Sonntag, 25. Juni 2017

Plotina, die Gattin Trajans

Relativ unbekannt ist Plotina, die Frau an Trajans Seite. Kein Wunder, da wir auch von ihrem Gatten wenig wissen. Sie war schon mit Trajan verheiratet, als an seine Herrschaft noch nicht zu denken war. Ehen innerhalb der römischen Oberschicht waren in erster Linie arrangierte Zweckgemeinschaften zur Mehrung des Vermögens, der Beziehungen, des damit verbundenen Prestiges und der Zeugung von Nachkommen, vorzugsweise Söhnen. Wenn Zuneigung, Liebe und erotische Anziehung dazu kamen, erleichterte das den Umgang, aber es war nicht Bedingung. Plinius spricht im Panegyrikus von Ruhm und Ehre, die Plotina ihrem Gatten brachte. Er rühmt ihre Sittenreinheit und ihr vornehm-schlichtes Auftreten. Ich denke bei dieser Schilderung an Juno, die Gemahlin des höchsten Gottes Jupiter. Wie Trajan vermied Plotina übermäßigen Prunk, Exzesse und Skandale, aber zweifellos lebte sie in Luxus.

Wir kennen weder Plotinas Geburtsjahr, noch das Datum ihrer Hochzeit mit Trajan, noch ihren Todestag. Sie starb einige Jahre nach ihrem Gatten unter Hadrian, ihrem und Trajans Ziehsohn. Jegliche zeitliche Annahmen über ihr Leben und Wirken sind Schätzungen. Sie war die Tochter eines Lucius Pompeius …, über den sonst nichts bekannt ist. Die Familie stammte aus der Provinz Gallia Narbonensis, aus Nemausus, dem heutigen Nimes. Im ersten Jahrhundert waren viele Persönlichkeiten aus den gallischen und spanischen Provinzen in die Elite des Imperiums aufgestiegen. Die "neuen" Familien waren vermögend, ehrgeizig und miteinander durch vielfältige Beziehungen verbunden.

Die Familie Trajans zählte zu jenen Eliten und man kann davon ausgehen, dass die Familie Plotinas dem Status der Ulpii adäquat war. Plotina sollte sich als ideale Gattin des Kaisers erweisen. Sie war wohl mindestens zehn Jahre, eher noch jünger als Trajan. Das Paar hatte keine Kinder. Trajans sexuelle Neigungen werden kaum ein Grund dafür gewesen sein. Niemand weiß zudem, ob er homosexuell oder wie viele andere Männer der Oberschicht bisexuell war. Er selbst war von Nerva adoptiert worden und wahrscheinlich nahmen viele Zeitgenossen an, auch er würde einst den "Besten" adoptieren und ihm den Weg zum Kaisertum bereiten. Plinius wünscht dem Herrscher im Panegyrikus einen Sohn und nur im Falle, dass ihm ein Sohn vom Schicksal versagt bleibt, göttlichen Beistand bei der Wahl eines Nachfolgers. (Panegyrikus, 94,5). Daraus erschließt sich, dass das dynastische Herrschertum nach wie vor favorisiert wurde.

Während manche Frauen im kaiserlichen Palast eher negative Berühmtheit erlangten, muss Plotina die ihr zugedachte Rolle ohne Tadel ausgefüllt haben. Der Philosoph Dio von Prusa weilte zeitweise am Hofe Trajans. In seiner Rede "Über das Königtum", die er vor dem Kaiser hielt und deren Inhalt Ähnlichkeiten mit dem Panegyrikus des Plinius hat, spricht er vom idealen Herrscher und sagt über dessen Ehe: "Mit der Gattin weiß er sich nicht nur durch das Ehebett und den Liebesgenuss verbunden, sondern sie ist für ihn auch eine Genossin (Gefährtin) in Rat und Tat und im ganzen Leben." (Dion Chrysostomos aus Prusa, übersetzt von Karl Kraut, Kerler Verlag Ulm, 1901). Auch die Rolle Plotinas kurz vor Trajans Tod deutet darauf hin, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten Einfluss nahm.

Kaiser Trajan hatte keine so vielfältigen geistigen und musischen Neigungen wie sein Mündel Hadrian. Allerdings wäre es übertrieben, ihn als "wenig gebildet" zu bezeichnen. Mit Sicherheit hatte er die für einen Angehörigen der Oberschicht übliche Bildung erworben, aber seine persönlichen Stärken lagen eher in anderen Bereichen. Man kann vermuten, dass Hadrians geistige und musische Neigungen auf Plotinas Anregungen zurückgehen. Dass Plotina überdurchschnittlich gebildet war, erschließt sich schon aus ihrem Bekenntnis zur Lehre des Philosophen Epikur. Ein Schriftwechsel zwischen der epikureischen Schule in Athen und der Kaiserin ist in Auszügen erhalten. Auf Grund ihrer Neigungen mag Plotina eher als ihr Gatte Ansprechpartnerin für Bildung und Künste auf dem Palatin gewesen sein, aber auch Trajan verschloss sich diesen Einflüssen nicht. Dio, der den Kaiser privat traf, berichtet von dessen Studien griechischer Klassiker und der Aufmerksamkeit, die ihm als Philosoph geschenkt wurde. (Quelle: Dion Chrysostomos, siehe oben)

Die Porträts zeigen Plotinas schmales Gesicht mit ernstem Ausdruck, was durch ihre kunstvolle Frisur mit Stirntoupet noch betont wird. Eine durchaus schöne Frau, der weich fallende Locken sicher geschmeichelt hätten, oder ein Bob… aber ich sollte mich hüten, die Kaiserin umzustylen (wenn auch nur in Gedanken). Eine Persönlichkeit wie Plotina diktierte die Haarmode der Damen ihrer Zeit und was damals als schön galt, würden wir heute unpraktisch und überladen finden.

Ich wüsste gern, welche Haar- und Augenfarbe sie hatte, wie sie sich schminken ließ, in welchen Farben sie sich gern kleidete. In meiner Phantasie habe ich sie vor Augen: eine wahrhaftige Lady. Und ich bin von ihr ebenso fasziniert wie von ihrem Gatten.

Die dynastische Politik des "Optimus Princeps", auf die ich ein andermal eingehen werde, zeigt uns heute, dass Hadrian von Anfang an sein Wunschnachfolger war. Dennoch muss Plotinas Einfluss in den letzten Wochen vor Trajans Tod groß gewesen sein. Hadrians Feinde unterstellten ihr, die Adoption nur vorgetäuscht zu haben. Es ist denkbar, dass Trajan auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage war, die entscheidenden Schritte selbst zu tun. Ob sie das Schreiben verfasst hat, das die Nachricht von der Adoption nach Rom brachte, ob der sterbende Kaiser noch unterzeichnen konnte: was da geschrieben stand, war im Sinne Trajans - und Plotinas.

Literatur:

Hildegard Temporini, "Die Kaiserinnen Roms", Verlag C.H. Beck, München 2002, ISBN 3 406 49513 3

Dion Chrysostomos aus Prusa, übersetzt von Karl Kraut, Kerler Verlag Ulm, 1901

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