Sonntag, 18. Februar 2018

Medizin, Behinderung und Dienstuntauglichkeit

Die ersten griechischen Ärzte kamen relativ spät, 292 v. Chr. nach Rom, um dort zu wirken. Lange Zeit misstrauten ihnen die Römer und verließen sich lieber auf ihre Hausmittel, die der Hausherr, der pater familias, verordnete. Das änderte sich spätestens zu Beginn der Kaiserzeit, als mit dem stehenden Berufsheer, das Augustus schuf, auch die medizinische Versorgung der Armee organisiert wurde.

In unmittelbarer Nähe der Militärlager entstanden Krankenhäuser mit einem relativ hohen Standard an Zweckmäßigkeit und Hygiene. Auch in Marschlagern wurden solche Stützpunkte geschaffen. Die römischen Soldaten waren gut ausgebildet, und deshalb lag den Kaisern viel daran, dass sie am Leben erhalten und wieder diensttauglich gepflegt wurden. Die Gladiatoren wurden auf ähnliche Weise medizinisch betreut wie die Soldaten. Im zivilen Leben gab es praktizierende Ärzte, und reiche Römer leisteten sich eigene Ärzte. Trajans Leibarzt T. Statilius Crito war mit Sicherheit eine Koryphäe unter den Medizinern der damaligen Zeit. Wie die meisten seiner Kollegen war er auch Pharmazeut: Er stellte seine Medikamente selbst her.

Die Kenntnisse der Ärzte von der menschlichen Anatomie, vom Kreislauf und den inneren Organen waren begrenzt. Medizinische Eingriffe erfolgten vor allem oberflächlich. Pfeilwunden, die nicht tief gingen, konnten relativ gut behandelt werden, wenn auch solche Operationen sehr schmerzhaft waren. Es gab keine Anästhesie, wenn man von Alkohol, dem Saft des Schlafmohns und Kräutern wie der Alraunenwurzel absieht, die damals zur Betäubung eingesetzt wurden. Es gab Allgemeinärzte und Spezialisten wie Augenärzte, Zahnärzte, Chirurgen. Auch Ärztinnen gab es, nicht nur Hebammen. In Ostia ist das Grab eines Gynäkologen und einer Hebamme überliefertes Zeugnis einer Praxisgemeinschaft.

Bei inneren Verletzungen waren die antiken Ärzte meist machtlos. Amputationen wurden durchgeführt, aber wenn der Patient überlebte, war er mit hoher Wahrscheinlichkeit dienstuntauglich. Es gibt literarische Berichte von Holzfüßen und eisernen Händen, aber derartige Verletzungen waren mit solchen Einschränkungen verbunden, dass die Betroffenen am ehesten noch Hilfstätigkeiten bei der Armee versehen konnten, die normalerweise Sklaven oder Freigelassene erledigten. Ähnlich war das wohl im zivilen Leben. Gut dran waren diejenigen, die mit Hilfe von Angehörigen und Sklaven noch ein Gewerbe ausüben oder Land bestellen konnten. Beinprothesen sind erst aus dem frühen Mittelalter erhalten, aber zweifellos gab es sie schon früher. Menschen mit Behinderungen wurden damals eher gemieden. Krankheiten, Fehlbildungen, sogar Kriegsverletzungen galten als Strafen der Götter. Ein Gegenbeispiel ist der römische Kaiser Claudius, der unter leichten körperlichen Behinderungen litt und dennoch auf den Thron gelangte. Zwar konnte ihn Seneca, immerhin ein Intellektueller, nach seinem Tod verspotten, aber die Überlieferung würdigt auch seine Vorzüge als Herrscher.

Mein Protagonist ist ein hoffnungsvoller junger Mann, der das Vertrauen des Kaisers genießt und dem eine glänzende Karriere mit Aufstieg in den Ritterstand so gut wie sicher ist. Aber er verliert zu Beginn des ersten Dakerkrieges seinen rechten Unterarm. Warum ich so etwas schreibe? Unter anderem deswegen, weil mir ein solcher Fall realistischer vorkommt als das Gegenteil: der strahlende, unverwundbare Held. Gaius hat Glück: Die Protektion durch den Kaiser und seine persönlichen Fähigkeiten sorgen dafür, dass er nicht in Armut abstürzt oder betteln muss. Aber in der Garde kann er nicht mehr dienen, und auch in anderem Zusammenhang erfährt er Zurücksetzung, weil es, wie er gelegentlich hört, auch aufs Äußere ankommt.

Seine Art, sein Schicksal anzunehmen und nicht aufzugeben, beeindruckt mich. Diese Figur hat sich allmählich geformt, und der Mann ist mir ein Vorbild. Er weigert sich, die Erwartungen seiner Familie zu erfüllen. Er lässt sich beeinflussen, wenn er es für richtig hält. Und trotz seiner Verletzung wird er attraktiver. Gaius lässt sich Prothesen anfertigen und ist zeitweise wieder als Leibwächter im Einsatz. Oft ist ihm die Prothese aber auch hinderlich, und er geht immer offener mit seinem körperlichen Makel um. Ich gebe zu, dass er ein ziemlich moderner Charakter ist.

Die jüngere Matidia, Großnichte Kaiser Trajans und im Roman Freundin des Protagonisten, ist in meiner Geschichte auch ein wenig beeinträchtigt: Sie schielt. Es ist seltsam, dass diese Frau im Unterschied zu ihren beiden Halbschwestern keine Rolle in der Dynastie spielte. Eine Behinderung kann ein Grund dafür gewesen sein, aber auch andere, nicht überlieferte Gründe sind denkbar.

Literatur:

Ernst Künzl: "Medizin in der Antike", Theiss Verlag GmbH; Stuttgart 2002, ISBN 3-8062-1669-X

Marcus Junkelmann: Die Legionen des Augustus, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1986, ISBN 3-8053-0886-8

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