Sonntag, 6. Dezember 2020

Der Beste und die Besten: Trajan und der Senat

Dass sich Trajan um ein gutes Verhältnis zum Senat bemühte, habe ich schon mehrfach geschrieben. Die Zeit nach dem Sturz Caesars und dem Ende der römischen Republik war zunächst von einem vorsichtigen Austarieren von Befugnissen des Princeps, des Augustus, geprägt. Gegen Ende des ersten Jahrhunderts war der römische Kaiser ein fast absoluter Herrscher. Die klügeren, diplomatischen unter den Caesaren kehrten das nicht heraus, sondern demonstrierten Bescheidenheit und Respekt gegenüber dem Senat. Doch konnten diese Gesten nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle wichtigen Entscheidungen im Staat vom Kaiser getroffen wurden.

So auch unter Trajan. Dennoch gelang es ihm, den Männern der Oberschicht durch sein Verhalten das Gefühl zu geben, die alten Zeiten mit mehr Freiheiten seien zurückgekehrt. Das waren aber nicht nur Gesten, die ihn nichts kosteten. Die wichtigste Grundlage des vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Princeps und Senat war Sicherheit. Und das oberste Gebot der Sicherheit war das Versprechen Trajans, keinen Senator töten zu lassen. Daran hielt er sich zeitlebens. Ritter allerdings, die in dieses Versprechen nicht eingeschlossen waren, mussten bei entsprechendem Fehlverhalten durchaus die Todesstrafe empfangen. Dadurch, dass Trajan sich nicht durch Majestätsprozesse das Vermögen politischer Gegner aneignete und die Testamente der Senatoren nicht antastete, dass er Verwandte ersten und zweiten Grades von der Erbschaftssteuer befreite, ließ Plinius dankbar verkünden: "Unsere Testamente sind sicher". Damit förderte der Kaiser die finanzielle Basis der Elite des Imperiums, auf die er mehr oder weniger auch angewiesen war.

Denn ein Weltreich musste verwaltet werden. Das schaffte der Kaiser nicht allein. Er stützte sich auf unzählige Beamte, Magistrate, Offiziere, Finanzexperten und nicht zuletzt auch persönliche Berater, die sein Consilium, seinen Kronrat, bildeten. Dennoch lagen die strategisch wichtigen Entscheidungen bei ihm selbst, und dazu kamen unzählige Detailfragen, die ihm vorgelegt wurden - der Briefwechsel des Plinius mit Trajan ist dafür ein anschauliches Beispiel.

Die Senatoren und ihre Söhne sowie nahen Verwandten erhofften sich Ämter, Einfluss und Prestige als Lohn für ihren Einsatz. Trajan förderte bereitwillig alle Angehörigen des Senats, nicht nur seine Freunde. Allerdings ließ er dabei erkennen, welche Männer er bevorzugte: Charakterfestigkeit schätzte er besonders. Der Beste umgab sich also mit den Besten, wie sollte es anders sein. Jungen Männern, die sich um Ämter bewarben, legte er nahe, dass sie sich in erster Linie beim Senat darum bemühen mussten und er ohne Rücksprache mit den Senatoren keines vergeben würde. Und als er den zweiten Dakerkrieg siegreich beendet hatte, musste eine Abordnung der Daker nach Rom reisen und vor dem Senat um Frieden bitten.

Die Kaiser wurden selbst auch Konsuln, und als Trajan seinen Konsulat antrat, legte er stehend vor seinem Amtsvorgänger (der saß) den Amtseid ab. Das versetzte die Senatoren in Erstaunen und Begeisterung. Nur eine Geste, aber sie zeigte große Wirkung.

Plinius der Jüngere betont im Panegyrikus immer wieder, dass Trajan eine gewisse Vorbildwirkung ausübte und die Senatoren ihm gerne folgten. Das sind moderne Führungsqualitäten, die auch heutigen Politikern gut stehen würden.

Er förderte aber nicht nur, sondern forderte auch: Er zwang die Senatoren, die sich um höhere Ämter bewarben, ein Drittel ihres Vermögens in italischen Grundbesitz anzulegen. Der Kaiser meinte, es sei schimpflich, dass diese Leute Italien nicht als Heimat, sondern als Herberge auf der Durchreise betrachteten. Zu jener Zeit stammten viele Senatoren schon aus den Provinzen und Trajan hielt es für selbstverständlich, dass diese Männer auch eine Basis im Kernland hatten. Er selbst war Provinzialrömer aus Südspanien, aber er hatte nicht vergessen, dass die Ahnen seiner Familie aus Umbrien stammten. Und ich bin ganz sicher, dass er auch in dieser Angelegenheit Vorbild war. Es ist bekannt, dass er ein Landgut bei Centumcellae (Civitavecchia) besaß und jene Villa wird nicht seine einzige in Italien gewesen sein. Von Plinius dem Jüngeren beispielsweise ist bekannt, dass er mehrere Güter in den schönsten Gegenden Italiens besaß.

Die höheren Ämter standen nicht jedem Senator offen, und dementsprechend hoch waren die Anforderungen. Doch wie es mit den Leistungsträgern heute ist, so war es schon damals: es gab schwarze Schafe unter ihnen. Plinius war in mehrere Prozesse gegen korrupte Provinzstatthalter involviert. Die höheren Ämter waren mit Ausgaben verbunden, für die sich etliche Senatoren durch die Ausbeutung von Provinzen, die sie verwalteten, selbst entschädigten.

Auch in den Senatssitzungen ging es nicht immer würdevoll zu. Plinius berichtet in einem seiner Briefe (IV,25), dass bei geheimen Abstimmungen Witze und "abscheuliche Worte" auf den Stimmtafeln gestanden hätten, und einer hatte an Stelle der Namen der Kandidaten die Namen derer geschrieben, die sie vorgeschlagen hatten. Das rief einige Empörung hervor, und der Senat wünschte auf die Übeltäter den Zorn des Kaisers herab. Ich stelle mir das konkret vor: die Konsuln und einige ihrer Freunde gingen gemeinsam zu Trajan petzen (der zwar häufig, aber durchaus nicht immer im Senat anwesend war). Ob sie wohl alle schlimmen Worte vor ihm ausbreiteten? Plinius gab zu, dass er keine Idee hatte, was man gegen ein solches Verhalten unternehmen könne.

Anonymität lässt auch heute noch tief in so manche Abgründe blicken.

Literatur:

Plinius der Jüngere, "Panegyrikus", herausgegeben und übersetzt von Werner Kühn, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1985, ISBN 3-534-09220-1

Plinius, Sämtliche Briefe, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1998, ISBN 3-15-059706-4

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