Samstag, 1. April 2017

Wie alles begann

Als junges Mädchen von dreizehn, vierzehn Jahren hatte ich nicht annähernd so viele Interessen wie heute. Eine Weile habe ich mich für Indianer begeistert, alles Verfügbare gelesen, sowohl Sachbücher für Jugendliche als auch Märchen, Erzählungen und Romane.

In der Schule im Geschichtsunterricht wurden die Ereignisse um die Varusschlacht behandelt. Zuvor war das Römische Reich zumindest kurz betrachtet worden. In der DDR wurde der Kampf der Germanen - das einfacher lebende und gerechtere Volk - gegen die Eroberer, die Römer zu einer Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse stilisiert. Ich las die Romane von Ludwig Renn "Herniu und der blinde Asni" sowie "Herniu und Armin", die von jener Zeit handelten, und die Bücher nahmen mich gegen die überwiegend dekadent und korrupt auftretenden Eroberer ein. Ludwig Renn ("Krieg", "Adel im Untergang") ist ein begnadeter Erzähler und ich war gefesselt von dem, was er schrieb. Hinweise auf die kulturellen Leistungen Roms seitens meiner Eltern und Großeltern wollte ich nicht hören. Eines Tages, in den Ferien, langweilte ich mich und schaltete den Fernseher ein. Da lief eine Serie "Römer, Daker, fremde Götter" über die Kriege zwischen dem Dakerreich und Rom, die einige Parallelen zu den Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern aufwiesen. Diese Serie war aus den Filmen "Der letzte große Sieg der Daker" (Dacii) und "Die Säule des Trajan" (Columna) entstanden. Auf beide Filme werde ich in gesonderten Beiträgen eingehen. Es gab, und das berührte mich sehr, sowohl auf Seiten der Daker als auch auf Seiten der Römer sympathische und weniger sympathische Charaktere.

Kaiser Trajan trat in drei relativ kurzen Szenen in Erscheinung. Er ist in "Columna" entsprechend der Überlieferung gut getroffen. Diese Momente packten mich derart und lösten eine Faszination in mir aus, die bis heute anhält. Es waren keine großen Gesten, die mich für ihn einnahmen, im Gegenteil. Sein Auftreten war ruhig, würdevoll und begleitet von wohldosierter Menschlichkeit, die er als Führungspersönlichkeit gezielt einsetzte. Am meisten berührte es mich, dass er so völlig anders war, als ich mir einen römischen Kaiser vorstellte. Es ist ein eindrückliches Erlebnis, wenn die eigenen Vorurteile dahin schmelzen.

Kaiser Trajan zählt zu den bedeutendsten Monarchen der Weltgeschichte und seine überwiegend positive Wirkung auf die Nachwelt ist ein Phänomen für sich. Selbstverständlich wird seine Persönlichkeit heute auch kritisch betrachtet, aber das schmälert kaum seine Anziehungskraft. Ein römischer Kaiser und seine Zeit waren also mein neues Hobby. Ich glaubte es selbst kaum. Endlich mal kein Nischenthema, wozu ich mir mühsam Informationen suchen muss, dachte ich. Über einen römischen Kaiser würde doch eine Fülle an Wissen existieren… Wie sich bald herausstellte, entsprachen meine Vorstellungen nicht der Realität. Schon über Trajans Regierungszeit wissen wir relativ wenig. Es fehlt vor allem an literarischen Zeugnissen - später werde ich zu diesem Fakt eine Hypothese wagen. So gut wie unbekannt ist seine Jugend, und die wenigen Nachrichten über sein Privatleben finden wir in einer Lobrede Plinius des Jüngeren, einem tendenziösen Werk. Sowohl der Panegyrikus des Plinius als auch seine Briefsammlung sind wertvolle Quellen und ich schätze Plinius auch als Persönlichkeit. Aber das, was er uns über den Kaiser mitteilt, ist keineswegs Journalismus und muss quellenkritisch betrachtet werden.

An Sachbücher, die meine Neugier hätten stillen können, kam ich zunächst kaum heran. Aber auch in Romanen und Erzählungen kommt der Kaiser relativ selten vor. Mit den Jahren wuchs meine Bibliothek und ich werde wohl nie aufhören, sie zu ergänzen. Was ich mir allerdings wünschte: den Kaiser als lebendige Persönlichkeit zu erfühlen, schaffte ich lange Zeit nicht. Mir wurde klar, dass ich das Buch, welches ich gern lesen würde, selbst schreiben muss. Mehrfach begann ich, unterbrach für Monate, Jahre, mitunter viele Jahre. Vor einigen Monaten nun erwachte in mir der Wunsch, das Vorhaben zu Ende zu bringen.

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