Sonntag, 15. Januar 2023

Auf Messers Schneide: Der Wendepunkt im Partherkrieg

Im Dakerkrieg Kaiser Trajans gab es kritische Momente. Schon damals waren die Kräfte des römischen Imperiums aufs Äußerste beansprucht. Dennoch endete eine lange Phase der Auseinandersetzungen zwischen Rom und Dakien mit einem Sieg der Römer; das Reich des Decebal wurde zerschlagen und Dakien wurde römische Provinz – eine der letzten großen Eroberungen Roms.

Weshalb sich Trajan in seinen letzten Lebensjahren zum Krieg gegen das Partherreich entschloss, kann nicht mehr rekonstruiert werden. Kritische Stimmen sprechen von seiner Kriegsbegeisterung, seinem Bedürfnis, Alexander dem Großen nachzueifern, Wer Trajan bis zuletzt als Realpolitiker bewertet, wird andere Argumente anführen. Möglicherweise wollte er den Konfliktherd Armenien sichern und nutzte dann eine günstige Gelegenheit, weiter vorzustoßen. Vielleicht sah er es als seine Lebensaufgabe an, das Imperium weiter nach Osten auszudehnen, um die römische Position dort dauerhaft zu festigen. Außerdem kann man darauf verweisen, dass es immer wieder zu Kriegen zwischen Rom und dem Partherreich kam. Nach Trajan hatten Marcus Aurelius und Lucius Verus Krieg mit den Parthern geführt. Marcus Aurelius war sicher nicht kriegsbegeistert, aber er führte Kriege, wenn er die Notwendigkeit dazu sah.

Den römischen Truppen gelangen erstaunliche Erfolge. Trajan brachte Armenien, zuvor abhängiges Königreich, unter römische Kontrolle. Vorausgegangen war ein Vertragsbruch seitens der Parther. Im folgenden Jahr zog der Kaiser mit seinen Truppen gegen Mesopotamien. Zuerst wurde Nordmesopotamien eingenommen. Trajan wandte sich Richtung Tigris. Mehrere lokale Fürsten huldigten ihm, aber der Kaiser misstraute ihnen. Volles Vertrauen hingegen setzte er in Lusius Quietus, der einst maurischer Stammesfürst, dann Hilfstruppenführer gewesen war und nun die bedeutendsten Gefechte siegreich für Rom beendete. Quietus wurde als Quereinsteiger sogar in den Senat aufgenommen. Das war mehr als angemessen, denn wenn jemand die schwierige Lage einigermaßen rettete, dann er.

Trajan zog bis Babylon und konnte dort Alexander gedenken, der mindestens sein Vorbild in militärischen Dingen war. Anschließend fuhr er mit einem Schiff bis an den Persischen Golf und sogar aufs Meer hinaus. Dort soll er beklagt haben, zu alt zu sein, um wie Alexander bis nach Indien vorzudringen. Wenn diese Äußerung der Wahrheit entspricht, dann belegt sie eine Tendenz beim Herrscher, den Krieg als persönliches Abenteuer zu betrachten. Doch es siegte die Ernüchterung, und das spricht tatsächlich für ihn. Gut, dass er die Sechzig schon überschritten hatte!

Während Trajan noch in die Ferne schweifte und dem Senat überschwängliche Siegesbotschaften sandte, kam es zum Gegenangriff der Parther. Zuerst musste Trajan Gebiete Armeniens abtreten und Frieden schließen. Mehrere Städte, die Rom bereits annektiert hatte, fielen ab. Als Trajan nach seiner Rückkehr vom Persischen Golf in Babylon eintraf, erfuhr er das Ausmaß des Widerstandes. An den Revolten in Nordmesopotamien waren die Juden beteiligt, und Lusius Quietus schlug die Aufstände brutal nieder. Ein kaiserlicher Legat verlor eine Schlacht gegen die Parther und kam selbst ums Leben. Einige Städte Mesopotamiens konnten zurückerobert werden.

Nun wurde es Zeit für einen großen Auftritt, der den Schein wahren sollte. Vor Ktesiphon wurde ein Tribunal (eine Art Bühne) errichtet, und aus der ganzen Umgebung wurden Leute zusammen gerufen. Trajan stieg auf das Tribunal und feierte zunächst seine militärischen Erfolge (die Niederlagen wurden vermutlich ausgeklammert oder beschönigt), und setzte dann Parthamaspates, der ihm loyal war, als parthischen König ein. Allerdings hatte diese Krönung keine Bedeutung, denn Parthamaspates wurde nicht anerkannt und der Großkönig Osroes, Trajans Gegner, behauptete sich wieder. Trajans Plan, durch diesen Schachzug Mesopotamien weiterhin kontrollieren zu können, schlug fehl.

Der jüdische Aufstand griff nun auf Ägypten, Cyrenaika (Lybien) und Zypern über. Die Niederschlagung dieses Aufstandes lag bei Marcius Turbo, einem Ritter, der die Flotte von Misenum kommandierte und den Rang eines Präfekten von Ägypten erhielt. Turbo sollte einer der wichtigsten Helfer Hadrians werden. Im Jahr 117 hatte er den Aufstand weitgehend unter Kontrolle gebracht.

Aber auch an den anderen Grenzen des Imperiums kriselte es. Die Supermacht Rom war geschwächt, die Truppen mussten die Partherfront verstärken, während Einheiten aus Britannien und Germanien die Donaufront verstärkten, wo Truppen abgezogen wurden. Die Politik der Stärke, wie Trajan sie anstrebte, war an einen kritischen Punkt gekommen.

Auf dem Rückzug nach Antiochia wollte der Kaiser die Festung Hatra persönlich im Sturmangriff einnehmen, was ihm jedoch nicht gelang. Die Reiterei, die er selbst anführte, wurde bis ins Lager zurückgeschlagen. Die anschließende Belagerung war nicht erfolgreich, das römische Heer litt unter Wasserknappheit und Seuchen. Trajan selbst wurde krank und kehrte ins Hauptquartier in Antiochia zurück.

Der römische Kaiser war eine bedeutende Person in dieser Lage, aber er war nicht der Einzige, der handlungsfähig war, und das bewährte sich nun. Sein Stab, seine Gattin Plotina und seine Nichte Matidia kümmerten sich um ihn und sorgten für alles Nötige. Man kann davon ausgehen, dass sich Trajans Gesundheitszustand in Antiochia zunächst stabilisierte. Die römische Armee hatte die Situation weitgehend unter Kontrolle gebracht, und er hoffte vermutlich auf eine neue Offensive im folgenden Jahr. Kriege zwischen antiken Supermächten waren meist langjährige Unternehmungen.

Doch Trajan erlitt einen Schlaganfall und somit wurde die Frage der Nachfolge aktuell, die er selbst aus verschiedenen Gründen noch nicht endgültig geregelt hatte. Die römische Monarchie war immer dynastisch. Unter dem Einfluss seiner Gattin Plotina und seines engen Freundes und Beraters Sura hatte Trajan Hadrian zum Nachfolger aufgebaut. Was Hadrian jedoch fehlte, war die offizielle Adoption durch den Kaiser. Dass diese nicht bzw. nicht regelkonform erfolgte, sollte Hadrians gesamte Herrschaft belasten.

Trajans Zustand verschlimmerte sich, so dass er sich zur Abreise nach Rom entschied. Er übergab Hadrian das gesamte Heer für den Partherkrieg, doch der entscheidende Schritt unterblieb. Man darf diese Übertragung Trajans aber auch nicht zu gering schätzen. Hadrian verfügte zu diesem Zeitpunkt über die Truppen, die ihm die Herrschaft sichern konnten. Es ist gut möglich, dass Trajan nach Rom reisen wollte, um Hadrian in aller Form zu adoptieren. Aber es kann auch sein, dass er hoffte, noch ein paar Jahre in der Hauptstadt leben zu können, während sein potentieller Nachfolger die Schlachten schlug – wie etwa Titus im Jüdischen Krieg, während Vespasian schon in Rom weilte.

Trajans Hoffnungen gingen nicht in Erfüllung. Er starb auf der Rückreise nach Rom, in Kilikien, einer Landschaft in der heutigen Türkei. Hadrian sah sich mit enormen Schwierigkeiten konfrontiert, die er jedoch nach und nach meisterte. Wäre das alles vermeidbar gewesen? Wir wissen es nicht. Möglicherweise hat Trajans Offensive seinen Nachfolgern etwas Ruhe geschenkt. Aber es ist auch denkbar, dass all das Blutvergießen zu den Sinnlosigkeiten in der Menschheitsgeschichte zählt.

Literatur:

Karl Strobel: "Kaiser Traian. Eine Epoche der Weltgeschichte", Verlag Pustet, Regensburg, 2010, ISBN 978-3-7917-2172-9

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