Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Sonntag, 7. Januar 2024
Ein Kaiser ohne Kindheit?
Über Trajans Jugendzeit gibt es vereinzelte, sparsame, verklärende Zeilen im Panegyricus des Plinius. Ich habe das immer als sehr schade empfunden. Als ich dem Kaiser einen Roman widmen wollte, war mein wichtigstes Ziel, ihn menschlich nahe rücken zu lassen. Denn folgt man der Überlieferung, gelingt das kaum. Es fehlt an echten, menschlichen Notizen in seinem Leben, an solchen, die nicht in das Bild passen, das die Öffentlichkeit von ihm haben sollte, oder die zumindest ein wenig davon abwichen.
Ähnliche Überlegungen hatte ich schon im Zusammenhang mit der Frage, warum die Überlieferung über den Kaiser derart dürftig ist. War das alles ein Missgeschick oder Zufall? Ich halte auch andere Schlüsse für möglich.
In diesem Zusammenhang stellt sich für mich die Frage, ob Plinius seine Lobrede für Trajan, die er im Senat hielt, nicht vorab absegnen ließ. Vielleicht nicht einmal vom Kaiser selbst, sondern vielmehr von L. Licinius Sura, dessen engsten Freund und Mitarbeiter, der Trajans Reden verfasste und somit für seine Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich war. Sura war ein Gönner und Freund des Plinius.
Die Kindheit und Jugend Trajans fiel teilweise in problematische Zeiten: die letzten Jahre Neros, dessen Ende, den darauffolgenden Bürgerkrieg und dann folgten die Flavier und somit kam eine Epoche der Stabilität und des rasanten Aufstiegs von Trajans Vater. Während Domitians Regierung war Trajan schon erwachsen, die beiden Männer waren beinahe gleichaltrig.
Weshalb also keine Anmerkungen zur Kindheit des Herrschers im Panegyrikus? War da einfach nichts, das erzählt werden konnte? Plinius verstand es sehr wohl, Kleinigkeiten mit Bedeutung zu versehen und auf ziemlich gewagte Weise neu zu interpretieren, so den Marsch Trajans nach Obergermanien, als sich Antonius Saturninus gegen Domitian empörte (der inzwischen der damnatio memoriae verfallen war). Plinius reduzierte diesen Marsch auf Befehl des „Tyrannen“ Domitian auf ein rein militärisches Unternehmen: der schwache Despot bedurfte eines soldatischen Anführers, der ihn rettete. Warum gab es keine „Kindheitsstory“ über Trajan?
Eine einzige Anmerkung im Panegyrikus scheint halbwegs zu passen: Plinius schreibt von Trajans „kriegerischen Anfängen und frühesten Taten“ und bezieht sich dabei auf die Zeit, als dieser Militärtribun seines Vaters in Syrien war: „Noch fast als Knabe hast du dich im Partherkrieg ausgezeichnet und so zum Ruhme deines Vaters beigetragen…“ Der spätere Kaiser war Anfang Zwanzig, also der Kindheit längst entwachsen (zumal in einer Zeit, als junge Männer schneller erwachsen werden mussten als heute). Ob er wirklich die Parther in Schrecken versetzte …? Marcus Ulpius Trajanus, der Vater des späteren Kaisers, war damals Statthalter von Syrien und es gelang ihm, einen drohenden Partherkrieg zu verhindern. Leider ist nur wenig über diesen beachtlichen diplomatischen Erfolg bekannt. Interessant wäre es zu wissen, inwieweit diese Jugenderfahrungen dazu beitrugen, dass Trajan in seinen letzten Lebensjahren einen – nicht erfolgreichen - Eroberungskrieg gegen das Partherreich führte. Aber all das war zu dem Zeitpunkt, als der Panegyrikus verfasst wurde, nicht vorauszusehen.
Vielleicht hielt Plinius die Kindheit des Kaisers wirklich für unbedeutend, vielleicht teilte Sura seine Ansicht, oder aber Trajan selbst legte sein Veto ein. Alles davon ist denkbar. Bei diesen Überlegungen denke ich an eine sehr erfolgreiche Schlagersängerin, die derart perfekt ist, dass sie wie ein Kunstprodukt auf mich wirkt, ohne jeglichen Hauch von Menschlichkeit. Sie ist eine Marke, mehr nicht. War es bei dem Idealkaiser Roms vielleicht ebenso?
Ein weiterer Grund scheint für mich zu sein, dass die Kindheit in der Antike nicht die Bedeutung hatte, die sie in der Neuzeit hat. Die Erkenntnis, dass Menschen in der Kindheit entscheidend geprägt werden, war wohl vorhanden, aber ein Kind galt damals vor allem als unfertiger Mensch, der der Erziehung, Führung und Zucht bedurfte. Die Kindersterblichkeit war hoch, das war einfach Schicksal.
Ich jedenfalls habe dem Kaiser eine Kindheit und eine Jugend gegeben, eine, die mir für einen jungen Aristokraten passend erschien, aber darüber hinaus auch eine durchschnittliche: mit Zweifeln, kleinen Abenteuern, Ausbrüchen, ersten Schritten zum Erwachsenwerden, Schmerzen, Sehnsüchten, Freundschaften und Liebe. In einem Roman darf oder eher muss all das sein.
Literatur:
Plinius der Jüngere: Panegyrikus, Herausgegeben und übersetzt von Werner Kühn, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1985, ISBN: 3-534-09220-1
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