Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Montag, 19. Juni 2017
Der große Unbekannte
Es ist kaum fassbar, dass die Herrschaft jenes Kaisers, dem der Superlativ "Optimus" offiziell als Titel zuerkannt wurde, in keinem überlieferten literarischen Werk der Antike angemessen behandelt und gewürdigt wird. Der Geschichtsschreiber Tacitus und der Kaiserbiograph Sueton waren Zeitzeugen. Mag sein, dass es unter Hadrian noch zu riskant war, sich der unmittelbaren Vergangenheit zu widmen. Auch unter Trajan fielen hochrangige Persönlichkeiten in Ungnade. Hadrian ließ es nicht bei Ungnade bewenden. Es kam zu Todesurteilen gegen Männer, die ihm gefährlich oder nicht genehm waren. Hadrian, der vielseitig begabt, und, wie seine Biografie in der Historia Augusta berichtet, auf seinen literarischen Nachruhm bedacht war, schrieb seine Memoiren. Leider sind auch diese nicht überliefert. Vom Geschichtswerk des Cassius Dio sind über jenen Zeitraum nur Auszüge bei Xiphilinos, einem Mönch des 11. Jahrhunderts, erhalten.
Trajan verfasste ein Werk über seine Dakerkriege, das Caesars Kommentaren über den gallischen Krieg geähnelt haben mag. Die "Getica", die sein Arzt Crito schrieb, entstand sicher in enger Zusammenarbeit mit dem Kaiser. Auch diese beiden Werke sind verloren. Es ist beinahe zum Verzweifeln und man möchte den Zufall verfluchen, der jene Lücke verursacht hat.
Aber ist es nur Zufall, dass uns keine Biografie Trajans überliefert wurde? Ich mag nicht daran glauben. Zwar ist in Plinius' Panegyrikus die Rede von ernsthafter Dichtung und Geschichtsschreibung, welche den Kaiser feiert (54,2), aber bis auf die in einem Brief erwähnte Absicht des Caninius Rufus, über die Dakerkriege zu schreiben (Plin. Briefe, VIII, 4), ist nichts Genaues bekannt.
Im Panegyrikus (54,2) erwähnt Plinius, Trajan habe Huldigungen auf der (Theater-)Bühne streng verboten. Der Kaiser nahm also durchaus Einfluss darauf, wie er in der Öffentlichkeit gewürdigt wurde - und durch wen. Vielleicht war er auch der Ansicht, dass Details über sein Privatleben sowie seine Kindheit und Jugend nicht unbedingt der Nachwelt überliefert werden mussten. Mit den Kommentaren zu den Dakerkriegen traf er eine thematische Wahl. Ob er seinen unvollendeten Partherfeldzug auf ähnliche Weise kommentierte, wissen wir nicht.
Aber es gibt dennoch Zeugnisse seiner Herrschaft: Münzprägungen, Porträts, Statuen, öffentliche Bauten, Reliefs mit bildlichen Darstellungen. In Brief 8 des Buches X seiner Briefsammlung bittet Plinius den Kaiser um Erlaubnis, seine Statue in einem öffentlichen Gebäude aufstellen zu dürfen, und der Imperator gestattet dies mit dem Hinweis, er gewähre solche Ehrungen äußerst sparsam. Tatsächlich sind viele Bildnisse Trajans erhalten. Gab der Kaiser immer nach, wenn er gebeten wurde? Es ist aber auch denkbar, dass er eine floskelhafte Antwort gab oder im Laufe seiner Regierungszeit weniger „sparsam“ wurde. Allein auf dem Forum Traiani gab es mehrere überlebensgroße Bildnisse des Kaisers, und die Szenen auf dem Reliefband seiner Siegessäule zeigen ihn immer wieder als Feldherr inmitten der Truppen. Betrachtet man die in Stein gemeißelten oder auf Münzen geprägten Darstellungen der Herrschaft Trajans, entsteht der Eindruck, dass er nichts dem Zufall überließ und jene Art der Überlieferung mehr schätzte als Huldigungen in Poesie und Prosa.
Es ist möglich, dass der Princeps Geschichtsschreibung und Dichtung nicht sonderlich gefördert hat und von den Schriftstellern weniger berücksichtigt wurde. Seine Reden ließ er von seinem Freund Sura und später von Hadrian schreiben. Seine eigenen literarischen Fähigkeiten waren wohl eher begrenzt. Sich dem Kaiser und seinem Ruhm schriftstellerisch zu widmen, setzte einen vertrauten Umgang mit ihm voraus. Seine Sekretäre fühlten sich einer solchen Aufgabe vielleicht nicht gewachsen oder schrieben lieber über andere Themen. Man kann auch nicht erwarten, dass Hadrian in seinen Memoiren Enthüllungsstories lieferte oder gar Kritik an seinem Adoptivvater übte, denn damit hätte er seinen Feinden in die Hände gespielt, die behaupteten, er sei nicht der Wunschnachfolger Trajans gewesen.
Trajans Ansehen war nicht makellos. Zeitgenossen kritisierten seinen übermäßigen Alkoholkonsum, seinen Umgang mit Lustknaben und jungen Männern und seine Ruhmsucht. Jene eher anekdotenhafte Kritik schadete seiner Beliebtheit nicht. Es sind keine Skandale bekannt und auch die Frauen an seinem Hof verhielten sich tadellos. Hätte es sich anders zugetragen, wüssten wir davon. Hofklatsch, je skandalöser, desto besser, wurde gern gehört und gelesen. Mag sein, dass eine Epoche, die kaum derartige Sensationen vorzuweisen hatte, einem Sueton nicht spannend genug erschien. Vermutlich spielten mehrere Faktoren zusammen, wenn das Fehlen einer Biografie Trajans nicht auf Zufall beruhte.
Literatur:
Sylvia Fein: Die Beziehungen der Kaiser Trajan und Hadrian zu den litterati, B.G. Teubner, Stuttgart 1994, ISBN 3-519-07475-3
Historia Augusta, Band 1, Hadrianus: Artemis Verlag Zürich und München, 1976, ISBN 3 7608 3568 6
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