Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Samstag, 30. Dezember 2017
In eigener Sache
Die Spannung im Kolosseum erreicht einen Höhepunkt. Die Gladiatoren, die paarweise gegeneinander kämpfen, geben alles. Einer der Männer wird kampfunfähig; sein Gegner wendet sich gegen den Günstling des Publikums, der es nun mit zwei Mann aufnimmt. Die Leute toben und springen von den Sitzen.
In diesem Moment wird mir bewusst, dass ich mich nicht im Publikum befinde, sondern in der Gemüseabteilung des Supermarktes, dass ich einen Einkaufszettel in der Hand halte und mich allmählich auf den Silvestereinkauf konzentrieren sollte. Wo, verdammt nochmal, ist das Suppengrün? Während ich mich auf die Suche mache, wird die Szene in meiner Vorstellung wieder lebendig. Ich halte einen Moment inne und weiß, wie der Kampf enden wird.
Als junges Mädchen tat ich in meiner Freizeit, wozu ich Lust hatte. Am liebsten zog ich mich in mein Zimmer zurück, tauchte in Phantasiewelten ab, schrieb, malte oder las. Ich war gern allein und hatte, wenn ich allein war, viele gute Ideen. Ich war ein Stubenhocker, ein sonderbarer, introvertierter Teenager.
Mein Leben nahm eine andere Wendung. Ich lernte einen "normalen" Beruf und gründete eine Familie. Die Familie wurde größer. Meine Phantasie ließ mich noch nicht im Stich. Ich schrieb abends Geschichten, die ich niemals veröffentlichte. Nach und nach kamen andere Interessen hinzu und ein Nebenjob. Meine Tage wurden immer ausgefüllter, aber ich war es nicht. Die Phantasie versiegte allmählich, so dass ich es kaum bemerkte.
Meine Freiräume musste ich mir allmählich zurückholen. Das Problem waren nicht so sehr die Familie und meine Arbeit, sondern meine eigene Zerrissenheit. Ich wollte doch "normal" sein. Heute weiß ich, dass die Normalität, die ich anstrebte, nicht zu mir passt. Hätte ich das doch früher geahnt! Momente der Inspiration wie im Supermarkt stellen sich nur dann ein, wenn ich genügend Zeit habe - Zeit, um Wissen aufzunehmen, zu fühlen und nachzudenken. So viel Zeit, dass es mir fast schon unangenehm ist, sie zu haben. Ich habe das Gefühl, sie würde mir nur in geringen Dosen, im Ausgleich zu Stress, zustehen. Zeit ist wahrer Luxus. Wer sie hat, sollte sich reich fühlen. Aber sie wird einem nicht geschenkt, man muss sie sich nehmen. Vor allem Frauen dürfen dabei nicht zimperlich sein. Es anderen recht machen zu wollen, funktioniert nicht, nicht für sich selbst und auch nicht in Beziehungen.
Diese Gedanken, die mir zum Jahreswechsel durch den Kopf gehen, müssen sich jüngere Frauen vermutlich nicht mehr machen. Sie haben besser gelernt, zu ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen zu stehen. Meine Generation steckt - das ist meine Erfahrung - immer noch stark in der sozialen Falle. Sozial sein ist Frauensache. Ich tauge nur bedingt dazu.
Für 2018 wünsche ich mir Phantasie und werde mir Mühe geben, die Freiräume dafür zu schaffen. Die Szene im Kolosseum möchte ich irgendwann zu Ende erzählen. Sie gehört nicht in das Buch, an dem ich aktuell arbeite, sondern in eine Fortsetzung. Allen Lesern dieses Blogs wünsche ich einen guten Rutsch ins neue Jahr, viel Glück, Träume und deren Verwirklichung.
Samstag, 23. Dezember 2017
Saturnalien
Saturnus war der Gott des Ackerbaus. Er entsprach dem griechischen Titanen Kronos. Die Anlehnung der römischen Mythologie an die griechische ist immer wieder faszinierend: Von seinem Sohn Jupiter entmachtet, floh er nach Latium, wo er vom doppelgesichtigen Gott Janus aufgenommen wurde. Zum Dank dafür unterwies er die Bewohner Latiums in der Kunst des Ackerbaus. Die Herrschaft des Saturnus galt als goldenes Zeitalter, in dem es noch keinen Privatbesitz und keine Klassenunterschiede gab. Die Saturnalien waren ursprünglich ein Erntedankfest.
Das Fest begann mit einem Opfer und anschließendem Gelage am Saturntempel, in dem der römische Staatsschatz aufbewahrt wurde. Gegen Ende des ersten Jahrhunderts feierten die Menschen sieben Tage lang, vom 17.-23. Dezember. Während dieser Feiertage, die nicht nur in Rom, sondern auch in den Provinzen galten, war schulfrei und die Gerichte arbeiteten nicht - Letzteres war das Charakteristikum der römischen Feiertage.
Das beliebte Fest war ausgelassen und feucht-fröhlich. Im Gedenken an das goldene Zeitalter waren während der Feiertage die Standesunterschiede aufgehoben: Die Sklaven feierten zusammen mit ihren Herren, mitunter wurden die Unterschiede sogar umgekehrt, so dass die Herren ihre Sklaven bedienten. Es herrschte Redefreiheit: Sklaven wurden für freizügige Äußerungen nicht bestraft. Die sonst verbotenen Glücksspiele waren erlaubt. Man lud sich gegenseitig zu Gastmählern ein, bei denen ausgiebig gespeist und gebechert wurde. Es war üblich, einander zu beschenken, ursprünglich mit Kerzen und Tonfiguren, aber später war die Palette umfangreicher: Lebensmittel, Geschirr, Gebrauchsgegenstände, aber auch Gewürze, Kleidung, Bücher, Kosmetika bis hin zu Luxusartikeln wurden geschenkt. Vermögende Römer zeigten sich ihren Klienten gegenüber großzügig.
Aber nicht jeder war ein Freund des ausgelassenen Feierns. Plinius der Jüngere weilte während der Saturnalien gern auf seinem Landsitz bei Ostia, den er in seiner Briefsammlung (II. Buch, 17) ausführlich beschreibt. Sein Lieblingsort war sein Gartenhaus abseits des Hauptgebäudes: "Wenn ich mich in mein Gartenhaus zurückziehe, habe ich den Eindruck, gar nicht auf meinem Landgut zu sein; und es macht mir, besonders während der Saturnalien, ein großes Vergnügen, wenn der übrige Teil des Hauses von der Ausgelassenheit dieser Tage und dem festlichen Lärm widerhallt; denn weder störe ich die Vergnügungen meiner Leute noch sie meine Studien."
Die Saturnalien wurden bis zum Ende der Antike gefeiert, und der Brauch des Schenkens ging in unser Weihnachtsfest ein. In der Spätantike kam das Fest der Wintersonnenwende am 25. Dezember hinzu, gewidmet dem Sonnengott (Sol invictus). Beide Traditionen wurden im Laufe der Zeit vermischt. Bereits im ersten Jahrhundert galt Sol als Schutzgott des Kaisers, und unter Trajan und Hadrian erscheint er auch auf Münzen.
Der Bezug auf Trajan hier im Blog entspringt einer Begebenheit im Roman, an dem ich arbeite: Der spätere Kaiser kommt während der Saturnalien einer fiktiven Person nahe, und es wird ein bisschen romantisch - passend zum damaligen Fest. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern frohe Feiertage!
Literatur:
Karl-Wilhelm Weeber: Alltag im Alten Rom, Das Leben in der Stadt, Patmos Verlag, Düsseldorf 2001, ISBN 3-491-69042-0
Lexikon der Antike, VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1978
Samstag, 16. Dezember 2017
Prostitution
Antike Moralvorstellungen unterscheiden sich deutlich von denen unserer Zeit. Die moderne westliche Gesellschaft ist immer noch vom Christentum beeinflusst. Die Gesetzgebung in der Antike war eine andere. Die alten Römer sahen sich selbst als sehr fromm an. Die damalige Gesellschaft war eine patriarchalische und manche Regeln, Sichtweisen und Gesetze jener Zeit muten heute grausam an und voller Doppelmoral.
Jene Doppelmoral begegnet uns in der Art und Weise, wie Gladiatoren, Wagenlenker, Schauspieler, Pantomimen einerseits geliebt und wie heutige Stars verehrt, andererseits aber gesellschaftlich gering geschätzt wurden. Diese Geringschätzung beruhte vor allem aus der Nähe jener Berufe zur Prostitution. Es gab durchaus Berührungspunkte. Da die Arbeit in der antiken "Unterhaltungsindustrie", im Amüsement den Unterschichten vorbehalten war, die von den Reichen abhängig und, wenn es sich um Sklaven und Freigelassene hatten, zu Dienstleistungen jeglicher Art sogar verpflichtet waren, verkauften diese Berufsgruppen oftmals nicht nur ihre Talente, sondern auch ihren Körper.
Hier mag die berechtigte Frage aufkommen, was das Thema Prostitution mit Trajan zu tun hat. Dieser Blog bezieht sich auf einen Roman, an dem ich arbeite und der in wenigen Wochen erscheinen wird. Eine der Hauptfiguren ist eine Prostituierte. Sie wird weder Kaiserin, noch Vestalin - dies sei schon mal verraten. Ich hatte lange Zeit Schwierigkeiten mit der Figur, wurde mit ihr nicht warm. Ich las ein paar autobiografische Schilderungen von neuzeitlichen Prostituierten, aber dies änderte nichts daran, dass ich mich in Cynthia nicht einfühlen konnte. Sie blieb auch äußerlich vage und verschwommen. Glücklicherweise wurde ich auf das außerordentlich informative Buch "Prostitution in der römischen Antike" von Bettina Eva Stumpp aufmerksam. Schon während ich es las, löste sich meine Abneigung gegen Cynthia auf. Sie bekam eine Biografie, eine Gestalt und eines Tages auch ein Gesicht.
Die Frauen, die sich prostituierten, taten es aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, aus dem Willen, zu überleben, aber oft auch aus Zwang. Viele von ihnen waren Sklavinnen, oft auch Töchter von Prostituierten, in der Sklaverei geboren oder in die Sklaverei verkauft. Immer wieder kam es vor, dass sich Freie aus Not selbst verkaufen mussten, ihre Kinder verkauften oder auf die Straße anschaffen schickten. Im Krieg gefangene Frauen und Kinder fielen in die Hände von Sklavenhändlern und wurden in die Prostitution verkauft, an Bordellbesitzer, aber auch in Haushalte. In manchen Gegenden des Imperiums florierte der Menschenraub, vor allem durch Piraterie. Ausgesetzte Kinder wurden als Sklaven aufgezogen und von ihren Besitzern zur Prostitution gezwungen. Aber auch ältere Prostituierte zogen gelegentlich Findelkinder auf und schickten diese später auf den Strich. Dies war ihre Altersvorsorge. Die Verdienstmöglichkeiten für Frauen waren in der Antike nicht sehr üppig. Neben Tätigkeiten in Haushalt und Familie bot die Textilherstellung ein kleines Auskommen, das aber oft nicht genügte, um über die Runden zu kommen.
In den größeren Städten gab es Bordelle. Die Besitzer ließen dort ihre Sklavinnen für sich arbeiten. Es gab aber auch Prostituierte, die eigenständig arbeiteten und sich in Bordellen Zellen anmieteten. Andere wiederum boten in der Öffentlichkeit ihre Dienste an. Säulenhallen, das Gebiet um den Circus Maximus, belebte Straßen und auch die Stadtbezirke, wo Militär stationiert war (Prätorianer, Gardereiter, Stadtkohorten) waren beliebte Orte der Kontaktaufnahme. Kunden entstammten überwiegend der Unterschicht: Es waren Arbeiter, Handwerker, Soldaten, auch Sklaven, gelegentlich aber auch besser situierte Männer. Die Prostituierten waren leicht und aufreizend bekleidet; oft entblößten sie ihre Oberkörper. Sie galten als geldgierig, aber auch als bösartig bis gewalttätig, was nicht verwundert, weil sie rechtlos waren und sich selbst schützen mussten. Öffentliche Gewalt gegen diese Frauen, aber auch gegenüber Schauspielerinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen galt als Berufsrisiko und kein römischer Bürger, der etwas auf sich hielt, hätte ihnen aus Mitgefühl beigestanden - außer vielleicht, wenn es sich um die eigene Geliebte handelte.
Während von jungen Römerinnen erwartet wurde, dass sie jungfräulich, oft vor der Geschlechtsreife, die Ehe eingingen und sich keusch und ohne jeglichen Tadel verhielten, wurde den jungen Männern empfohlen, sich auszutoben, wann und wo sich Gelegenheit dazu bot. Sexuelle Askese galt als ungesund. Die Ehe war ein Zweckbündnis zum Knüpfen von gesellschaftlichen Beziehungen, zur Besitzerweiterung und zur Zeugung von Nachkommen. Eheleute sollten einander achten und freundschaftlich miteinander umgehen. Sexualität war Pflicht, um Kinder zu zeugen, aber Leidenschaft war dabei unerwünscht, weil damals die Vorstellung herrschte, Gefühle beim Sex könnten die Frauen auf den Geschmack und auf den falschen Weg bringen. Sexuelle Erregung gehörte in den Bereich der gewerblichen Liebe. Den Prostituierten wurde wiederum vorgeworfen, zu schauspielern - was aber schlicht ihrem Selbstschutz diente. Da weder Männer noch Frauen in der Ehe sexuelle Befriedigung fanden, waren außereheliche Beziehungen und der Gang ins Bordell vorprogrammiert. Der Ehebruch einer Frau wurde bestraft, ebenso ihr Gatte, wenn er den Ehebruch duldete, aber ein Mann durfte außerehelichen Sex haben, ohne dass ihm etwas geschah. Angesehene römische Bürger mieden die Bordelle - schließlich hatten sie Sklavinnen und Sklaven, die ihnen jeden Wunsch erfüllten. Bisexualität war in der römischen Oberschicht verbreitet.
Es ist überliefert, dass schon kleine Mädchen und Knaben zur Prostitution gezwungen wurden. Niemand in der Antike fand das anstößig, da es sich um Sklaven handelte. Sklaven hatten alles von ihren Herren zu erdulden, auch Gewalt und Misshandlungen. Aber es kam durchaus vor, dass die Lieblingssklavin freigelassen wurde und Konkubine eines Römers wurde. Solche Beziehungen galten nicht als schändlich.
Die Prostituierten der Antike kannten Methoden der Empfängnisverhütung. Schwangerschaften waren unerwünscht, bedeuteten einen längeren Verdienstausfall und weitere Verpflichtungen. Es gab Arzneimittel zum Schwangerschaftsabbruch. Es war auch bekannt, dass ungewohnte Belastungen wie Erschütterungen, Sprünge und das Heben schwerer Gegenstände einen Abort auslösen konnten. Im alten Rom galt ein Fötus vor dem Gesetz nicht als eigenständiges Lebewesen; eine Abtreibung war nicht strafbar. Brachte eine Prostituierte ein Kind zur Welt, war dessen Weg in die Prostitution geradezu vorgezeichnet.
Literatur:
Bettina Eva Stumpp: Prostitution in der römischen Antike, Akademie Verlag Berlin, 2001, ISBN 3-05-003459-9
Sonntag, 10. Dezember 2017
Pantomimen, Stars der Kaiserzeit
Neben Rennbahnen und Amphitheatern gab es im alten Rom auch die Theater, wo Bühnenstücke von Schauspielern aufgeführt wurden. Bekannt ist das Theater des Marcellus in Rom, aber auch in den Provinzen sind Ruinen römischer Theater erhalten wie beispielsweise in Cadíz. Zunächst gab es ähnlich wie in Griechenland Aufführungen an Festtagen zu Ehren von Gottheiten. In Rom setzten sich Komödien und Sketche gegen Tragödien durch. Das Publikum der Kaiserzeit liebte die leichte Unterhaltung. Seneca, der Tragödien verfasste, sah bald ein, dass er sie, wie wir heute sagen würden, für die Schreibtischschublade schrieb.
Beliebt und berüchtigt zugleich war der Pantomimus. Wie heutige Pantomimen agierten auch die damaligen Akteure wortlos. Unterstützt wurden sie von einem Chor, der sie mit Gesang bei ihrem Spiel begleitete, sowie von Musikern. Manchmal traten auch mehrere Pantomimen auf, aber meist war es ein Hauptdarsteller, der, während er die Handlung tanzte, in verschiedene Rollen schlüpfte. Schauspieler gehörten den unteren Schichten an, waren oft Sklaven. Beliebte Akteure konnten reich und berühmt werden, sich frei kaufen und ein unabhängiges Leben führen. Den meisten von ihnen jedoch haftete, auch wenn das Publikum sie feierte, der Makel eines Berufes an, der in der öffentlichen Wertschätzung sehr tief stand.
Theatervorstellungen fanden wie auch die Spiele tagsüber statt. Die antiken Städte waren am Abend und in der Nacht kaum beleuchtet und ihre Bewohner passten sich der Natur an: Ihr Tag begann bei Sonnenaufgang und endete bei Sonnenuntergang. Feste bis in die Nacht hinein gab es eher in privatem Rahmen in den Häusern der Reichen. Die vornehmen, vermögenden Römer besaßen oft auch eigene Schauspieler, Pantomimen, Tänzer, Musiker und Vorleser, so dass sie ihre Gäste mit verschiedenen künstlerischen Darbietungen unterhalten konnten. Sklaven mussten ihren Herren in jeglicher Beziehung zu Willen sein. Bühnenstücke waren oft der Mythologie entlehnt, voller menschlicher Dramen, Liebesabenteuer und Verwicklungen, Verführung bis hin zu Sexszenen. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass die Darsteller dem animierten und vom Weingenuss enthemmten Publikum anschließend auch erotische Wünsche erfüllten.
Trugen die Schauspieler früherer Zeiten groteske, manchmal furchterregende Masken und gingen auf Stelzen, waren die neuen Bühnenstars attraktiv und durchtrainiert. Die Soloauftritte der Pantomimen waren ebenso kunstvoll wie körperlich herausfordernd. Wer dem Publikum gefallen wollte, musste über die entsprechende Körperbeherrschung verfügen und strenge Diät halten. Die Pantomimen traten leicht bekleidet auf, waren wahrscheinlich auch nackt und bewegten sich auf eine Art und Weise, die ihre körperlichen Vorzüge zur Geltung brachte. Parallelen zum antiken Pantomimus findet man in der neuzeitlichen Burlesque. Aber die Stars der Antike waren vorrangig Männer - die von Männern und von Frauen gleichermaßen gefeiert und geliebt wurden. Zwei Männer aus dem Osten des Imperiums, Pylades aus Kilikien und Bathyll aus Alexandria, haben diese Kunst vermutlich erfunden.
Von mehreren Kaisern ist bekannt, dass sie Theateraufführungen liebten und Günstlinge unter den Darstellern hatten. Sie sahen sich immer wieder gezwungen, die Pantomimen aus Rom zu verbannen, wenn die Vorführungen zu sehr Anstoß erregten. Die Verbote wurden aber auch mit ähnlicher Regelmäßigkeit wieder aufgehoben. Trajan ließ, wie Plinius der Jüngere berichtet, auf Wunsch "des römischen Volkes" die Pantomimen abschaffen. Solche Verbote bezogen sich wohlgemerkt nur auf öffentliche Vorstellungen. Privatleute wurden nicht gezwungen, ihre Pantomimen zu verjagen, und die Oberschicht konnte sich weiterhin an lasziven Darstellungen erfreuen. Plinius war ein mit allen Wassern gewaschener Redner. Die Worte, mit denen er Trajans Maßnahme lobt, sind ein Paradebeispiel für seinen Einfallsreichtum, eine Anordnung des Princeps zu verklären. Domitian hatte die Pantomimen verboten, Trajans Adoptivvater Nerva hatte sie wieder zugelassen. Plinius argumentiert folgendermaßen: Es war richtig, dass Nerva die Pantomimen zurückholte, weil ein schlechter Princeps sie aus der Öffentlichkeit verbannt hatte. Dass Trajan sie wieder verbannte, war deshalb gut, weil die Öffentlichkeit nun aus freiem Willen auf die Pantomimen verzichten wollte.
Cassius Dio berichtet, dass Trajan im Jahr 103, nach Beendigung des ersten Dakerkrieges, die Pantomimen wieder zuließ. Damals wurde ein Triumph gefeiert und dem Volk wurden Spiele geboten. Diese Festlichkeiten waren wohl der Anlass, die geschmähte wie geliebte Kunstgattung den Römern wieder zurückzugeben. Ich bin sicher, Plinius hätte auch für diesen Sinnenswandel des Princeps die passenden Worte gefunden. Es kann sein, dass Trajan den Pantomimen gegenüber zugänglicher wurde, weil er sich in einen von ihnen, Pylades, verliebt hatte. Auch wenn diese "verweichlichten Künste" nicht zur "neuen Zeit" passten, wie Plinius im Panegyrikus schreibt - der Imperator muss tänzerischen Darbietungen gegenüber nicht abgeneigt gewesen sein. Im Jahr 114 hatte Trajan Armenien erobert und wandte sich gegen das Königreich Osrhoene in Obermesopotamien, das damals von den Parthern abhängig war. König Abgar hatte dem Kaiser Geschenke gesandt, war aber nicht persönlich vor ihm erschienen. Nun hatte er keine Wahl mehr und kam Trajan entgegen, um ihm zu huldigen. Sein gutaussehender Sohn Arbandos vermittelte, und während eines Festes unterhielt er den Kaiser mit einem orientalischen Tanz. Man kann sich vorstellen, dass die Gerüchteküche in den Gassen und auf den Märkten Antiochias brodelte, auch in Ermangelung echter, zeitnaher Informationen vom Kriegsschauplatz. Aber es ist denkbar, dass der Prinz von Edessa seine Talente für sein Land einsetzte, und man ahnt, in welch verzweifelter Lage die kleinen Königreiche zwischen dem mächtigen Rom und dem mächtigen Partherreich zu jener Zeit waren. Leider wurde Edessa im Jahr 116 während der Aufstände in Mesopotamien von den Römern unter Lusius Quietus belagert, eingenommen und niedergebrannt. Was aus Arbandos wurde, ist nicht überliefert.
Literatur:
Peter Conolly: "Die antike Stadt", Könemann Verlagsgesellschaft Köln 1998, ISBN 3-8290-1104-0
Arthur Maria Rabenalt: "Mimus eroticus", Verlag für Kulturforschung, Hamburg 1965
Plinius der Jüngere: Panegyrikus, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1985, ISBN 3-534-09220-1
Cassius Dio, Epitome of Book 68
Montag, 4. Dezember 2017
Circusrennen
Sehr beliebt waren die Wagenrennen im Circus. Die größte Arena für diese Veranstaltungen bot der Circus Maximus. Vor Fertigstellung des Kolosseums fanden dort aber auch Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen statt.
Die Wagenrennen hatten ursprünglich eine religiöse Bedeutung und fanden wahrscheinlich (an bestimmten den Göttern gewidmeten Feiertagen) schon unter den altrömischen Königen statt. Das Tal zwischen Aventin und Palatin wurde frühzeitig für Rennen genutzt. Die geschlossene Form der Arena entstand unter Cäsar. Immer wieder kam es zu Bränden im Circus und der Zerstörung folgten Wiederaufbauten. Anfangs waren nur die unteren Reihen aus Stein gebaut. Trajan ließ den Circus Maximus komplett aus Stein errichten. Im Jahr 103 wurde dieser Bau vollendet. Um mehr Plätze für die Zuschauer zu schaffen, ließ der Kaiser die Loge Domitians, aus der er vom Palast aus den Rennen zuschauen konnte, abreißen und wieder in die Arena integrieren. Es gab keine strenge Trennung der Sitzreihen nach Rang und Geschlecht; man konnte dort gut Bekanntschaften schließen und flirten. 250.000 Leute sollen im Circus Maximus Platz gefunden haben. Obwohl heute nur noch wenig von den Steinbauten erhalten ist, hat der Circus die Landschaft geformt und die Ausmaße des Bauwerks sind gut zu erkennen, wenn man vom Palatin aus ins Tal schaut.
Das Bauwerk war für seine Zwecke perfekt konstruiert. In der Mitte der Arena befand sich die spina, eine langgezogene Mauer, die von den Gespannen umfahren werden musste. An einer Seite der Arena lagen die mit Türen verschlossenen Startboxen, an der gegenüberliegenden Seite befand sich ein Triumphbogen, durch die der Veranstalter, gefolgt von Klienten, Wettkämpfern, Reitern, Tänzern und Musikanten, ähnlich wie ein Triumphator feierlich in den Circus einfuhr. Jene Prozession mit abschließendem Opfer erfolgte nach alter Tradition. Der Veranstalter, ein hoher Beamter (Prätor, Ädil oder Konsul) bestimmte die Startplätze der Gespanne durch Auslosen und gab schließlich auch das Signal zum Beginn des Rennens, worauf die Türen der Startboxen gleichzeitig durch einen Mechanismus geöffnet wurden. Die Rennen waren dramatisch und gefährlich, und nicht nur Schnelligkeit und Geschicklichkeit waren dabei gefragt, sondern auch Rücksichtslosigkeit. Das Behindern und Abdrängen der Konkurrenten gehörte dazu. Meist fuhren Viergespanne, Quadrigen. Dass Fahrer in Folge von Unfällen schwer verletzt wurden oder starben, war Berufsrisiko. Der siegreiche Fahrer bekam einen silbernen Palmzweig und eine Geldbelohnung. Es gab damals schon Rennfahrerkarrieren. Die erfolgreichen Wagenlenker, aber auch ihre Pferde waren Publikumslieblinge.
Die Rennställe, factiones, waren private Unternehmen, die meist von Rittern geführt wurden. Die Veranstalter der Spiele trugen die Kosten. Immer öfter mussten die Kaiser bei der Finanzierung helfen, da Privatpersonen damit überfordert waren. Man unterschied vier Farben: die dominierenden factiones Blau und Grün und sowie Rot und Weiß, wobei Rot mit Grün und Weiß mit Blau zusammenarbeitete. Plinius der Jüngere hatte kein Interesse an den Circusrennen. In einem Brief an Calvisius Rufus schreibt er über die Parteinahme der Zuschauer: "Wenn sie die Schnelligkeit der Pferde oder die Geschicklichkeit der Wagenlenker begeistern würden, dann läge noch ein Sinn darin. Jetzt aber spenden sie nur einem Stück Tuch Beifall…" (Plinius der Jüngere, Briefe, IX, 6). Mit "Tuch" meint er die Farbe der jeweiligen factio.
Von einigen Kaisern ist bekannt, welche der "Parteien" sie favorisierten: Vitellius und Caracalla waren Anhänger der "Blauen", Caligula, Nero und Domitian bevorzugten die "Grünen". Von Trajan ist keine Vorliebe für eine bestimmte factio überliefert. Aber er wird, wenn er in Rom war, während der Rennen im Circus gewesen sein. Die Bevölkerung erwartete das vom Princeps. Anlässlich solcher Veranstaltungen bekamen die Kaiser Erwartungen, Wünsche und Forderungen der Leute zu hören, aber auch Zustimmung und Beifall. Die meisten von ihnen respektierten die Stimmung im Volk und entzogen sich dieser Kommunikation nicht. Vermutlich genoss Trajan die Vorführungen. Sie waren nicht nur spannend, sondern auch prächtig durch den Glanz des neuen Bauwerkes, die Ausstattung der Wagen, Pferde und Rennfahrer in den Farben ihrer Parteien. Während die Gladiatorenkämpfe unter dem Einfluss des Christentums seltener und Anfang des fünften Jahrhunderts verboten wurden, fanden Wagenrennen in Byzanz noch im Mittelalter statt.
Literatur:
Marcus Junkelmann: Die Reiter Roms Teil I, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1990, ISBN 3-8053-1006-4
Georg Ürögdi: Reise in das Alte Rom, Prisma Verlag Leipzig, 1966