Sonntag, 25. März 2018

Jenseitsvorstellungen im alten Rom

Die alten Römer nannten sich selbst sehr fromm. Es mag überraschen, dass in ihren Vorstellungen ein gottesfürchtiges Leben auf Erden nicht zu einem guten, sorgenfreien Leben in einem "Paradies" nach dem Tode führte.

Ursprünglich nahmen die Römer an, dass die Verstorbenen in den Gräbern wohnten. Es herrschte eine gewisse Furcht, deren Seelen könnten in die Räume der Lebenden zurückkehren. Später verbreiteten sich Jenseitsvorstellungen, die an jene der Griechen angelehnt waren. Die Unterwelt befand sich unter der Erde. Dort herrschten Pluto und Proserpina (Hades/Persephone). Nur die Toten, die bestattet worden waren, durften dorthin. Sie reisten entweder mit Pferd oder Wagen oder mit dem Schiff zum Fluss Styx. Der Fährmann Charon brachte sie auf die andere Seite zum Eingang der Unterwelt. Deshalb war es üblich, den Toten eine Münze unter die Zunge zu legen, damit sie die Überfahrt bezahlen konnten. Beeindruckend komisch ist der personifizierte Styx aus Jacques Offenbachs Operette "Orpheus in der Unterwelt", wo der trottelige und ständig Betrunkene Euridike "anbaggert", die von Pluto zwar ins Jenseits entführt, aber zunächst vergessen wurde.

Auch ein Totengericht, wo den Verstorbenen Strafen auferlegt wurden, gehörte zu diesen Vorstellungen. Tiefer im Abgrund befand sich der Tartarus, wo aber nur die schlimmsten Sünder und Verbrecher weilen mussten. In der Unterwelt tranken die Toten vom Fluss des Vergessens (Lethe), wo alle Erinnerungen an ihr irdisches Dasein ausgelöscht wurden. Das Leben der Schatten im Jenseits war grau und freudlos. Ablenkungen versprachen nur die Totengedenkfeiern.

Aber es gab Ausnahmen. Besonders verdienstvolle Persönlichkeiten und Helden, Lieblinge der Götter, gelangten auf die Insel der Seligen, das Elysium. Dort lebten die Schatten auf blühenden Wiesen bei Spielen, Gesängen und Tänzen, begleitet von der Musik des Orpheus.

In "Scipios Traum", einem separaten Text aus Ciceros Schrift "de republica", wird eine weitere Vorstellung vom Jenseits beschrieben. Scipio Aemilianus schildert in einer Tischrunde einen Traum, den er hatte. In diesem Traum befindet er sich im Kosmos bei den Sternen und begegnet seinem Adoptivgroßvater Scipio Africanus, der ihm von der Beschaffenheit des Weltalls erzählt. Schließlich trifft er dort auch seinen leiblichen Vater. Es ist eine sehr berührende und faszinierende Geschichte. Der Blick vom Weltall zur Erde, der in diesem Text beschrieben wird, hätte auch der Schilderung eines Astronauten entsprungen sein können! Für mich ist "Scipios Traum" einer der erstaunlichsten literarischen Texte der Antike. Scipio ist in seinem Traum so angerührt von diesem Wunder und der Begegnung mit anderen Seelen, dass er am liebsten dort bleiben will. Aber Africanus ermahnt ihn, dass er zunächst auf Erden etwas leisten und sich das Leben im Himmel quasi verdienen muss. Es ist ein Privileg verdienter Staatsmänner.

Die "guten" römischen Kaiser wurden nach ihrem Tod unter die Staatsgötter erhoben. Während der Kremation trug ein Adler die Seele des verstorbenen Kaisers in den Himmel. Trajan ließ seinen Vorgänger Nerva, seinen leiblichen Vater und seine Schwester divinisieren. Unter Hadrian wurden Trajan, dessen Gattin Plotina und Matidia, die Nichte Trajans und Schwiegermutter Hadrians divinisiert. Nach Plotinas Ableben ließ Hadrian Goldmünzen mit der Aufschrift "divis parentibus" (den vergöttlichten Eltern) prägen, auf deren Rückseite Trajan und Plotina unter Sternen abgebildet sind.

Dass ein Leben im Jenseits auf einer paradiesähnlichen Insel oder im Himmel nur wenigen hochrangigen Verstorbenen zugestanden wurde, ist Spiegelbild der gesellschaftlichen Hierarchie, in der eine Minderheit über die Mehrheit herrschte. Aber bereits in den Mysterienkulten wie denen von Eleusis und weiteren Erlösungskulten offenbart sich die Sehnsucht vieler Menschen nach einem besseren Leben nach dem Tode, das sie sich im Diesseits durch das Befolgen ethischer und moralischer Regeln verdienen konnten. Jene Wünsche und Vorstellungen gipfelten im Christentum, dessen Einfluss zunahm.

Literatur:

Dennis Graen: Tod und Sterben in der Antike, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2011, ISBN 978-38062-2306-4

Marcus Tullius Cicero: De republica/Vom Gemeinwesen, lateinisch/deutsch, Philipp Reclam Jun., Stuttgart 2001, ISBN 3.15-009909-9

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