedenken, dass die einfache Bevölkerung selten üppig lebte und eher unterernährt war. Lokale Versorgungsengpässe und Hungersnöte kamen nicht so selten vor. Von den Angehörigen der lokalen Oberschicht wurde erwartet, dass sie sich entsprechend engagierten. Solches Engagement erhöhte wiederum deren soziales Prestige. Manch reicher Privatmann versorgte ganze Armeen. Er konnte damit rechnen, dass der Kaiser ihm durch Gunstbeweise dafür dankte. Plinius hatte im Panegyrikus auf Trajan von den Reisen Domitians geschrieben, die einer Plünderung glichen. Trajan wird seinen Aufwand auf ein vernünftiges Maß beschränkt haben, aber ob die Provinzialen seine Durchreise deswegen weniger spürten, wage ich zu bezweifeln. Die lokalen Händler reagierten auf den Mehrbedarf in den Städten und erhöhten ihre Preise. Zeitweise mussten die Herrscher gegensteuern und für Nachschub von ihren eigenen Gütern sorgen. Selbst in einer Metropole wie Antiochia soll vorübergehend das Wasser knapp geworden sein.

Der Besuch eines Kaisers in einer Provinz und deren Städten war aber auch eine außergewöhnliche Ehre. Besonders im Osten des Imperiums waren die Herrscher schon zu Lebzeiten mit dem Nimbus eines Halbgottes umgeben. Vespasian soll in Ägypten Wunderheilungen vollbracht haben. Die Ratsherren der Städte und Privatpersonen nutzten die Möglichkeit, ihre Anliegen dem Kaiser direkt zu unterbreiten. Man kann davon ausgehen, dass der Herrscher außerhalb von Rom nicht weniger Gesandte als in der Stadt empfing. Manche Städte erhielten von ihm Privilegien und Hilfen. Athen führte nach einem Besuch Hadrians eine neue Zeitrechnung ein.

Die Seereise war die schnellste und bequemste Art der Fortbewegung. Direkte Fahrten übers offene Meer wurden aber meist vermieden, sondern man reiste entlang der Küsten. Bei ungünstigem Wetter war die nächste Hafenstadt nicht weit und es war die Norm, Nächte an Land statt an Deck zu verbringen. Bei Reisen in den Osten des Imperiums war Athen als Zwischenstopp beliebt. In solch größeren Städten hielten sich vornehme Gäste gern auch länger auf, um Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, ihren dienstlichen Pflichten nachzukommen oder Gesandte zu empfangen wie Trajan, der in Athen von Abgesandten des Partherkönigs Osroes aufgesucht wurde. Manchmal waren auch Erholungspausen nötig. Plinius berichtet in einem Schreiben an Kaiser Trajan, dass er wegen gesundheitlicher Probleme bei seiner Reise nach Bithynien in Pergamon Rast machen musste. Städte, in denen sich Kaiser länger aufhielten, mussten über eine entsprechende Lage und Infrastruktur verfügen, so dass der Nachschub gesichert war. Sie verfügten über Paläste und allen nötigen Komfort. War dies nicht vorhanden, wurden entsprechende Gebäude errichtet. Antiochia am Orontes war eine typische Kaiserresidenz mit Palast, Rennbahn (denn meist gaben die Kaiser Spiele während ihres Aufenthaltes) und einem Villenvorort, wo sich vermutlich die Familie des Herrschers aufhielt. Bei kürzeren Aufenthalten, wurden die Kaiser in den Villen reicher Privatleute beherbergt, wenn kein Palast vorhanden war. Es gibt aber auch Beispiele, dass Heiligtümer umfunktioniert wurden und Herrscher zeitweise darin wohnten.

Der Kaiser wurde natürlich festlich empfangen. Die Angehörigen der Oberschicht der jeweiligen Stadt eilten ihm entgegen, und die Bevölkerung säumte die Straße, auf der er anreiste. Die Leute waren festlich bekränzt und begrüßten den Herrscher mit Winken und Jubelrufen. Es gibt mehrere solcher Szenen auf dem Relief der Trajanssäule. Der Kaiser legte nicht nur Wert auf die Darstellung der militärischen Erfolge, sondern präsentierte sich auch als Beschützer des Imperiums und der Provinzbevölkerung. Oft war schon ein Altar vorbereitet, wo ihn die Priester erwarteten. Als Pontifex Maximus leitete er ein Opfer für die höchste Gottheit.

Nach den Darstellungen auf seiner Siegessäule war Trajan meist zu Pferde in Begleitung seiner Garde unterwegs, oft im Reisemantel mit Kapuze, manchmal auch in der Toga, dem zivilen Staatsgewand der Oberschicht. Im Panzer erscheint er erst in umkämpften und feindlichen Gebieten. Mit Helm sieht man ihn nie. Das war wohl weniger ein Zeichen von Eitelkeit oder Todesverachtung, sondern Realismus: Der römische Soldat trug den Helm erst dann, wenn Kämpfe erwartet wurden. Und der Kaiser stürzte sich selten in den Kampf. Wenn Persönlichkeiten des alten Roms in Historienfilmen mitten in der Stadt oder gar in ihrer Freizeit in voller Rüstung dargestellt werden, ist das kompletter Unsinn.

Das Relief der Trajanssäule zeigt den Kaiser auch zu Fuß oder auf Schiffen, nicht aber im Reisewagen oder in der Sänfte. Es mag sein, dass er in seinem Bemühen um soldatischen Stil und Einfachheit die Sänfte meist verschmähte. Im Reisewagen muss er aber doch unterwegs gewesen sein, denn es ist überliefert, dass er Freunde ehrte, indem er sie im Wagen mit sich fahren ließ. Brach der Kaiser zu einer Reise oder einem Feldzug auf, brachten Priester und der Senat Gelübde für seine baldige und gesunde Rückkehr dar. Solche Bitten und Sorgen waren berechtigt, denn Reisen waren immer beschwerlich und mit Risiken verbunden. Trajan kehrte aus dem Partherkrieg nicht lebend zurück; er starb einen natürlichen Tod auf der Rückreise von Syrien nach Rom. Hadrians Reisen gingen weit über das normale Engagement eines Herrschers hinaus, aber dies wäre ein Thema für sich, dem ich mich noch nicht widmen kann.

Literatur:

Helmut Halfmann, Itinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Römischen Reich, Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1986, ISBN: 3515045511

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