Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Sonntag, 13. September 2020
Gelassenheit, Vernunft und Pflichten - die Stoa
Die stoische Philosophie oder auch Stoa, benannt nach einer Säulenhalle in Athen, wo Zenon aus Kition - der Begründer jener Schule - lehrte, wird oft als Gegenentwurf zur Lehre Epikurs bezeichnet. Beim genaueren Hinsehen erkennt man durchaus Gemeinsamkeiten. Beide philosophischen Schulen entstanden in einer Zeit der Auflösung griechischer Stadtstaaten, in einer Phase, als Menschen Halt suchten in einer Welt voller Veränderungen. Und beide Schulen lehrten, dass Halt aus persönlicher Haltung erwachsen kann.
Zenon, der aus Zypern stammte, war Sohn eines Händlers. Als er einmal Schiffbruch erlitt, kam er bei einem Buchhändler in Athen mit Philosophie in Berührung. Dies brachte ihn dazu, Schiffbrüche als positive Zäsuren im Leben zu preisen, was der heutigen Auffassung entspricht, dass Krisen Chancen seien. Zenon sah man seine asketische Lebensweise an: er war groß und hager und sein Gesichtsausdruck war ernst, manchmal sogar finster. Er war schüchtern und sensibel und mochte es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Die Lehre Epikurs, welche das Streben nach Freude und Lust als Sinn des Lebens betrachtete, lehnte er ab: er meinte, dies verweichliche nur. Er sah den Sinn des Lebens in der Ausübung von Pflichten.
Immerhin soll Zenon ein bis zweimal Kontakt mit Prostituierten gehabt haben. Ansonsten lebte er sehr bescheiden, aß und trank nur wenig und kleidete sich nachlässig. Diese Lebensweise ließ ihn ein hohes Alter erreichen: er wurde 92. Philosophierend versuchte er, den Dingen auf den Grund zu gehen. Die Stoiker hatten eine kosmopolitische Sicht auf die Welt: alles hängt zusammen und voneinander ab. Sie sahen den Mensch als Teil des Weltalls, der Erde und der Gemeinschaft mit anderen Menschen.
Wie auch die Epikureer, sprachen sich die Stoiker dafür aus, Affekte zu meiden und sich nicht von Gefühlen leiten zu lassen. Nur aus der Vernunft heraus könne man gute Entscheidungen treffen und ein gutes Leben im Dienst der Allgemeinheit führen. Der Verstand ermögliche die Wahl eines tugendhaften Lebens in Ausübung der Pflichten. Die Stoiker strebten eine gelassene Haltung an, die ihnen half, auch Unglück und Schicksalsschläge anzunehmen. Der römische Kaiser Marcus Aurelius schrieb seine eigenen philosophischen Grundsätze nieder, die ihm ethischen und moralischen Halt gaben, um in einer krisengeschüttelten Zeit unter privaten Schicksalsschlägen ein Weltreich zu regieren.
Die Stoa passte sich Veränderungen an. Chrysippos, einer der Nachfolger Zenons, war ein scharfsinniger Denker und bereicherte die stoische Schule, deren Oberhaupt er war. Er systematisierte die Lehre in Ethik, Logik und Physik. Spätere Schulhäupter der Stoa, Panaitios und Poseidonios, wirkten unter dem Einfluss Roms. Poseidonios gründete sogar seine eigene Schule auf Rhodos. Cicero suchte ihn dort auf, um ihn zu hören. Er war ein Kenner der griechischen Philosophie und in seinem Werk "De officiis" - "Von den Pflichten" - entwarf er eine Art moralischen Kodex für römische Staatsmänner auf den Grundlagen der stoischen Philosophie.
Plinius der Jüngere, der Cicero als Vorbild schätzte, äußert in seinen Briefen, aber auch im Panegyrikus, der Lobrede auf Kaiser Trajan, Grundsätze der Stoiker, die gut mit den altrömischen Tugenden (mos maiorum) harmonierten.
Seneca gilt wohl als der bekannteste und bedeutendste Stoiker unter den Römern. Ihm werde ich einen gesonderten Beitrag widmen.
Mir ist die Lehre Epikurs sympathischer als die der Stoiker, obwohl - oder vielleicht gerade weil ich Verstandesmensch und eher pflichtbewusst bin. Ich bin nicht fleißig, sondern eine verhinderte Faule. Ich erledige, was ich erledigen muss, um es hinter mich zu bringen. Viel erledigt zu haben, macht ein gutes Gefühl und ein gutes Gewissen. Aber es ist nicht von Dauer. Arbeit und Pflichten wachsen immer wieder nach. Und deswegen brauche ich keine Grundsätze, die mich antreiben (innere Antreiber habe ich zur Genüge), sondern solche, die mich zum Innehalten und Genießen ermahnen.
Es ist kompliziert mit den philosophischen Strömungen! Ich bin ja der Meinung, dass es nicht schadet, sich verschiedene Vertreter anzuschauen. Und in Krisenzeiten kann die stoische Philosophie Lebenshilfe leisten. Seneca und Marcus Aurelius haben das erkannt und verinnerlicht, aber auch andere Philosophen haben ihr Streben danach ausgerichtet, Menschen die heilsame Wirkung des Denkens, des Dialogs und des Strebens nach einer guten Haltung zu vermitteln. Dion von Prusa war so ein Mann, der seine Berufung darin sah, sogar einen römischen Kaiser - Trajan - philosophisch zu beraten, aber ich denke vor allem an Sokrates, dem ich mich mit besonderer Freude widmen werde.
Literatur:
Wilhelm Weischedel: "Die Philosophische Hintertreppe", dtv Verlagsgesellschaft, 2005, ISBN 978 3423300209
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