Samstag, 10. Oktober 2020

Platon und die Liebe zur Weisheit

Platon stammte aus einer wohlhabenden Familie der Oberschicht Athens. Er war vielseitig gebildet und kam schließlich durch Kratylos, einen Anhänger Heraklits, mit der Philosophie in Berührung. Als der Zwanzigjährige Sokrates kennenlernte, schloss er sich ihm an und wurde sein Schüler.

Das Streben des Sokrates nach der Wahrheit findet sich auch bei Platon. Während Sokrates in Gesprächen auf der Straße philosophierte, enthält das Werk Platons viele literarische Dialoge. In diesen Dialogen lässt Platon Sokrates sowie andere Persönlichkeiten seiner Zeit, auch Verwandte, zu Wort kommen. Durch Platon ist die Philosophie des Sokrates überliefert worden. Jener hinterließ keine literarischen Aufzeichnungen. Wie Sokrates vermied auch Platon jeglichen Dogmatismus und lieferte oftmals keine Antworten auf die Fragen, die er aufwarf.

Platon verehrte und bewunderte seinen Lehrer, und als jener angeklagt und zum Tode verurteilt wurde, erschütterte ihn das zutiefst. Eine Gesellschaft, die den weisesten und gerechtesten Mann hinrichten ließ, war für ihn mangelhaft und verbrecherisch. Zu jener Zeit herrschten in Athen dreißig Oligarchen. Mit einem von ihnen war Platon sogar verwandt und er war eingeladen worden, in die Politik einzutreten. Er lehnte es jedoch ab, mit diesem System zusammenzuarbeiten.

Platon ist vor allem durch seine Ideenlehre bekannt. Er war der Meinung, Menschen könnten durch ihre subjektiven Eindrücke nicht die Dinge an sich, sondern lediglich Zerrbilder bzw. Projektionen davon erkennen. Dies beschreibt er in seinem Höhlengleichnis. Das Wahre, Gerechte, das Wesen der Dinge besteht in einer Ideenwelt. Platon hielt die menschliche Seele für unsterblich, und ein Grundwissen der Menschen von dem wahren und richtigen Wesen der Dinge rührte seiner Auffassung nach aus einem Vorbewusstsein her, als die Seele vor der Geburt noch im All bei den Göttern war. Dies ist für mich sehr interessant, da ich diese Auffassung von einem Vorbewusstsein auch von einem anderen Denker kenne, den ich sehr schätze: Carl Gustav Jung. Seine Archetypenlehre weist direkt auf Platon hin.

Das Höhlengleichnis beschreibt Platons Vorstellung von menschlicher Bildung als einen Vorgang des Aufsteigens aus einem simplen Erkennungsversuch, gefolgt von Bemühungen, das Wahre, Allgemeine zu erfassen, auf das der erste Sinneseindruck schon verweist: jeder Baum erinnert an den Ur-Baum bzw. die Idee eines Baumes. So ist es, nach Platon, auch in der Liebe. Bereits die erste Verliebtheit der Jugend lehrt das Streben nach dem Schönen, auch wenn es zunächst nur der körperlichen Schönheit gilt. Die nächste Stufe ist die Liebe zur inneren Schönheit und weiter zur Schönheit an sich. Alkibiades, der schöne junge Mann, ist in Sokrates verliebt und versucht ihn zu verführen, aber Sokrates widersteht; er verschmäht es, der körperlichen Zuneigung nachzugeben. Seine Liebe zu Alkibiades ist umfassender. Aus dieser Geschichte ist wohl das abgeleitet worden, was wir heute „platonische Liebe“ nennen.

Platon hatte nie eine Frau. Er hatte ohnehin kein sympathisches Frauenbild. Doch die Liebe, die er empfand, nannte er „Eros“. Das war pure, sinnliche Leidenschaft. Platons Liebe galt dem Streben nach Wahrheit und Erkenntnis: er liebte die Weisheit. Denn Philosophie heißt nichts anderes als Liebe zur Weisheit. Platon war der Philosophie verfallen.

Sein Leben verbrachte Platon zunächst mit Reisen nach Unteritalien und nach Sizilien. Dort befanden sich damals griechische Kolonien. Er hörte andere Philosophen und gewann Freunde, geriet aber auch in politische Verwicklungen und kehrte nach Athen zurück. Dort kaufte er ein Grundstück und eröffnete die erste philosophische Schule der Welt, die Akademie. Nicht nur er selbst unterrichtete dort seine Schüler, sondern auch andere Philosophen kamen in die Akademie, um dort zu sprechen.

Trotz seiner negativen Erfahrungen reiste Platon noch zweimal nach Sizilien. Sein Freund Dion vermittelte zwischen ihm und dem Tyrannen Dionysios II. Platon hoffte, den noch jungen Herrscher beeinflussen zu können, einen Staat zu errichten, der seinen philosophischen Idealen nahe kam. Doch Dionysios bemühte sich nicht ernsthaft genug und Dion, Platons Freund, stürzte schließlich den Tyrannen. Doch er geriet in Verdacht, selbst Tyrann werden zu wollen, und wurde ermordet. Platon unterstützte Dion dabei nicht, setzte ihm aber ein literarisches Denkmal. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Platon in Athen. Er philosophierte und lehrte Philosophie und wurde schließlich in der Nähe seiner Akademie bestattet. Platon gilt als einer der bedeutendsten Denker der Weltgeschichte und beeinflusste viele Generationen von Denkern in verschiedenen Ländern.

Literatur:

Wilhelm Weischedel: "Die Philosophische Hintertreppe", dtv Verlagsgesellschaft, 2005, ISBN 978 3423300209

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