Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Samstag, 4. April 2020
Marcus Aurelius und Faustina - Herrscherpaar unter Schicksalsschlägen
Hadrian hatte Antoninus Pius beauftragt, zwei Thronerben zu adoptieren: Marcus Aurelius und Lucius Verus. Doch Antoninus bevorzugte den älteren Marcus und machte ihn allein zu seinem Mitregenten und Nachfolger. Zum Programm gehörte die Verlobung des Marcus mit Faustina, der Tochter des Antoninus. Münzen zeigen eine hübsche junge Frau mit freundlichem Gesichtsausdruck. Antoninus, der frühzeitig Witwer geworden war, liebte seine Tochter sehr und soll gesagt haben, er wäre lieber mit ihr allein auf einer einsamen Insel als ohne sie im Palast.
Marcus und Faustina waren Cousin und Cousine und kannten sich schon vor ihrer Ehe, denn sie lebten im gemeinsamen Haushalt. Als beide miteinander verheiratet wurden, war er vierundzwanzig und sie fünfzehn. Ein solcher Altersunterschied war damals völlig normal. Faustina war fast noch ein Kind und musste von nun an leisten, was von der Gattin eines Thronfolgers erwartet wurde: Nachkommen gebären, am besten Söhne. Ob sie ineinander verliebt waren, lässt sich nicht sagen. So etwas spielte keine Rolle in politischen, dynastischen Ehen, doch es ist anzunehmen, dass sie gut miteinander auskamen und einander verbunden waren. Kaum war Faustina siebzehn Jahre alt geworden, gebar sie eine Tochter namens Domitia Faustina. Kaiser Antoninus war glücklich und stolz. Sofort verlieh er Marcus Sondervollmachten und ließ ihn stärker an der Macht teilhaben. Das kleine Mädchen war nach seiner Großmutter benannt worden, der Mutter des Marcus, Domitia Lucilla, die meist mit dem jungen Paar zusammen im Palast lebte. Marcus Aurelius erwähnt mit großer Dankbarkeit, dass er seine Mutter in diesen Jahren um sich hatte. Sie soll eine angenehme Frau mit Charakter gewesen sein. Fronto, der Lehrer des Marcus Aurelius, beschreibt sie als ein Muster weiblicher Tugenden.
Faustina gebar Marcus mindestens zwölf Kinder. Diese Fruchtbarkeit, die eine gute Gesundheit der Mutter voraussetzte, war einmalig in der römischen Kaiserzeit. Die Geburten wurden durch Münzprägungen gefeiert; die Dynastie galt als gesichert. Antoninus Pius sicherte seine Enkelkinder finanziell ab. Doch weder er, noch die besten Ärzte des gesamten Reiches konnten verhindern, dass viele der Kinder frühzeitig starben. Faustina muss auch psychisch sehr robust gewesen sein, sonst hätte sie all die Verluste nicht verkraftet. Einmal kam ein Glückwunschschreiben zur Geburt eines Kindes im Palast an, als es bereits gestorben war. Die Kindersterblichkeit war damals sehr hoch. Ein gewöhnlicher Infekt, wie wir ihn heute kennen, konnte den Tod bringen. Es gab weder Antibiotika, noch andere wirksame Medikamente. Die erste Tochter Domitia starb noch als Kleinkind. Um 150 herum wurde wieder eine Tochter geboren, Annia Lucilla. Einige kleine Jungen starben und damit schwand auch die Hoffnung auf einen Thronfolger. Als Antoninus starb, war Faustina im vierten Monat schwanger. Im August 161 gebar sie Zwillinge, Antoninus und Commodus. Die Öffentlichkeit feierte ein goldenes Zeitalter. Zwillinge erinnerten an Romulus und Remus, die sagenhaften Gründer Roms.
Als der Partherkrieg ausbrach, ging Lucius Verus in den Osten. Marcus blieb bei Faustina, die nach den Zwillingen wieder schwanger war. Ein weiterer Sohn, Annius Verus, wurde geboren. Lucius Verus lernte während des Krieges seine Geliebte Pantheia kennen, der er bis zu seinem Tode verbunden war. Marcus erwähnt sie in seinen Selbstbetrachtungen. In Ephesos heiratete Verus die damals etwa vierzehnjährige Lucilla, die Tochter von Marcus und Faustina. Verus war nicht nur Adotivbruder, sondern nun auch Schwiegersohn von Marcus Aurelius. Lucius Verus hielt prachtvoll Hof in Syrien. Er war viel stärker als Marcus ein Genussmensch, sinnlichen Vergnügungen und Prunk ergeben.
Die jüngere Matidia, Großnichte Trajans und Schwester der Kaiserin Sabina, lebte noch. Sie nahm manchmal eine der kaiserlichen Töchter in ihr Stadthaus in Rom, um sie aufzupäppeln, wie wir heute sagen würden. Sie wurde Ende Siebzig, vielleicht knapp achtzig Jahre alt. Zur gleichen Zeit starb auch der Zwillingsbruder des Commodus, Antoninus. Die Trauer um einen potentiellen Thronfolger muss groß gewesen sein. Doch Faustina blieb nicht viel Zeit dazu. Sie reiste nach Syrien, um ihrer Tochter Lucilla während der Schwangerschaft beizustehen. Marcus Aurelius blieb in Rom. Die Geburt der Enkeltochter, aber auch der Hof des Verus und seine lebensfrohe Art mögen Faustina aufgemuntert haben. In Syrien lernte sie auch den siegreichen Feldherrn Avidius Cassius kennen. Commodus bezog sich später, als er selbst Kaiser war, mehr auf Verus als auf seinen leiblichen Vater.
Als in Rom der Triumph über die Parther gefeiert wurde, fuhr Faustina mit drei Töchtern im Triumphzug mit. Die beiden kleinen Söhne Commodus und Annius erhielten den Caesar-Titel. Diese Feier war der letzte feierliche Höhepunkt des Kaiserpaares. Denn nun brach die Antoninische Pest in Italien und auch in Rom aus und verbreitete sich weiter. Es kam zum Krieg gegen die Germanen, und beide Kaiser mussten aus Rom aufbrechen. Nicht lange danach starb Lucius Verus. Lucilla war kaum 20 und wurde schon Witwe. Konnte man all diesen Schicksalsschlägen anders als mit Stoizismus widerstehen? Doch von Faustina ist nicht bekannt, ob sie die philosophischen Neigungen ihres Gatten teilte oder in irgendeinem Kult Trost fand. Böse Zungen behaupteten, sie hätte sich in Liebschaften mit Gladiatoren getröstet, und da lag es natürlich nahe, zu spekulieren, der später verhasste Commodus stammte aus einer dieser Beziehungen.
Als Marcus Aurelius auf dem Forum Traiani Wertgegenstände aus dem eigenen Haushalt versteigern ließ, war die Krisenstimmung spürbar. Es war eine Geste, die zum Sparen aufrief. Gladiatoren wurden in den Kriegsdienst berufen. Der Kaiser selbst war kein Freund der "Spiele". Sein lebenslustiger Mitregent war verstorben. Die Römer spürten, dass sich ihre Welt verdüsterte. Lucilla wurde mit einem der Generäle des Kaisers verheiratet, der in den kommenden Feldzügen seine Stütze sein würde. Gerade, als der Krieg an der Donau ausbrach, starb der siebenjährige Annius Verus. Er wurde nur fünf Tage lang betrauert. Bald richtete sich die Hoffnung auf eine neue Schwangerschaft Faustinas. Commodus kränkelte, und der berühmte Galen, Leibarzt des Kaiserhauses, bemühte sich um ihn. Im Alter von etwa vierzig Jahren gebar Faustina ein Mädchen. Im Jahre 172 hatte sich die Lage an der Donau soweit entspannt, dass sie mit der dreijährigen Tochter und Commodus nach Carnuntum zum Kaiser reiste. Die Anwesenheit der Familie gab dem Marcus Aurelius Kraft. Außerdem trat man mit dieser Reise auch Gerüchten über die Untreue Faustinas entgegen.
Ob die Gerüchte einzig der üblen Nachrede des Senats entsprachen, der Faustina als Mutter des Commodus hasste, lässt sich nicht sagen. Auch eine Verbindung zum Usurpator Avidius Cassius wurde Faustina nachgesagt. War der asketische Marcus Aurelius als Gatte nicht sehr attraktiv? Ich bin eher hedonistisch eingestellt und habe meine Schwierigkeiten mit Moralpredigern. Doch Marcus Aurelius predigte nicht. Er setzte vielmehr bei sich selbst an und was er lebte, drang nach außen. Für Faustina spricht, dass sie die Erwartungen, die in sie gesetzt wurden, vollkommen erfüllte. Keine Kaiserin hat so viele Nachkommen geboren wie sie. Doch die Gerüchte über sie müssen auch den Imperator erreicht und belastet haben. Während ihres Aufenthaltes im Heerlager erhielt Faustina den Titel mater castrorum, sinngemäß übersetzt "Soldatenmutter".
Doch den militärischen Erfolgen an der Donau folgte die Nachricht vom Aufstand des Avidius Cassius in Syrien. Cassius wurde sogar in dem für die Versorgung Roms so wichtigen Ägypten anerkannt. Marcus Aurelius war krank gewesen und im Osten hatten Gerüchte über seinen Tod die Runde gemacht. Der Kaiser brach nach Syrien auf. Commodus, damals dreizehnjährig, verteilte Geldspenden an das Volk in Rom. Avidius Cassius wurde von seinen eigenen Leuten ermordet, ehe die kaiserliche Familie in Syrien eintraf. Marcus Aurelius reiste mit Faustina und einigen Kindern demonstrativ durch das Land, das gerade erst unter Kontrolle gebracht worden war. Doch im Herbst 175 verstarb Faustina in Kappadokien. Marcus Aurelius und Commodus brachten die Urne mit ihrer Asche nach Rom. Sie wurde zur Staatsgöttin. Der Kaiser trauerte nun auch um Partnerin an seiner Seite. Er heiratete nicht wieder, sondern nahm sich eine Konkubine. Und er spürte, dass auch ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Commodus, der einzig überlebende Sohn des Kaiserpaares, wurde mit allen nötigen Kompetenzen ausgestattet, um nach dem Tod von Marcus Aurelius die Herrschaft zu übernehmen.
Commodus wurde achtzehnjährig Kaiser. Er war den Herausforderungen des Amtes in einer krisenhaften Zeit nicht gewachsen. Er war auch viel zu jung. Man muss bedenken, dass sein Vater dreiundzwanzig Jahre Zeit hatte, um in seine Aufgaben hineinzuwachsen. Marcus Aurelius hätte vielleicht einen Übergangskandidaten einsetzen können, einen Mann vom Format des Antoninus Pius, der Commodus beigestanden hätte. Er hat gewiss das Bestmögliche getan, um seinen Sohn auf seine künftige Aufgabe vorzubereiten. Commodus war labiler, als sein Vater vermutete. Dass Marcus seinem Sohn vertraute und Hoffnungen in ihn setzte, ist nachvollziehbar und menschlich.
Literatur:
Hildegard Temporini: "Die Kaiserinnen Roms",Verlag C. H. Beck, München 2002, ISBN 3 406 49513 3
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