Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Montag, 24. April 2017
Corduba - Córdoba
Am 26.02.2017 las ich in einer Vitrine im Saalburgmuseum, dass Olivenöl meist aus der Baetica, einer Provinz im antiken Hispanien, importiert wurde und dass es zwischen Sevilla und Córdoba riesige Olivenbaumplantagen gab. Am Tag zuvor, dem 25. Februar, waren wir von Sevilla nach Frankfurt geflogen. Knapp drei Stunden benötigten wir für diese Strecke. In der Antike hätte es mehrere Wochen gedauert, um von da nach dort zu kommen. Aber es war ein Reich, das von Rom aus regiert wurde. Olivenbaumplantagen gibt es heute noch in Andalusien. Wir haben sie gesehen.
Der Name der Provinz Baetica im Süden des antiken Hispaniens ist vom Fluss Baetis abgeleitet, dem heutigen Guadalquivir. Der Baetis war die Lebensader jener schönen und reichen Provinz. Die Hauptstadt der Baetica war Córdoba, damals Corduba, um 150 v. Chr. als römische Stadt gegründet. Gesiedelt wurde an dieser Stelle jedoch schon viel früher, um die zweitausend Jahre v. Chr.
Als Senatsprovinz wurde die Baetica, anders als die kaiserlichen Provinzen, die unter der Aufsicht der Kaiser bzw. der Statthalter standen, von Prokonsuln verwaltet. Im Zeitraum 65/66, unter der Herrschaft des Kaisers Nero, war der Prokonsul der südspanischen Provinz Marcus Ulpius Trajanus, der Vater des späteren Kaisers. Im Jahre 64 war es zum großen Brand von Rom gekommen, 66 sollte Nero zu seiner über einjährigen "Künstler-"Reise nach Griechenland aufbrechen. Zu diesem Zeitpunkt müssen sich schon viele einflussreiche Senatoren von ihm abgewendet haben, zumal das Leben unter seiner Herrschaft gefährlich geworden war. Im Jahre 65 waren Seneca und sein Neffe Lucanus - beide stammten aus Corduba -, in den Tod getrieben worden. Gut möglich, dass Trajanus erleichtert über die Entsendung in die Heimatprovinz war. Es ist nicht überliefert, ob ihn sein Sohn (53 geboren, also damals ein Teenager) in die Baetica begleitet hat. Es ist aber durchaus möglich, bot doch eine solche Reise die Möglichkeit, die Heimat der Familie, die Besitztümer kennen zu lernen und durch den Vater erste Einblicke in die Verwaltung zu erhalten. Somit ist es denkbar, dass Trajan als Zwölfjähriger auch in Corduba war.
Die antike Stadt befand sich unter der heutigen historischen Altstadt. Unser Aufenthalt war zeitlich knapp bemessen, außerdem kamen wir an einem Montag an. Wir haben nur wenige Ruinen aus der Römerzeit gesehen und auch das archäologische Museum konnten wir nicht besichtigen. Leider muss man Prioritäten setzen und mir kam es eher darauf an, die Stadt zu sehen und zu spüren. Ich wollte sie auch am Abend erleben und über Nacht bleiben. Und natürlich interessierte mich die Landschaft zwischen Sevilla und Cordoba, die wir mit dem Bus durchquerten. Beherrschend sind die schon erwähnten Olivenbaumplantagen. Córdoba liegt im Norden Andalusiens. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, erreicht die Stadt entweder mit den Fernbussen, welche relativ häufig fahren, oder mit dem Zug. Man sieht sie von weitem vor der Sierra Morena liegen; hell heben sich Häuser und Türme von der Landschaft ab. Mein Hauptinteresse in diesem Urlaub galt Sevilla und Santiponce/Italica, aber Córdoba gefiel mir sehr.
Wir wohnten in einer Pension im Jüdischen Viertel mit kleinen Geschäften und Restaurants, wo man schön bummeln kann. Viele Sehenswürdigkeiten konnten wir zu Fuß erreichen, aber da wir nur wenige Stunden zur Verfügung hatten, waren wir oft mit Stadtrundfahrt-Bussen unterwegs. Wir sahen uns das römische Mausoleum an, genauer gesagt, den Teil, der ausgegraben worden ist, und blieben auch am römischen Tempel nahe der Kathedrale stehen. Bereits bei unserer Ankunft konnten wir einen Blick auf römische Ruinen im Busbahnhof werfen. Auch in der Nähe des Hauptbahnhofs waren Ausgrabungen zu sehen. Natürlich waren wir nicht nur an römischen Hinterlassenschaften interessiert. Der Alcázar ist montags geschlossen … wir müssen an einem anderen Wochentag wieder kommen! Aber wir besichtigten die Mezquita-Kathedrale, das Wahrzeichen von Córdoba. Man sieht der Kathedrale an, dass sie einst eine Moschee war, und zum Bau wurden auch antike Säulen verwendet. Im Innern der Mezquita fühlt man sich dem quirligen Treiben in den Gassen der Stadt entrückt und kommt zur Ruhe. Dazu trägt wohl das gedämpfte Licht bei, aber auch die Architektur, die Vielgliedrigkeit des Gebäudes: die Kathedrale wirkt weitläufig und komplex. Als während unseres Aufenthaltes dort die Orgel erklang, setzten wir uns, hörten zu und konnten unser Glück kaum fassen. Ein wunderschönes Stück wurde gespielt, lieblich und harmonisch, bis dann donnernd und brausend das Finale ertönte. Die Orgel ist wahrhaftig die Königin der Instrumente! Ich liebe Orgelmusik und jene, die wir in der Mezquita, einer der schönsten Kirchen der Welt, hörten, wird mir immer in Erinnerung bleiben.
Die römische Brücke in Córdoba befindet sich noch an der Stelle der Brücke aus der Römerzeit. Sie war lange die einzige Brücke über den Guadalquivir, wurde aber mehrfach umgebaut. Heute ist sie nur noch Fußgängerbrücke und besonders am Abend ein schöner Ort für einen Spaziergang. In der Antike soll der Baetis bis Corduba schiffbar gewesen sein. Allerdings fuhren die größeren Kähne nur bis Hispalis (Sevilla) und weiter ging es mit kleineren Schiffen. Heute fahren Schiffe nur noch bis Sevilla. Bei Córdoba ist der Fluss voller Inseln, die Rückzugsorte für Vögel sind. Auf einer der Inseln steht die Ruine einer alten Mühle.
Berühmt ist Córdoba für die schön gestalteten, grünen Innenhöfe, in denen sich oft Springbrunnen befinden. Diese Tradition geht auf die Römerzeit, aber auch auf maurischen Einfluss zurück. Córdoba hat mich bezaubert und ich würde gern einmal dorthin zurückkehren - dann aber unbedingt mit viel mehr Zeit.
Literatur:
Sabine Panzram: Stadtbild und Elite: Tarraco, Corduba und Augusta Emerita zwischen Republik und Spätantike, Franz Steiner Verlag Stuttgart, 2002, ISBN 3-515-08039-2
Montag, 17. April 2017
Das Bild bekommt Risse: Der Eroberer
Neben älteren Veröffentlichungen über Römische Geschichte wie beispielsweise "Das Römische Weltreich" von Theodor Birt war in der DDR auch moderne populärwissenschaftliche Literatur erhältlich, so Wolfgang Seyfarths "Römische Geschichte, Kaiserzeit" in zwei Bänden. Nach und nach kam ich an die grundlegenden Informationen über Trajans Herrschaft heran. Dass er überwiegend mit Augenmaß regierte und durch seine Umgänglichkeit als Princeps des Senats und Landesvater gleichermaßen beliebt war, würdigte auch die DDR-Sachliteratur.
Aber Trajan zählt auch zu den erfolgreichen Eroberern unter den römischen Kaisern und unter seiner Herrschaft erreichte das Imperium seine größte Ausdehnung. Die Unterwerfung des Dakerreiches in zwei Kriegen war ein gewaltiger Kraftakt. Es kam zu erbitterten Kämpfen mit Verlusten auf beiden Seiten, und auch die Zivilbevölkerung in Dakien wurde schwer getroffen. Die Menschen litten unter Verwüstungen und Plünderungen, mussten fliehen, wurden getötet oder gefangen genommen. Geeignete Kriegsgefangene sparte man für die Spiele zu den Siegesfeierlichkeiten in Rom auf. Und Trajan veranstaltete glanzvolle Spiele: Gladiatorenkämpfe, Tierhetzen und innerhalb dieser Veranstaltungen auch Hinrichtungen. Sicher genoss er diese Vorführungen inmitten seines Volkes und nicht nur, um sich beliebt zu machen.
Als mir all das bewusst wurde, war ich überfordert und traurig. Das Bild vom "humanen" Kaiser, das ich mir gemacht hatte, brach zusammen. Das war etwas Anderes als ein bisschen Missbilligung, wenn man erfährt, dass der Lieblings-Rockstar nicht nur tolle Musik macht, sondern gelegentlich auch Hotelzimmer verwüstet. Da ging es um Tausende, vielleicht Zehntausende Tote und eine Art von Massenunterhaltung, deren Grausamkeit wir heute verurteilen.
Nach und nach wurde mir klar, dass Trajans Kriege und die großzügigen Spiele, die er gab, in keinem Widerspruch standen zu seinem eigenen Anspruch, gut herrschen zu wollen. Ein römischer Kaiser benötigte Erfolge als Feldherr. Das Erwerben von Kriegsruhm war als altrömische Tugend tief im Selbstverständnis der Oberschicht verwurzelt. Das Heer wünschte sich einen starken, tapferen und disziplinierten Feldherrn, und Soldaten wie Offiziere strebten nach Belohnungen und Beförderungen. Die Römer hatten den Anspruch, nur "gerechte" Kriege zu führen. Somit war zumindest offiziell ausgeschlossen, dass ein Kaiser aus persönlichen Gründen einen Krieg vom Zaune brach. Aber es gab genügend Gelegenheiten für die Cäsaren, sich als Feldherren zu bewähren. Immer wieder kam es zu Konflikten an den Grenzen des Imperiums. Der Dakerkönig Decebalus war ein ernst zu nehmender, selbstbewusster Gegner, der sich Rom nicht beugen wollte und sogar ein anti-römisches Bündnis mit den Parthern anstrebte.
Dem Volk von Rom gab Trajan, was es sich wünschte. Das Verlangen nach Brot und Spielen ist heute noch sprichwörtlich. Durch die Bauvorhaben des Princeps in Rom und Italien hatten viele Menschen ein Einkommen. Die Spiele und speziell die Gladiatorenkämpfe wurden in der damaligen Zeit anders bewertet. Der Kampf auf Leben und Tod entsprach durchaus dem altrömischen Ideal der Tapferkeit (virtus). Trajan hat in besonderem Maße versucht, sowohl der Oberschicht, dem Senat, als auch seinem Heer und Volk gerecht zu werden. Das ist ihm oftmals durch Gesten gelungen, denn von seiner fast absoluten Macht hat er nichts vergeben.
Es ist problematisch, eine so weit zurück liegende Geschichtsepoche an modernen Maßstäben zu messen. Mir ist es wichtig, mich den zwiespältigen Gedanken und Gefühlen, die bei der Beschäftigung aufkommen, zu stellen. Da gibt es Momente der Begeisterung: Toll, was die antiken Hochkulturen vollbracht haben. Und manchmal kann man einfach nur den Kopf schütteln, ist verwundert oder gar entsetzt. Warum, habe ich mich oft gefragt, hat der Kaiser als über Sechzigjähriger seinen Partherkrieg geführt? Hätte er nicht ahnen müssen, dass ein solches Unternehmen die Kräfte des Reiches (und letztlich auch seine eigenen) übersteigen würde?
Aber ehrlich: Beschränkt sich solche Ambivalenz nur auf den Umgang mit Geschichte? Ist die Neuzeit denn frei von Grausamkeit, Gewalt, Irrtümern, Voyeurismus, Selbstherrlichkeit, fragwürdiger Massenunterhaltung? Menschen haben Großartiges wie auch Schreckliches getan - und tun es immer noch.
Man kann eine historische Persönlichkeit kritisch betrachten, auch zwiespältig, und ihr dennoch Respekt entgegen bringen. Und Respekt hat Trajan durchaus verdient.
Literatur:
Theodor Birt: Das römische Weltreich, Th. Knaur Nachf., Berlin 1941
Wolfgang Seyfarth: Römische Geschichte, Kaiserzeit 1, Akademie-Verlag DDR, Berlin, 1974
Marcus Junkelmann: Das Spiel mit dem Tod - So kämpften Roms Gladiatoren, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2000, ISBN 3-8053-2563-0
Montag, 10. April 2017
Italica: Ruinen einer römischen Stadt in Andalusien
19.02.2017: Ein Tag, den ich nie vergessen werde. Wir, mein Mann Christian, der zunehmend in mein Projekt involviert ist, und ich fuhren mit dem Linienbus von Sevilla zum ca. 11 Kilometer entfernten Santiponce, stiegen im Ortszentrum aus und machten uns auf die Suche nach den Ruinen von Italica, einer Stadt in der römischen Provinz Baetica.
Bald sahen wir das umzäunte Gelände und einen Weg, der zwischen Zäunen hangaufwärts führte: laut Handy-Navigation direkt zum Traianeum. Wenn das nicht gut klingt, dachten wir. Als wir schließlich vor einem Friedhof standen, ahnten wir, dass wir den falschen Weg genommen hatten. Wir konnten Italica schon gut sehen und auch Besucher, die dort umher liefen, aber an jener Stelle war kein Durchkommen. Ein Angestellter des Parks oder auch des Friedhofes, der offenbar schon auf verirrte Touristen wartete, wies uns den Weg zurück nach Santiponce.
Wir mussten die Straße hinunter, dann weiter am Zaun gehen, an einer Hauptstraße entlang, bis wir schließlich vorm Eingang des archäologischen Parks standen. Wenige Meter vom Eingang entfernt gibt es eine Bushaltestelle. Wer den Linienbus nimmt, sollte nicht mitten in Santiponce aussteigen, sondern noch ein Stück weiter fahren. Manchmal, wenn auch seltener als die Linienbusse verkehrt ein Santiponce-Expressbus. Am besten steigt man am Busbahnhof in Sevilla ein, Plaza de Armas.
Das antike Italica liegt noch zum großen Teil unter Santiponce verborgen. Der Park mit den ausgegrabenen Gebäuden befindet sich am Rande des Ortes. Außerhalb des Parks kann man das römische Theater besichtigen, was wir jedoch nicht getan haben.
Die Familien der Kaiser Trajan und Hadrian stammten aus Italica, doch halten es die Forscher für unwahrscheinlich, dass Trajan - wie überliefert ist - in Italica geboren wurde, da sein Vater zu jener Zeit seiner Karriere wegen in Rom sein musste. Dennoch: ausschließen kann man es nicht, dass der Sohn tatsächlich in der Provinz geboren wurde. Hadrian erhob Italica auf Bitten der Stadt in den Rang einer Colonia.
Das römische Imperium war ein Vielvölkerstaat, und somit waren Trajan und Hadrian keine Spanier, sondern Römer. Ursprünglich stammten die Ulpii aus Umbrien und einer der Vorfahren des Kaisers gehörte wohl zu jenen verwundeten Soldaten, die Scipio Africanus nach dem 2. Punischen Krieg auf der Iberischen Halbinsel ansiedelte.
Am Eingang des archäologischen Parks zeigt man den Ausweis vor - EU-Bürger zahlen nichts. Als wir endlich hinein gingen, war ich freudig berührt. Viele Jahre hindurch hätte ich von einer Reise dorthin nie zu träumen gewagt. Und weitere Jahre lang habe ich nicht davon geträumt, weil ich mein Projekt aus den Augen verloren hatte. Als ich Anfang 2016 den Wunsch verspürte, Italica zu sehen, beließ ich es nicht lange beim Träumen, sondern begann, die Reise zu planen.
Gleich in der Nähe des Eingangstores steht ein Denkmal mit einem modernen Porträt Kaiser Trajans, das im Jahr 1953, 1900 Jahre nach seiner Geburt, aufgestellt wurde. Es gefiel mir sehr gut, erinnert es doch an eines der schönsten und ausdrucksvollsten antiken Bildnisse des Kaisers, den Kolossalkopf von Ostia. Im Besucherzentrum des Parks kann man per Computeranimation sehen, wie Italica in seiner Blütezeit aussah. Rekonstruktionen sind für mich immer hilfreich, denn ohne sie stehe ich den Ruinen meist ziemlich phantasie- und verständnislos gegenüber.
Das Amphitheater betrachtet man am besten von einem Weg aus, der oberhalb der Ruine und um sie herum verläuft. Der Park ist hier sehr hübsch, Bäume und Sträucher spenden Schatten; wir entdeckten erste Blüten von Wildkirschen. Anschließend kann man ins Amphitheater hinein gehen und wer einmal im Kolosseum in Rom war, fühlt sich in Italica daran erinnert. Obwohl das Bauwerk in der Provinz nicht die Dimensionen des flavischen Amphitheaters erreicht, ist es beeindruckend.
Anschließend wendet man sich links hügelaufwärts und erreicht die Ruinen der Wohnhäuser wohlhabender Bürger mit den wunderschönen Mosaikfußböden, die Thermen und, am Ende der Anlage, in unmittelbarer Nähe des Friedhofs von Santiponce, das Traianeum, ein Tempel, der nach Trajans Tod errichtet wurde. Die römischen Kaiser jener Zeit wurden nach ihrem Tod zu Staatsgöttern erhoben. Das mutet heutzutage etwas seltsam an. Der Kaiserkult war aber in jenem Vielvölkerstaat verbindend und identitätsstiftend und eine wichtige Voraussetzung für seinen Bestand. Eine Kolossalstatue, die als Bildnis Trajans gilt -vom Gesicht ist nicht viel erhalten geblieben -, ragt hinter den Ruinen der Wohnhäuser auf.
Die Mosaikfußböden sind wohl die schönsten Überreste von Italica. Viele Funde kann man im archäologischen Museum von Sevilla besichtigen, dessen Besuch sehr empfehlenswert ist. Es befindet sich im Maria-Luisa-Park, einer grünen Oase innerhalb der Stadt.
Von Italica aus kann man Sevilla sehen, aber umgekehrt ist es schwieriger - man kann lediglich ahnen, wo Santiponce/Italica liegt, wenn man in Sevilla ist.
Der Boden, auf dem Italica erbaut wurde, ist sehr lehmhaltig. Der Lehm rutscht vom Hang auf den Fußweg neben der Straße, die zum archäologischen Park führt. Ein wenig von dem Lehm klebt noch an meinen Schuhen, und ich zögere, ihn zu entfernen. Wenn ich einen Ort wie diesen betrete, geht es mir in erster Linie darum, ein Gespür dafür zu bekommen. Ich weiß nun, dass sich Italica auf einer Anhöhe erstreckte, wo es heute mitunter windig ist. Man ahnt, dass es sich dort gut leben ließ. Ehrgeizige Männer jedoch blieben nicht in der Provinz, sondern gingen nach Rom, um Ämter zu bekleiden, Senatoren zu werden - und sogar Kaiser.
Literaturtipp:
Annette Nünnerich-Asmus (Hrsg:): Traian, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2780-3
darin: Werner Eck: Traian - Der Weg zum Kaisertum
Samstag, 1. April 2017
Wie alles begann
Als junges Mädchen von dreizehn, vierzehn Jahren hatte ich nicht annähernd so viele Interessen wie heute. Eine Weile habe ich mich für Indianer begeistert, alles Verfügbare gelesen, sowohl Sachbücher für Jugendliche als auch Märchen, Erzählungen und Romane.
In der Schule im Geschichtsunterricht wurden die Ereignisse um die Varusschlacht behandelt. Zuvor war das Römische Reich zumindest kurz betrachtet worden. In der DDR wurde der Kampf der Germanen - das einfacher lebende und gerechtere Volk - gegen die Eroberer, die Römer zu einer Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse stilisiert. Ich las die Romane von Ludwig Renn "Herniu und der blinde Asni" sowie "Herniu und Armin", die von jener Zeit handelten, und die Bücher nahmen mich gegen die überwiegend dekadent und korrupt auftretenden Eroberer ein. Ludwig Renn ("Krieg", "Adel im Untergang") ist ein begnadeter Erzähler und ich war gefesselt von dem, was er schrieb. Hinweise auf die kulturellen Leistungen Roms seitens meiner Eltern und Großeltern wollte ich nicht hören. Eines Tages, in den Ferien, langweilte ich mich und schaltete den Fernseher ein. Da lief eine Serie "Römer, Daker, fremde Götter" über die Kriege zwischen dem Dakerreich und Rom, die einige Parallelen zu den Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern aufwiesen. Diese Serie war aus den Filmen "Der letzte große Sieg der Daker" (Dacii) und "Die Säule des Trajan" (Columna) entstanden. Auf beide Filme werde ich in gesonderten Beiträgen eingehen. Es gab, und das berührte mich sehr, sowohl auf Seiten der Daker als auch auf Seiten der Römer sympathische und weniger sympathische Charaktere.
Kaiser Trajan trat in drei relativ kurzen Szenen in Erscheinung. Er ist in "Columna" entsprechend der Überlieferung gut getroffen. Diese Momente packten mich derart und lösten eine Faszination in mir aus, die bis heute anhält. Es waren keine großen Gesten, die mich für ihn einnahmen, im Gegenteil. Sein Auftreten war ruhig, würdevoll und begleitet von wohldosierter Menschlichkeit, die er als Führungspersönlichkeit gezielt einsetzte. Am meisten berührte es mich, dass er so völlig anders war, als ich mir einen römischen Kaiser vorstellte. Es ist ein eindrückliches Erlebnis, wenn die eigenen Vorurteile dahin schmelzen.
Kaiser Trajan zählt zu den bedeutendsten Monarchen der Weltgeschichte und seine überwiegend positive Wirkung auf die Nachwelt ist ein Phänomen für sich. Selbstverständlich wird seine Persönlichkeit heute auch kritisch betrachtet, aber das schmälert kaum seine Anziehungskraft. Ein römischer Kaiser und seine Zeit waren also mein neues Hobby. Ich glaubte es selbst kaum.
Endlich mal kein Nischenthema, wozu ich mir mühsam Informationen suchen muss, dachte ich. Über einen römischen Kaiser würde doch eine Fülle an Wissen existieren… Wie sich bald herausstellte, entsprachen meine Vorstellungen nicht der Realität. Schon über Trajans Regierungszeit wissen wir relativ wenig. Es fehlt vor allem an literarischen Zeugnissen - später werde ich zu diesem Fakt eine Hypothese wagen. So gut wie unbekannt ist seine Jugend, und die wenigen Nachrichten über sein Privatleben finden wir in einer Lobrede Plinius des Jüngeren, einem tendenziösen Werk. Sowohl der Panegyrikus des Plinius als auch seine Briefsammlung sind wertvolle Quellen und ich schätze Plinius auch als Persönlichkeit. Aber das, was er uns über den Kaiser mitteilt, ist keineswegs Journalismus und muss quellenkritisch betrachtet werden.
An Sachbücher, die meine Neugier hätten stillen können, kam ich zunächst kaum heran. Aber auch in Romanen und Erzählungen kommt der Kaiser relativ selten vor. Mit den Jahren wuchs meine Bibliothek und ich werde wohl nie aufhören, sie zu ergänzen. Was ich mir allerdings wünschte: den Kaiser als lebendige Persönlichkeit zu erfühlen, schaffte ich lange Zeit nicht. Mir wurde klar, dass ich das Buch, welches ich gern lesen würde, selbst schreiben muss. Mehrfach begann ich, unterbrach für Monate, Jahre, mitunter viele Jahre. Vor einigen Monaten nun erwachte in mir der Wunsch, das Vorhaben zu Ende zu bringen.