Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Sonntag, 11. Juni 2017
Plinius in Bithynien
Im Jahr 111 wurde Plinius der Jüngere als Sonderbeauftragter in die Provinz Pontus-Bithynien im Gebiet der heutigen Türkei gesandt. Kaiser Trajan hatte sich zu dieser Maßnahme entschlossen, da die Finanzen der Städte zerrüttet (X, 18, (3)) und viele Missstände zu beseitigen waren (X, 32, (1)).
Während die Bücher I-IX der Briefsammlung des Plinius von vornherein zur Veröffentlichung bestimmt waren, enthält das Buch X die amtliche Korrespondenz mit dem Kaiser. Einige Briefe wurden vor Plinius‘ Entsendung nach Bithynien verfasst; die meisten stammten jedoch aus der Zeit seines Amtes in der Provinz. Er hatte sicher nicht vor, den Schriftwechsel mit dem Imperator zu veröffentlichen, sondern es wird allgemein angenommen, dass Freunde oder seine Frau Calpurnia dies nach seinem Tod übernahmen. Auch das Buch X ist eine unschätzbare Quelle für jene spärlich dokumentierte Zeit. Es gibt Aufschluss über die Verwaltung der Provinzen, die Grundsätze der Kaiser und speziell Trajans.
Das Verhalten des Plinius und seine Anfragen an den Princeps sind oft bewertet worden. Immer wieder wurde er für seine Unsicherheit und gar Ängstlichkeit kritisiert, seine Anfragen nach Rom wegen scheinbaren Kleinigkeiten wurden belächelt. Man darf nicht vergessen: Plinius war nach Bithynien geschickt worden, um dort aufzuräumen. Dabei galt es, Rechtssicherheit zu schaffen und wiederherzustellen. Willkürliche Anordnungen waren nicht im Sinne Trajans. Er und Plinius hatten die Rechte der Städte zu berücksichtigen, Sonderrechte der jeweiligen Provinz, Erlasse der Prokonsuln, des Senats und früherer Herrscher. Der römische Kaiser konnte nicht allein regieren, musste Traditionen respektieren und diplomatisch sein. Manchmal musste er strenger, manchmal milder entscheiden, wollte als fürsorglich wahrgenommen werden, ohne als schwach zu gelten. Eine Gratwanderung – für den Princeps selbst und auch für denjenigen, der ihn in der Provinz vertrat – denn genau das tat Plinius.
Trajan hatte Plinius ausdrücklich das Recht eingeräumt, Fragen zu stellen, und er machte davon Gebrauch - zu unserem Glück! Wir sind über viele unterschiedliche Bereiche und Probleme der Provinzverwaltung informiert. Berühmt sind die Briefe zur Behandlung der Christen, die wohl jeder Lateinschüler kennt (X, 96 und 97). Plinius wählte einen Kompromiss. Er gab Leuten, die angezeigt wurden, Gelegenheit zu widerrufen und sich zu den römischen Göttern zu bekennen. Nur die Starrsinnigen, die trotz Androhung der Todesstrafe bei ihrem Bekenntnis blieben, wurden hingerichtet. Römische Bürger unter den Angeklagten wurden nach Rom geschickt. Zuvor hatte Plinius zwei Diakonissen foltern lassen, um zu erfahren, ob die Christen in ihren Gemeinden Verbotenes taten. Er fand aber, wie er schrieb, nur einen „verworrenen, maßlosen Aberglauben“. Er war kein Freund der Christen oder gar ein heimlicher Anhänger. Er handelte nach seinen Grundsätzen und denen des Kaisers, der seine Vorgehensweise bestätigte. Bemerkenswert ist die Entscheidung Trajans, anonyme Anzeigen bei keiner Straftat zu berücksichtigen: Dies entspricht nicht dem Zeitgeist! Wir erfahren viel über Bauvorhaben – noch in der Planung oder teils schon umgesetzt. Plinius erwähnt Investruinen und Millionengräber wie das Theater in Nicaea, in dem sich schon Risse zeigten, obwohl es unvollendet geblieben war. Ein weiteres Beispiel sind begonnene und wieder abgerissene Wasserleitungen für Nicomedia. Wir bewundern heute die Aquädukte der alten Römer, aber deren Bau war gelegentlich mit Problemen verbunden, wie wir sie von modernen Großprojekten kennen. Das Wasserleitungs-Drama von Nicomedia veranlasste Trajan zu einem Fluch: „Medius fidius“ – „weiß Gott“, und er beauftragte Plinius, nicht nur dafür zu sorgen, dass die Stadt endlich Wasser bekommt, sondern auch herauszufinden, durch wessen Verschulden so viel Geld - 3 ½ Millionen Sesterzen - verschleudert wurde. Was Plinius in dieser Sache herausbekam, ist nicht überliefert.
Der Kaiser schrieb seine Briefe nicht selbst. Dafür gab es Sekretäre, Spezialisten wie Titinius Capito, Briefpartner des Plinius (V,8), der in seiner Freizeit literarisch tätig war und sich schon unter Domitian und Nerva bewährt hatte. Zwar ist es verlockend, diese oder jene Redewendung dem Kaiser selbst zuzuschreiben, aber man weiß leider nicht, wie hoch sein Anteil an der Form jener Schreiben ist. Viele Formulierungen in Amtsbriefen waren Floskeln. Rom korrespondierte nicht nur mit einer Provinz und einem Statthalter und auch andere Beamte, Freigelassene und Ritter traten in direkten Kontakt mit dem Kaiser. Man kann aber davon ausgehen, dass ihm Anfragen vorgelegt wurden und er entschied beziehungsweise die Richtung und mitunter auch den Ton vorgab. „Medius fidius“ mag tatsächlich ein Ausdruck des Imperators gewesen sein; er verleiht dem sonst höflich-gemessenen Schreiben eine persönliche Deutlichkeit.
Wenn Trajan Plinius in manchen Briefen ermutigte, selbst zu entscheiden, ist das nicht zwangsläufig als Tadel für dessen Unsicherheit zu werten. Vielmehr gingen der Kaiser und sein Sonderbeauftragter umsichtig und präzise vor. Trajan hatte Plinius vor der Abreise zwar Instruktionen gegeben, die aber kaum auf Einzelfälle zielen konnten.
Da die Korrespondenz des Plinius in Buch X abrupt endet, wird angenommen, dass er während seines Amtes in Bithynien starb. Er wurde 52 oder 53 Jahre alt. Es macht mich traurig, dass ihm kein Ruhestand mit Muße und geistiger Tätigkeit vergönnt war. Nachruhm, den er anstrebte, ist ihm jedoch zuteil geworden – in einem Umfang, den er gewiss nie ahnte.
Literatur:
Plinius, Sämtliche Briefe, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1998, ISBN 3-15-059706-4
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