Montag, 10. April 2017

Italica: Ruinen einer römischen Stadt in Andalusien

19.02.2017: Ein Tag, den ich nie vergessen werde. Wir, mein Mann Christian, der zunehmend in mein Projekt involviert ist, und ich fuhren mit dem Linienbus von Sevilla zum ca. 11 Kilometer entfernten Santiponce, stiegen im Ortszentrum aus und machten uns auf die Suche nach den Ruinen von Italica, einer Stadt in der römischen Provinz Baetica.

Bald sahen wir das umzäunte Gelände und einen Weg, der zwischen Zäunen hangaufwärts führte: laut Handy-Navigation direkt zum Traianeum. Wenn das nicht gut klingt, dachten wir. Als wir schließlich vor einem Friedhof standen, ahnten wir, dass wir den falschen Weg genommen hatten. Wir konnten Italica schon gut sehen und auch Besucher, die dort umher liefen, aber an jener Stelle war kein Durchkommen. Ein Angestellter des Parks oder auch des Friedhofes, der offenbar schon auf verirrte Touristen wartete, wies uns den Weg zurück nach Santiponce.

Wir mussten die Straße hinunter, dann weiter am Zaun gehen, an einer Hauptstraße entlang, bis wir schließlich vorm Eingang des archäologischen Parks standen. Wenige Meter vom Eingang entfernt gibt es eine Bushaltestelle. Wer den Linienbus nimmt, sollte nicht mitten in Santiponce aussteigen, sondern noch ein Stück weiter fahren. Manchmal, wenn auch seltener als die Linienbusse verkehrt ein Santiponce-Expressbus. Am besten steigt man am Busbahnhof in Sevilla ein, Plaza de Armas.

Das antike Italica liegt noch zum großen Teil unter Santiponce verborgen. Der Park mit den ausgegrabenen Gebäuden befindet sich am Rande des Ortes. Außerhalb des Parks kann man das römische Theater besichtigen, was wir jedoch nicht getan haben.

Die Familien der Kaiser Trajan und Hadrian stammten aus Italica, doch halten es die Forscher für unwahrscheinlich, dass Trajan - wie überliefert ist - in Italica geboren wurde, da sein Vater zu jener Zeit seiner Karriere wegen in Rom sein musste. Dennoch: ausschließen kann man es nicht, dass der Sohn tatsächlich in der Provinz geboren wurde. Hadrian erhob Italica auf Bitten der Stadt in den Rang einer Colonia.

Das römische Imperium war ein Vielvölkerstaat, und somit waren Trajan und Hadrian keine Spanier, sondern Römer. Ursprünglich stammten die Ulpii aus Umbrien und einer der Vorfahren des Kaisers gehörte wohl zu jenen verwundeten Soldaten, die Scipio Africanus nach dem 2. Punischen Krieg auf der Iberischen Halbinsel ansiedelte.

Am Eingang des archäologischen Parks zeigt man den Ausweis vor - EU-Bürger zahlen nichts. Als wir endlich hinein gingen, war ich freudig berührt. Viele Jahre hindurch hätte ich von einer Reise dorthin nie zu träumen gewagt. Und weitere Jahre lang habe ich nicht davon geträumt, weil ich mein Projekt aus den Augen verloren hatte. Als ich Anfang 2016 den Wunsch verspürte, Italica zu sehen, beließ ich es nicht lange beim Träumen, sondern begann, die Reise zu planen.

Gleich in der Nähe des Eingangstores steht ein Denkmal mit einem modernen Porträt Kaiser Trajans, das im Jahr 1953, 1900 Jahre nach seiner Geburt, aufgestellt wurde. Es gefiel mir sehr gut, erinnert es doch an eines der schönsten und ausdrucksvollsten antiken Bildnisse des Kaisers, den Kolossalkopf von Ostia. Im Besucherzentrum des Parks kann man per Computeranimation sehen, wie Italica in seiner Blütezeit aussah. Rekonstruktionen sind für mich immer hilfreich, denn ohne sie stehe ich den Ruinen meist ziemlich phantasie- und verständnislos gegenüber.

Das Amphitheater betrachtet man am besten von einem Weg aus, der oberhalb der Ruine und um sie herum verläuft. Der Park ist hier sehr hübsch, Bäume und Sträucher spenden Schatten; wir entdeckten erste Blüten von Wildkirschen. Anschließend kann man ins Amphitheater hinein gehen und wer einmal im Kolosseum in Rom war, fühlt sich in Italica daran erinnert. Obwohl das Bauwerk in der Provinz nicht die Dimensionen des flavischen Amphitheaters erreicht, ist es beeindruckend.

Anschließend wendet man sich links hügelaufwärts und erreicht die Ruinen der Wohnhäuser wohlhabender Bürger mit den wunderschönen Mosaikfußböden, die Thermen und, am Ende der Anlage, in unmittelbarer Nähe des Friedhofs von Santiponce, das Traianeum, ein Tempel, der nach Trajans Tod errichtet wurde. Die römischen Kaiser jener Zeit wurden nach ihrem Tod zu Staatsgöttern erhoben. Das mutet heutzutage etwas seltsam an. Der Kaiserkult war aber in jenem Vielvölkerstaat verbindend und identitätsstiftend und eine wichtige Voraussetzung für seinen Bestand. Eine Kolossalstatue, die als Bildnis Trajans gilt -vom Gesicht ist nicht viel erhalten geblieben -, ragt hinter den Ruinen der Wohnhäuser auf.

Die Mosaikfußböden sind wohl die schönsten Überreste von Italica. Viele Funde kann man im archäologischen Museum von Sevilla besichtigen, dessen Besuch sehr empfehlenswert ist. Es befindet sich im Maria-Luisa-Park, einer grünen Oase innerhalb der Stadt.

Von Italica aus kann man Sevilla sehen, aber umgekehrt ist es schwieriger - man kann lediglich ahnen, wo Santiponce/Italica liegt, wenn man in Sevilla ist.

Der Boden, auf dem Italica erbaut wurde, ist sehr lehmhaltig. Der Lehm rutscht vom Hang auf den Fußweg neben der Straße, die zum archäologischen Park führt. Ein wenig von dem Lehm klebt noch an meinen Schuhen, und ich zögere, ihn zu entfernen. Wenn ich einen Ort wie diesen betrete, geht es mir in erster Linie darum, ein Gespür dafür zu bekommen. Ich weiß nun, dass sich Italica auf einer Anhöhe erstreckte, wo es heute mitunter windig ist. Man ahnt, dass es sich dort gut leben ließ. Ehrgeizige Männer jedoch blieben nicht in der Provinz, sondern gingen nach Rom, um Ämter zu bekleiden, Senatoren zu werden - und sogar Kaiser.

Literaturtipp:

Annette Nünnerich-Asmus (Hrsg:): Traian, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2780-3

darin: Werner Eck: Traian - Der Weg zum Kaisertum